...la la la la la la la la, Tulpen aus Amsterdam....
Vor ein paar Tagen musste ich in Passangelegenheiten zum Konsulat in Amsterdam. Ein Tagesausflug mit reichlich Eisenbahnfahren, ein bisschen Straßenbahn, einer großen Flasche Mineralwasser und vielen belegten Broten.
Den Termin hatte ich vor Wochen online gebucht, was einer Art Lotterie gleichgekommen war. Jede Woche am Freitagmorgen wird eine bestimmte Anzahl Termine für ca. 4 Wochen später freigeschaltet. Dann muss man schnell genug sein und Glück haben. Irgendwann gelang mir beides, und ich konnte sogar eine Tageszeit wählen, die mir erlaubte, zu einer angenehmen Zeit starten zu können. Morgens kurz nach 10 gings los. Es war eisekalt, aber ansonsten Superwetter. Auf den Zug wartend, hatte ich einen guten Blick auf das perfekt restaurierte historische Bahnhofsgebäude, das 1868 in Gebrauch genommen wurde. Heute beherbergt es das Noord-Nederlands Trein & Tram Museum.
In diese Richtung sollte die Reise in wenigen Minuten beginnen; irgendwo dahinten, etwas mehr als 20 Reiseminuten entfernt, liegt die Stadt Groningen.
Und dann saß ich auch schon im Zug. Im "Dieseltje", wie manche Leute unsere Regionalzüge von Arriva auf der nicht elektrisierten Strecke freundlich nennen. Und fror. Ungeheizte Bahn.
Um in Groningen genug Zeit zum Umsteigen zu haben, hatte ich extra einen Zug früher genommen. Ich war so lange nicht mehr richtig auf Reisen gewesen, da kamen mir 5 Minuten Umsteigezeit auf einmal viel zu kurz vor.
Natürlich hatte ich nun viel zu viel Zeit auf dem Bahnhof in Groningen, und war froh, dass der Intercity der Nederlandse Spoorwegen schon bereitstand. Auch hier, wie schon eben: nicht viele Reisende um mich herum. Allerdings hatte ich auch den Luxus meiner Senioren-Tagesnetzkarte, ein tolles Angebot der niederländischen Bahn für Menschen über 60. Zu einer Jahreskarte, die in etwa der Bahncard entspricht, kann man zusätzlich 7 Tagesnetzkarten 1. Klasse à 7,50 EUR kaufen. Einziger Nachteil: sie gelten nur außerhalb der Rush Hour.
Es war schön, endlich wieder einmal so richtig unterwegs zu sein. Hier irgendwo in Drenthe. Wir passieren gerade eine Reihe Kopfweiden, von denen ein Teil bereits gestutzt wurde, ein anderer Teil noch nicht.
Eine Zeit später fuhren wir durch "den Polder". Ein anderer Name für die jüngste Provinz der Niederlande, die Provinz Flevoland. Sie besteht aus jenem Gebiet der ehemaligen Zuiderzee, seit der Eindeichung 1932 Ijsselmeer genannt, das seit den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts durch Trockenlegung gewonnen wurde. Die Provinz Flevoland wurde 1986 aus den Poldergebieten gebildet.
In Flevoland liegt auch das ausgedehnte, der Natur zurückgegebene Gebiet der Oostvaardersplassen, in dem rund 850 Stück Damwild, 1000 Konikpferde und 400 Heckrinder leben sowie unzählige, auch seltene Vogelarten. Leider war ich mit dem Handy nicht schnell genug, und so ist nur Landschaft auf dem Bild zu sehen. Das Gelbe ist kein stehengebliebenes Getreide, sondern eine riesige Fläche mit Riedgras.
Ziemlich durchgefroren, wie schon der Arriva-Zug nach Groningen war auch der Intercity nicht geheizt, fand ich mich dann doch irgendwie unerwartet und plötzlich in Amsterdam Zuid an der Straßenbahnhaltestelle in Richtung Stadtmitte wieder.
Und erlebte ein Konglomerat von Gefühlen. Seit Juli 2020, meinem letzten Besuch in Frankfurt, war Groningen die einzige Stadt, die ich erlebt hatte. Das hier war ein ganz anderes Kaliber.
Als die Straßenbahn in die Station einfuhr und gegenüber anhielt, kamen mir fast Tränen. Seit nunmehr bald zwei Jahren erlebte ich - Großstädterin aus tiefster Seele - erstmals wieder eine echte Straßenbahn. Ich freute mich wie ein kleines Kind.
Und mit diesem Gefühl stieg ich dann auch in die - wiederum ungeheizte - Straßenbahn. Die Sitze waren zwar eisekalt, aber das tat vorläufig dem Stadtgefühl keinen Abbruch. Neugierig schaute ich aus den Fenstern. Der Weg führte durch ein städtisches Erweiterungsgebiet aus dem ersten Viertel des 20. Jahrhunderts, schöne, backsteinene drei- bis viergeschossige Wohn- und Geschäftshäuser säumen hier die Straßen.
Ich konnte mich nicht sattsehen an dem ganz normalen städtischen Leben, das wir passierten. Lieferautos mit Waren für die zahlreichen Geschäfte. Menschen unterwegs von irgendwo nach irgendwo. Leute, die Einkaufen gingen. Autos. Fahrräder. Stadt halt. Mir klopfte das Herz, ich war voller Freude und Begeisterung, mit einem Kloß im Hals.
Hinter der Rührung meldete sich vehement das Heimweh nach Frankfurt. Erst recht, als ich am Museumplein ausgestiegen war und noch einmal in Ruhe die Straße entlangsah, auf der ich gekommen war.
Doch nun hieß es, den Weg zum Konsulat einzuschlagen. Ich hatte noch 20 Minuten für einen Weg, der laut Routenplaner 5 Minuten dauerte. Konnte also auch unterwegs meine Blicke schweifen lassen und auf mich wirken lassen, was ich sah.
Da, am Ende des riesigen Platzes stand es also, das berühmte Rijksmuseum. Das niederländische Nationalmuseum, in dem 800 Jahre niederländischer Geschichte erzählt werden. Und viele berühmte Gemälde zu sehen sind.
Und das ich noch nie besucht habe.
Das würde mir auch diesmal nicht gelingen, ich hatte nur wenig Zeit bis zur Rückfahrt vor Beginn der Rush Hour, und die Schlangen an den Kassen waren endlos.
Sozusagen gegenüber, am anderen Ende des Museumpleins, das Van Gogh Museum, das die weltweit größte Sammlung von Werken von Vincent van Gogh beherbergt. Auch das habe ich bislang noch nicht besucht.
Daneben schließt sich eine gigantische Rasenfläche an, die bei dem Superwetter und den inzwischen angenehmen Temperaturen von vielen, vielen Menschen zum Sitzen, Spazieren oder Spielen genutzt wurde. Überhaupt waren Straßen, Plätze und zahlreiche Straßencafés enorm bevölkert. Wahrscheinlich hätte ich nur mühsam irgendwo einen Platz bekommen, hätte ich danach gesucht.
Dies Statement für die Kunst, Protestruf gegen all die Schließungen, die in den letzten zwei Jahren den Kunst- und Kultursektor übermäßig hart getroffen haben, begegnete mir auf dem Weg zum Konsulat.
20 Minuten später hatte ich dort alles erledigt. Mir blieb nun noch eine gute Stunde Zeit in Amsterdam. Gerade noch genug, um ein Stückchen in Richtung Innenstadt zu laufen und entlang ein paar der berühmten Grachten zu schlendern.
Kein Abklappern der üblichen Sehenswürdigkeiten. Aber Schauen nach des Sehens Wertem.
Entlang der Nordwestseite des Rijksmuseum führte mein Weg
zur Singelgracht.
Als wie gerufen eines der typischen Rundfahrtbote angefahren kam, konnte ich der Verführung nicht widerstehen und knipste drauflos.
Dito ein paar Meter weiter an der Lijnbaansgracht.
Klischeemäßiger, typischer geht es nicht. Das Tolle ist, dass hier Klischee und gelebtes Leben übergangslos in einander fließen. Das Rad steht hier nicht zur Zier, weil es halt typischerweise so sein muss, sondern ist schlicht hier geparkt, weil sein Besitzer irgendwo in der Nähe was zu erledigen hat.
Spiegelgracht. Einfach nur typisch.
Prinsengracht Ecke Nieuwe Spiegelstraat. Das sehenswerte Ladenlokal beherbergte früher eine Metzgerei mit "Feinen Fleischwaren". Heute befindet sich ein großes Antiquitätengeschäft dort. Nebenbei genieße ich die Betriebsamkeit um mich her. Und die Tatsache, dass nirgends auch nur eine einzige Maske zu sehen ist.
Es ist inzwischen so warm geworden, dass man getrost seine Jacke über den Arm nehmen kann. Richtig Frühling.
An der Keizersgracht wieder so etwas ganz Typisches:
die schmalen, hohen Häuser mit ihren Flaschenzügen für die Umzüge. Weil die Stiegen zu schmal und zu eng sind, um Möbel zu transportieren.
Wenn ich mich an diesem Standort umdrehe, habe ich den auf dem rechten Bild festgehaltenen Blick.
Und dann beginnt schon der Rückweg in Richtung Rijksmuseum.
Auf dem Straßenschild am Haus lese ich "Prinsengracht". Da klingelt was bei mir. Irgendwas, das mit Anne Frank zusammenhängt.
Später lese ich nach: das Haus, in dem die Familie Frank sich versteckt hielt, steht an der Prinsengracht.
Allerdings ca. 20 Minuten Fußweg von hier entfernt und für heute unerreichbar.
Und da ist dann schon wieder das Rijksmuseum.
Völlig genial: Das riesige Torgebäude ist eine breite Durchfahrt bzw. Durchgang.
In der Mitte eine Fahrbahn (auf der nur Fahrräder unterwegs sind) und rechts und links Bürgersteige.
Vor dort aus kommt man auch zum Eingang.
Dort ringeln sich dann auch die zwei Warteschlangen vor den Kassen.
Blick aus dem Durchgang in Richtung Museumplein.
Ich bin hin und weg vor Begeisterung. Bei meinem wann immer stattfindenden nächsten Besuch in Amsterdam werde ich mich hier eine Weile aufhalten und alles in mich aufnehmen.
Wow!!!
Japanische Kirschen in voller Blüte.
Eine wunderbar geschützte Südwestecke am Rijksmuseum.
Mir geht das Herz auf. So schön!!!
Aber dann... hieß es: hurtig, hurtig zur Straßenbahn. 15:11 h geht der Zug zurück von Amsterdam Zuid.
Vorbei die Idylle. Eiligen Schrittes, mitten unter den ersten Pendlern auf dem Heimweg, unterwegs von der Straßenbahnhaltestelle Zuid zum Bahnhof Amsterdam Zuid.
Inzwischen war ich auch müde geworden.
Angestrengt von den vielen Eindrücken, die auf mich eingestürmt waren. Vom Straßenverkehr, dem Autorauschen. Von den vielen Menschen.
All das bin ich inzwischen, nach zwei Jahren völliger Zurückgezogenheit in unserem Dorf, offenbar nicht mehr gewöhnt.
Auf dem Bahnsteig wartend, keine Ahnung, aus welcher Richtung der Zug kommen muss, blickte ich mich nochmals um. Der Gegensatz zwischen Amsterdam Innenstadt und Amsterdam Zuid könnte größer nicht sein.
Diese Bauten musste ich noch auf den Chip bannen.
Auch jenes Stück Architektur-Idee scheint mir ein bisschen typisch für die Niederlande zu sein. Jedenfalls sind mir auch schon andernorts solche kreuz und quer verschachtelten Bauten, manchmal selbst statische Rätsel aufgebend, aufgefallen.
Und dann saß ich wieder im Zug. Blickte nach draußen in die nun spätnachmittäglich besonnte Landschaft.
Und fror.
Die Bahn war wiederum ungeheizt.
Uff! Geschafft.
Da bin ich wieder.
Im heimisch gewordenen Zuidbroek.
Was für eine Stille!
Die ich jetzt ganz anders genieße.
Bloß: hier ist es kalt. Die Sonne trügt.
Nix wie nach Hause.
Auf was ich mich jetzt am meiste freue?
1. Eine große Tasse Bouillon.
2. Eine große Tasse wärmenden Tee.
Es sollte noch viele Stunden dauern, bis ich - eingehüllt in richtig dicke, warme Winterkleidung und zusätzlich eine wollene Decke, wieder einigermaßen warm geworden war.
Das hätte ich mir auch nicht träumen lassen, dass es im Jahr 2022 angeraten sein würde, bei einer Bahnreise eine warme Wolldecke im Gepäck zu haben.
PS: Den ganzen Tag über habe ich keine einzige Tulpe gesehen.
....la la la la la la la la, la la la la la la laaa... 🌷