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Donnerstag, 19. März 2020

Kumquats und Beethoven

So fühlt es sich also an. Das Anwesend sein.

Das Obst auf dem Schneidebrett - zum ersten Mal betrachte ich mir, wie schön so eine in Scheiben geschnittene Kumquat ist. Wie ein kleines Rad sieht so ein Scheibchen aus.

Für die Budwig Quark-Leinöl-Speise muss ich Quark mit Leinöl mischen. Goldgelbes Leinöl und weißen Magerquark. Während ich mit dem Schneebesen rühre, sehe ich die wunderbaren Muster, die entstehen, wenn sich das Goldgelb mit dem Weiß vermischt im Rhythmus meines Rührens. Bis schließlich das eine vom anderen immer weniger getrennt wahrnehmbar ist und schließlich zu einer homogenen, ecrufarbenen Creme wird.

In der Tat, welche Menge an Eindrücken, die ich sonst nur am Rande oder gar nicht wahrnehme.

So bekommen auch die Zimmer in meinem Haus neu Gestalt. Von der Kulisse, in der ich bislang herumgelaufen bin und innerlich mit sonstwas beschäftigt war, verändern sie sich zu einer Art eigenständigem Wesen, mit dem ich hier zusammenlebe.
Die übervollen Bücherregale im Arbeitszimmer, die großen Schreibtische, an denen mein Mann und ich uns gegenüber sitzen, alle Dinge, die darauf herumliegen. Bei ihm geordnet, bei mir in halbwildem Chaos, das seine eigene Ordnung hat. Dies alles 'erzählt' mir auf einmal von sich, von ihm, von mir.

Die Büste von Beethoven, die seit Jahr und Tag im Charivari-Fach des Bücherregals zwischen Familienfotos, dem Struwwelpeter, Max und Moritz, dem Groninger Orgelkalender von 2018, einem niemals aufgehängten Adventsstern, den irgendwann ein Kinderprojekt an der Tür verkaufte, einer historischen Stimmgabel und einer Gedenkmedaille ihr Dasein fristet, scheint mir zu zu nicken, mich an zu lächeln: heute habe ich sie erstmals seit dem Einrichten dieses Hauses wieder wahrgenommen.


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