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Freitag, 15. Mai 2020

Nachdenklich



 












  

"Hoffen wir, dass das Leben und nicht nur das Trachten nach der Verhinderung des Todes unser Tun und Entscheiden bestimmt.

In der Angst kann ich aber auch das verstehen."



So schrieb ein guter Freund unlängst am Ende eines Briefes. Damit hatte er etwas auf den Punkt gebracht, was mich gefühlsmäßig schon die ganzen Wochen seit Beginn der C-Virus-Krise beschäftigt.

"In der Angst kann ich aber auch das verstehen." – All die Wochen schon sind wir kollektiv intensivst beschäftigt mit unserer Todesangst und unserer Angst vor Krankheit und Schmerz. Etwas, worum wir normalerweise tunlichst einen großen Bogen schlagen. Das lassen wir nicht an uns herankommen. Das lassen wir nicht in unser Bewusstsein dringen. Jetzt aber steht es so im Vordergrund, dass – zumindest wellenartig bzw. zumindest in Teilen der Gesellschaft – Panik das Regime übernommen hat oder zu übernehmen droht. Wir werden überschüttet mit Informationen bzw. Äußerungen, die sich als solche ausgeben, rund um und über das C-Virus. Werden untergetaucht in Zahlen und Statistiken.

Dies alles trifft auf (mehr oder weniger) fruchtbaren Boden in jeder und jedem Einzelnen. Denn wir alle haben – selbst wenn vielleicht keine Angst mehr vor dem Tod – so doch Angst vor dem Sterben. Vor der Unumkehrbarkeit dieses Vorgangs. Vor den körperlichen und gefühlsmäßigen Begleiterschei-nungen dieses Prozesses, den wir alle irgendwann einmal durchlaufen müssen.  Angst vor dem, was wir uns darüber vorstellen.

Wie schon in dem in Focus und anderen Zeitschriften und Zeitungen geleakten, einstmals internen Papier des Bundesinnenministeriums geschrieben wurde, war und ist die Strategie in der Kommunikation hinein in die Bevölkerung auf "Schockwirkung" (S. 13) basiert:
"Das Ersticken oder nicht genug Luft kriegen ist für den Menschen eine Urangst." (Hervorhebung im Original)

Damit hatten sie uns am Wickel. 
Die Angst, das Sterben in einer seiner vorgestellt schlimmsten Formen zu erleben.

Die Palliativ-Medizin beruhigt. "Niemand  muss qualvoll ersticken." – "… können die Palliativmediziner ein schmerz- sowie angstfreies und damit würdevolles Sterben gewährleisten." - Aus einem Interview im RedaktionsnetzwerkDeutschland mit dem Palliativ-Mediziner Lukas Radbruch zwei Tage nachdem das o.g. Dokument öffentlich geworden war.

 
Was bleibt, ist die Sehnsucht, im Leben zu bleiben, und das am liebsten ewig.
Nicht, niemals durch dies Tor gehen zu müssen.
Nur: es wird uns allen nicht erspart bleiben.
Und keine Mensch weiß, wann er oder sie vor diesem Tor stehen wird.








Und nun schaue ich auf die erste Hälfte dessen, was der Freund mir geschrieben hat:
"Hoffen wir, dass das Leben und nicht nur das Trachten nach der Verhinderung des Todes unser Tun und Entscheiden bestimmt."

 

Das Leben vor lauter Angst vor dem Tod und dem Sterben nicht aus dem Auge verlieren.
Das Leben leben!
Das Leben feiern!

  
 
 
Worauf wir Einfluss nehmen können, ist das Leben, das wir leben, bevor wir das Tor durchschreiten müssen. 
Darauf gilt es sich zu fokussieren.

Da ist es also wieder, wieder einmal, schon wieder: Leben im Jetzt.
Immer wieder drängt es sich auf in diesen Wochen: dasjenige tun, das jetzt, in diesem Moment, getan werden will. Das Schöne. Und das Anstrengende. Das weniger Angenehme. Und das Erfreuliche.
Ohne Wenn und Aber.

Das ist Aufgabe genug, merke ich.

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