Vor ein paar Tagen begegnete mir irgendwo auf einer der vielen Websites, an denen man im Lauf eines Tages vorbeikommt, ein Song von Reinhard Mey aus dem Jahr 1996: "Sei wachsam".
Beim Zuhören bekam ich eine Gänsehaut. Vor 25 Jahren geschrieben. Brandaktuell.
Hier ist eines der zahlreichen Videos mit diesem Titel.
Die Illustrationen auf der Seite sind Standbilder aus einem anderen Video, das ich unterhalb des Songtextes verlinke.
Sei wachsam – Reinhard Mey
Standbild aus einem gelöschten Video mit dem Song |
Ein Wahlplakat
zerrissen auf dem nassen Rasen,
Sie grinsen mich
an, die alten aufgeweichten Phrasen,
Die Gesichter von
auf jugendlich gemachten Greisen,
Die Dir das Mittelalter
als den Fortschritt anpreisen.
Und ich denk’
mir, jeder Schritt zu dem verheiß’nen Glück
Ist ein Schritt
nach ewig gestern, ein Schritt zurück.
Wie sie das Volk
zu Besonnenheit und Opfern ermahnen,
Sie nennen es das
Volk, aber sie meinen Untertanen.
All das Leimen,
das Schleimen ist nicht länger zu ertragen,
Wenn du erst
lernst zu übersetzen, was sie wirklich sagen:
Der Minister
nimmt flüsternd den Bischof beim Arm:
Halt du sie dumm,
– ich halt’ sie arm!
Refrain:
Sei wachsam,
Präg’ dir die
Worte ein!
Sei wachsam,
Fall nicht auf
sie rein!Paß auf, daß du deine Freiheit nutzt,
Standbild aus einem gelöschten Video mit dem Song |
Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!
Sei wachsam,
Merk’ dir die Gesichter gut!
Sei wachsam,
Bewahr dir deinen Mut.
Sei wachsam
Und sei auf der Hut!
Du machst das Fernsehen
an, sie jammern nach guten, alten Werten.
Ihre guten, alten
Werte sind fast immer die verkehrten.
Und die, die da
so vorlaut in der Talk-Runde strampeln,
Sind es, die auf
allen Werten mit Füßen rumtrampeln:
Der Medienmogul
und der Zeitungszar,
Die schlimmsten
Böcke als Gärtner, na wunderbar!
Sie rufen nach
dem Kruzifix, nach Brauchtum und guten Sitten,
Doch ihre
Botschaft ist nichts als Arsch und Titten.
Verrohung,
Verdummung, Gewalt sind die Gebote,
Ihre Götter sind
Auflage und Einschaltquote.
Sie biegen die
Wahrheit und verdrehen das Recht:
So viel gute alte
Werte, echt, da wird mir echt schlecht!
Es ist ‘ne
Riesenkonjunktur für Rattenfänger,
Für
Trittbrettfahrer und Schmiergeldempfänger,
‘ne Zeit für Selbstbediener
und Geschäftemacher,
Scheinheiligkeit,
Geheuchel und Postengeschacher.
Und die sind alle
hochgeachtet und sehr anerkannt,
Und nach den
schlimmsten werden Straßen und Flugplätze benannt.
Man packt den
Hühnerdieb, den Waffenschieber läßt man laufen,
Kein Pfeifchen
Gras, aber ‘ne ganze Giftgasfabrik kannst du kaufen.
Verseuch’ die
Luft, verstrahl’ das Land, mach ungestraft den größten Schaden,
Nur laß dich
nicht erwischen bei Sitzblockaden!
Man packt den
Grünfried, doch das Umweltschwein genießt Vertrau’n,
Und die Polizei
muß immer auf die Falschen drauf hau’n.
Wir ha’m ein
Grundgesetz, das soll den Rechtsstaat garantieren.
Was hilft’s, wenn
sie nach Lust und Laune dran manipulieren,
Die Scharfmacher,
die immer von der Friedensmission quasseln
Und unterm Tisch
schon emsig mit dem Säbel rasseln?
Der alte Glanz in
ihren Augen beim großen Zapfenstreich,
Abteilung kehrt,
im Gleichschritt marsch, ein Lied und heim ins Reich!
„Nie wieder soll
von diesem Land Gewalt ausgehen!“
„Wir müssen
Flagge zeigen, dürfen nicht beiseite stehen!“
„Rein humanitär
natürlich und ganz ohne Blutvergießen!“
„Kampfeinsätze
sind jetzt nicht mehr so ganz auszuschließen.“
Sie zieh’n uns
immer tiefer rein, Stück für Stück,
Standbild aus einem gelöschten Video mit dem Song |
Und seit heute früh um fünf Uhr schießen wir wieder zurück!
| Refrain |
Die mir nicht mit jeder Festrede die Hucke voll lügen,
Und verschon’ mich mit den falschen Ehrlichen,
Die falschen Ehrlichen, die wahren Gefährlichen!
Ich hab’ Sehnsucht nach einem Stück Wahrhaftigkeit,
Nach ‘nem bißchen Rückgrat in dieser verkrümmten Zeit.
Doch sag die Wahrheit und du hast bald nichts mehr zu lachen,
Sie wer’n dich ruinier’n, exekutier’n und mundtot machen,
Erpressen, bestechen, versuchen, dich zu kaufen.
Wenn du die Wahrheit sagst, laß draußen den Motor laufen,
Dann sag sie laut und schnell, denn das Sprichwort lehrt:
Wer die Wahrheit sagt, braucht ein verdammt schnelles Pferd.
Sei wachsam,
Präg’ dir die
Worte ein!
Sei wachsam,
Fall nicht auf
sie rein!Paß auf, daß du deine Freiheit nutzt,
Die Freiheit
nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!
Sei wachsam,
Merk’ dir die
Gesichter gut!
Sei wachsam,
Bewahr dir deinen
Mut.
Sei wachsam
Und sei auf der
Hut!
Das Video mit dem Song von Reinhard Mey, aus dem die Standbilder stammen, ist leider inzwischen nicht mehr zu finden. Von youtube gelöscht.
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