Wir hatten eines unserer Lieblingsrestaurants mit Terrasse am Kanal ausgesucht. In den vergangenen Monaten hatten wir regelmäßig Essen zum Abholen dort bestellt. Da musste man eine Stunde vorher anrufen und genau den Zeitpunkt ausmachen.
Aber jetzt, nach den Lockerungen und Öffnungen am 5. Juni: zur Sicherheit auf der Website nachgesehen, wie lange abends geöffnet ist und dann: einfach loslaufen! Keine telefonische Voranmeldung nötig, einfach so spontan losmarschieren. Türe auf und eintreten, bzw. bei diesen Sommertemperaturen durch die geöffnete Tür hineingehen, einen fröhlichen Gruß in die Runde rufen, durchs Restaurant hindurch auf die Terrasse und einen schönen Platz suchen. So spät, wie wir immer essen, sind kaum bis keine anderen Gäste mehr unterwegs, und so nötigte uns nicht einmal jemand zur Maske auf unserem Weg durchs Lokal.
Auf der Restaurant-Terrasse sitzen, mit dem Inhaber ein Schwätzchen halten, unser Lieblingsessen bestellen, aufs Wasser gucken, den Spatzen unterm Dach der Nachbarn zuhören, die sich im leisen Wind bewegenden Blätter der Bäume beobachten. Ein Traum! Nun erst merke ich, wie sehr ich das vermisst habe.
Wir brauchen hier
nirgends negative Tests. Niemand fragt, ob man geimpft ist oder nicht. Wir
müssen auch nicht mit irgendeiner Kontroll-App ins Restaurant einchecken. Mit
den Getränken bringt die Bedienung ein vorgedrucktes Blatt, auf das einer von
uns Namen und Adresse einträgt, das war's.
Wir erleben einfach ein Stück
normale Normalität. Nach 15 Monaten C-Wahnsinn fühlt sich das neu und unverbraucht, gleichzeitig jedoch vertraut und gemütlich an.
Schon bei meinen etwas
häufigeren Besuchen in der Stadt Groningen in den letzten zwei, drei Wochen war
mir die enorm entspannte Atmosphäre in der Stadt aufgefallen. Menschen gehen
frei mit einander um. Man sieht im Straßenbild, auch in der gut besuchten Fußgängerzone so gut wie keine Masken.
Shoppende Menschen tragen die ihre wie ein Handtäschchen am Handgelenk, unterm Kinn oder
schlenkern sie herum und ziehen sie auf, wenn sie in einen Laden gehen. Wodurch der sinnbefreite Feigenblattcharakter des Ganzen mehr als deutlich wird. An
manchen kleineren Läden steht die Maximalanzahl der zugelassenen Kunden auf
einem Zettel an der Tür. In den Straßencafés stehen die Tische auf Abstand, und
oft tragen die Kellner/innen Maske. Das ist aber auch schon das Einzige, was
auf C hinweist. Jede/r darf die Café und Restaurant-Terrassen einfach so betreten, sich niederlassen
und etwas bestellen.
Auf dem
Wochenmarkt sieht man keine einzige Maske. Weder bei Händlern noch bei Kunden.
Dito beim Pommes-Stand mit den oberleckeren belgischen Pommes. Dito auch beim
Eisverkäufer, der seit ein paar Tagen täglich auf unserem Dorfplatz seine Schleckereien
an den Mann, die Frau, das Kind bringt.
Und nirgendwo muss man einen negativen Test vorweisen oder gar mitteilen, ob man geimpft sei.
Wie besonders das ist, wurde mir bewusst, als ich heute den Brief einer Brieffreundin las, die gerade nach Niedersachsen umzieht. Sie schrieb über einen Tagesbesuch in einer dem neuen Wohnort sozusagen gegenüber liegenden, niederländischen Stadt: "Wir haben bestaunt, wie offen alles in den Niederlanden ist. Die Restaurants waren alle gut besucht und die Leute haben sich benommen, als wäre Corona auf einem anderen Planeten."
Genau so ist das. Niederländer selbst nennen das "nonchalant". Man hält an Regeln ein, was unbedingt sein muss, immer nochmal zusätzlich gefiltert durch die eigene Einschätzung der Notwendigkeit. Das gibt dem Ganzen hier die entspannte Atmosphäre.
Die Politik
behauptet, sie gehe davon aus, ab 1.9. alle Maßnahmen aufheben zu können. Nun,
deren Wort in Gottes Ohr! Die Menschen selbst sehen das lockerer. Er habe,
erzählte mein Mann, in einer der Zeitungen gelesen, dass sich eine Initiative
gegründet habe, die vor Gericht ziehen will, um vor allem die Maskenpflicht per
sofort aufzuheben. Von der die Politik übrigens von Anfang an gesagt hatte,
dass es um Verhaltensbeeinflussung gehe. Auf die (angebliche) medizinische
Notwendigkeit wurde hier nie so gepocht wie in Deutschland. Eigentlich verrückt.
In der Hochzeit
der 'Zahlen' sind manche Leute dennoch ängstlich maskierter
rumgelaufen als nötig. Jetzt aber sehen immer weniger Menschen ein, warum sie
sich das Ding vor's Gesicht hängen sollen. Ich bin gespannt, wie das weitergeht
und wann die große De-Maskierung beginnt.
Vorläufig halten die Leute es bei einer schleichenden Befreiung des Lebens, jede/r für sich so, wie er oder sie es für richtig hält.
Diese unaufgeregte Stimmung macht das Leben hier enorm angenehm. Wenn das große C eines zuwege gebracht hat, dann, dass ich mich in meinem Gastland jetzt wirklich tief verwurzelt, wohl und vertraut fühle. Zur Zeit, muss ich zum wiederholten Mal und mit immer wieder einigem Erstaunen feststellen, gibt es wenig, was mich in das Land zieht, in dem ich geboren wurde und aufgewachsen bin.
Das jedem gesunden Nicht-Politiker-Verstand widersprechende Vorhaben der deutschen Regierungskoalition, morgen die "Epidemische Lage
von Nationaler Tragweite" für weitere 3 Monate zu verlängern, trägt nicht dazu
bei, daran etwas zu ändern. Wie kann auch nur ein einziger Abgeordneter bei den
derzeitigen Inzidenzen – in manchen Städten und Gemeinden bei Null (!) –
auf die Idee kommen, nicht gegen dies Vorhaben zu stimmen?
Kopfschüttelnd schaue
ich nach jenseits der Grenze.
Derweil ich hier auf der Terrasse des Restaurants sitze und mein Essen sowie die Gespräche und die Atmosphäre genieße.
Mit kugelrund
gegessenem Bauch und wohlgemut spazieren wir nach dem Essen noch ein wenig
durchs Dorf, lauschen den Amseln, flirten unterwegs mit der einen oder anderen
Katze und schauen in einer der Seitenstraßen den Leuten zu, die anlässlich der morgen
beginnenden Fußball EM ihre Häuser mit organgefarbenen Löwen-Wimpeln verzieren.
Lasst uns das Leben genießen, hier ist's gut sein!
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