Zeil bei Wiedereröffnung der Kaufhäuser |
Nach beinahe vier Wochen in meiner Heimatstadt wird mir immer wieder neu und immer deutlicher bewusst, was mir gleich am Anfang aufgefallen war: das Klima auf den Straßen und zwischen den Menschen hat sich verändert.
Viele Freizeitbeschäftigungen
sind nach draußen verlegt, darauf bin ich schon eingegangen. Das ist wirklich etwas
Schönes, und das bringt atmosphärisch einen Ausgleich.
Afterwork open air freitags am Friedberger Platz vor Corona |
Aber es ist auch viel, sehr viel verlorengegangen.
Apfelweinwirtschaft in Sachsenhausen vor Corona |
Im Grunde das
meiste von dem, was man urbanes Leben nennen könnte.
Viele, vor allem
kleinere Restaurants, auch mit Garten, funktionieren noch immer auf Sparflamme.
Mein Lieblings-Grieche 'um die Ecke' hat bei sehr stark ausgedünnter Karte auf
einen Imbisswagen umgestellt und nur den (verglichen mit den Gasträumen vier
bis fünf Mal größeren) Garten geöffnet. So spart er Personal und kann den
verpflichteten Abstand zwischen den Gästen gewährleisten.
Dort, wo geöffnet
ist, verpesten die Masken die Atmosphäre. Wer im Wirtshausgarten sitzt, braucht
zwar selbst keine Gesichtsverhüllung mehr. Das Service-Personal schon – wobei
ich auch schon einen Kellner mit rutschender Maske erlebt habe, der alle
eineinhalb Minuten das Teil wieder hochschieben musste, wobei er es immer
oberhalb der Nasenspitze anfasste. Hygienisch ist anders.
Mit anderen
Worten: einfach abends irgendwohin Essen und Was-Trinken fällt
schon mal aus.
Wasserhäuschen im Normalbetrieb vor Corona |
Übrigens, warum
sind eigentlich alle Büdchen, offiziell auch "Trinkhallen", hier liebevoll "Wasserhäuschen" genannt,
geschlossen? Vielleicht, weil in deren Umgebung immer ein paar Männer mit
Bierflaschen in der Hand bei einander stehen? Zwischendurch unterwegs was
naschen oder nach Ladenschluss noch schnell eine Kleinigkeit kaufen - auch vorbei.
In U-Bahnen und
Bussen sind die Menschen noch vereinzelter als normalerweise schon. Es wird
kaum geredet, und komischerweise auch weniger auf die Handys geguckt. Jede/r
sitzt mit maskiertem Gesicht in eine Art Rückzugsblase gehüllt, guckt mehr oder
weniger verkniffen oder ängstlich hinter der Maske hervor. Gerne zum Fenster
hinaus. Oder starrt ins Leere vor sich hin. Die Atmosphäre fühlt sich
unlebendig, angespannt und künstlich an.
Onkel Otto, das Werbemaskottchen des Hessischen Rundfunks, sieht auch nicht glücklich aus, sogenannt coronatauglich... |
Angespannt und
künstlich, kontaminiert mit herumwabernder Ängstlichkeit, ist auch die
Atmosphäre im Straßenbild. Jedenfalls hier, außerhalb des Stadtzentrums. Auch
hier betragen sich die Menschen viel isolierter als sonst. Das Isolierte
bekommt oft zusätzlich einen angstbesetzt-feindseligen Charakter: jede/r könnte
ja eine Bedrohung für die eigene Gesundheit sein. Ein wunderbares Beispiel:
gestern passierte ich mit dem Rad einen Mann, der seinen Vorgarten wässerte.
Ich auf der Straße, er mindestens 10 m entfernt vorm Haus. Genau im Moment des
Vorbeiradelns schneuzte ich in mein Taschentuch. Wenn Blicke töten könnten…
Auch beim
schönsten Wetter huschen oder schleichen viele durch die Straßen, den
allgegenwärtigen Stoff-oder-Spezialfilterpapierlappen um den Hals, am Ohr baumelnd, in
der Hand schwingend, oder vorm Gesicht. Am schmerzlichsten sind mir die (meist
älteren bis alten) Menschen, die grundsätzlich nur mit Einmalhandschuhen und
aufgesetzter Maske das Haus verlassen. Auch bei 30° draußen.
Von ihnen strahlt
die Angst in alle Richtungen ab.
Bericht aus dem April: Es gibt keine Gefahr, jemandenbeim Einkaufen zu infizieren |
Das Schlimmste ist, sie haben zweierlei nicht
begriffen. Nämlich, dass diese "Alltagsmasken" ja sie selbst
überhaupt nicht schützen und sicher in der freien Luft völlig überflüssig sind,
und dass Schmierinfektion als Übertragungsweg eine absolut untergeordnete Rolle
spielt. Dazu kommt, dass Einmalhandschuhe in dieser Situation wahre Keimschleudern sind. Gute Handhygiene (Händewaschen) ist vollkommen ausreichend und sowieso
nie verkehrt.
Deutliche
Ausnahme in all dem sind oft (meist männliche) Jungerwachsene, die untereinander in einer
mediterranen Sprache kommunizieren. Im 'Halal'-Grill – Neuerscheinung in
unserem Stadtviertel – ist es am Abend proppenvoll und lebendig. Fröhlich
schwatzend und unmaskiert steht man aufs Essen wartend bei einander am Tresen
und im Gastraum. Auch andernorts, auf der Straße, in Parks, sitzen oder stehen
sie und unbeeindruckt zusammen oder gehen gemeinsam spazieren.
Ein paar
Ladenlokale neben dem Grillrestaurant hat der indische Mini-Laden oben auf der Langnese-Eis-Preistafel
einen handgeschriebenen Zettel stehen: Masken 1 Stück 1,79 EUR. 500 m weiter
beim Schlüsseldienst: "Einwegmasken 2,00 EUR das Stück".
Vor der Bank
(Geldautomat, Auszüge drucken) steht eine meterlange Schlange von bereits im
Freien Mund-Nasen-Geschützten im 1,5 m Abstand. Nebenan vor dem Gemüsegeschäft,
das ein langer Schlauch ist, das gleiche Bild. Hier können maximal 2 Kunden
gleichzeitig drinnen bedient werden, aber die zahlreich anwesenden Verkäufer
kommen auch nach draußen und bedienen die Vordersten in der Reihe dort.
Was ich so
vermisse, ist die normale Lebendigkeit des Großstadtlebens. Selbst das
allgemeine Lebenstempo scheint bei den Normalpassanten gedämpft.
Wie überhaupt
alles gedämpft ist. Trotz Hochsommer.
Wo ist die
Lebensfreude der Menschen geblieben?
Die Allgegenwart
der Mundschutze erinnert jede und jeden fortwährend an die ständig beschworene
Bedrohung. Obwohl bei der jetzigen Zahlenlage die Wahrscheinlichkeit, jemandem
mit dem C-Virus zu begegnen, kleiner ist, als 5 Richtige mit Zusatzzahl im
Lotto zu haben.
Wenn ich nicht
aufpasse, dann zieht es mich hinein in die Trauer um das verlorene urbane Leben, um
die verlorene großstädtische Lebenslust. Dann steckt mich die allgemeine
Stimmung an. Das kann, je nachdem, der furchtsame Grauschleier sein, der über
allem liegt. Oder – vor allem bei 35-50-Jährigen – eine egozentrische
Gereiztheit gegen alle, die nicht so funktionieren, wie sie sich das
vorstellen.
Und so stupst
auch hier wieder die C-Virus-Krise mich mit der Nase auf das, was zu lernen
ist.
Wie ja schon von Anfang an:
Lebe im Moment.
Mach dich
unabhängig von allgemeinen Stimmungen und Ausstrahlungen.
Sei Du selbst.
Bei diesem Eintrag dachte ich an einen Artikel in der SZ Online "Maskendrama", der unter anderem die Kritik an WHO und RKI zu deren anfänglicher Haltung bezüglich der Masken zum Inhalt hatte, verbunden mit einem Vorwurf, hätte man die Pflicht früher eingeführt, würde noch viele Menschen mehr am Leben sein.
AntwortenLöschenAn reißerische Überschriften bin ich inzwischen im Netz gewohnt. Beim weiteren Lesen dacht ich mir, ich bin irgendwie im falschen Film. Da wurden Untersuchungen angeführt, das Beispiel Jena mit früherer Maskenpflicht und weitere Hinweise von Menschen, die damit zu tun haben und wohl die Glaubwürdigkeit untermauern sollen; nur fand ich nichts definitiv überzeugendes. Das gab ein ungutes Gefühl im Bauch.
Ich frage mich dann, was passiert mit Menschen, die permanent in eine bestimmte Richtung informiert werden?
In Familien kanns vorkommen, das Mitglieder an ihrer eigenen Wahrnehmung zu zweifeln beginnen und schlimmstenfalls den Status "Ver-rückt-Sein" annehmen, oder sie geben dem Druck nach und nehmen die Wirklichkeit der anderen an. Vater, Mutter, Opa, Oma oder Freude werden ersetzt durch: "die haben geschrieben", "der Arzt hat gesagt", "in faisbuk war zu lesen" oder "meine APP zeigte mir an".
Bedeutet, viele geben Verantwortung ab und im Land der Denker und Dichter verliert das Denken an Stellenwert.
Man könnte beispielsweise ja auch fragen:
"Sind diese Untersuchungen vergleichbar?
Wieso sind denn in den Niederlanden die Werte nicht wesentlich höher - unter Berücksichtigung des Größenverhältnisses -, wo's doch dort keine Maskenpflicht gibt?
Sind die Rückgänge der Infektionszahlen vielleicht auf andere veränderten Umstände zurückzuführen bzw. wurde das berücksichtigt?
Was soll das für einen Sinn haben sich gegen Grippe zu impfen, wenn Maskenpflicht besteht?
Werden die kommenden Grippetoten dazu instrumentalisiert, um die inzwischen gebetsmühlenhafte 2.te Welle auszurufen bzw. wie sehen da Abgrenzungslinien aus?
Wenns wirklich so ist, dass Antikörper keine Garantie auf Immunität gewähren, sollte man sich nicht besser andere Vorgehensweisen überlegen bzw. welche Lebens- und Gesellschaftsentwürfe bieten Lösungen, um mit möglicherweise dauerhaften Covid umgehen zu können?" usw.