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Donnerstag, 24. Dezember 2020

Jonathan die Weihnachtsmaus


 Eine Weihnachtsgeschichte von Anastasia Stucky

 

 

Es war kalt und dunkel.
Ein eisiger Wind fegte über die Felder und Straßen. Jonathan, ein kleiner Mäuserich, zog den Kragen seiner Jacke höher und schob die Mütze tiefer ins Gesicht.

Während er den Feldweg so entlang ging, dachte er nach.
Er war allein auf sich gestellt, hatte keine Eltern und Geschwister.
Wohin er ging war ihm egal.

Er achtete nicht auf die Umgebung, die er durchwanderte, sah nicht die Rehe, die äsend am Waldrand standen, spürte nicht die feinen Schneeflocken, die weich tanzend auf ihn herab fielen. Und er bemerkte auch nicht die Sterne, die funkelnd am Himmel leuchteten.
Einzelne Bäume warfen große, dunkel Schatten, die wie Gespenster aussahen.
Jonathan hatte keine Angst.
Er war nur so unheimlich traurig.
In den Häusern, an denen er bisher vorbeigekommen war, brannte Licht und die Familien waren ausgelassen und fröhlich.
Sie sangen und schwatzten und niemand bemerkte ihn, wenn er hier und da durch die vereisten Scheiben hineinblickte.
Niemand war mehr draußen, nur er.

Im nächsten Ort, in den er kam, blieb er beim Brunnen stehen.
Er sah sich um.

Leere wohin er auch schaute.
Er setzte sich auf einen kalten Stein.
Sein Magen knurrte und er hatte Durst, aber all seine Vorräte hatte er schon verzehrt und nirgendwo hatte er etwas Essbares finden können.
Seine Gedanken kreisten wirr in seinem Kopf.
Er schaute zum Himmel.
Ihm war, als sehe er dort das liebe Gesicht seiner Mutter, aber… es war nur ein Nebelstreifen.
Er wusste nicht, wie lange er schon auf der Wanderschaft war.
Seine Füße schmerzten und waren eiskalt, ebenso seine Hände, die er tief in die Tasschen seiner Jacke geschoben hatte.
Er spürte seinen Körper kaum noch.

Plötzlich hörte er ein Geräusch.
Er blickte sich um und sah eine Gestalt auf den Brunnen zukommen.
Jonathan blieb ganz still sitzen und bewegte sich nicht.
Ein kleines Mädchen kam mit einem Kessel zum Brunnen.

Es warf den an einem Seil befestigten Eimer in den Brunnen und zog ihn wieder hinauf.
Nanu, es geht ja so leicht!
Sie schaute enttäuscht in den leeren Eimer.
"Wieder kein Wasser, weil der Brunnen gefroren ist." sagte sie leise vor sich hin.
Traurig setzte sie sich vor den Brunnen.
Die Mutter hatte sie Wasser holen geschickt, es sollte heißen Tee und eine Suppe geben, aber ohne Wasser ging das nicht.
Sie überlegte, was sie tun konnte, wo sie Wasser herbekommen könnte, aber es fiel ihr nichts ein.
Sie schaute sich um und entdeckte plötzlich, klein und zusammengekauert Jonathan auf dem Stein sitzen.
Dieser war starr vor Schreck, als ihre kleinen, für ihn jedoch riesigen Hände ihn umfassten und empor hoben. "Wer bist du denn?", sagte das Mädchen zu der Maus. "J-J-J-Jonathan", sagte dieser zitternd und bibbernd.
Sie sah ihn sich von allen Seiten an.
"Ich heiße Emily und soll für meine Mutter Wasser vom Brunnen holen, aber der ist zugefroren. Und nun kann meine Mutter keinen Tee und keine Suppe kochen." sagte sie. "Und dabei habe ich so einen Hunger und mich so sehr auf die Suppe gefreut."
Jonathans Magen knurrte so verdächtig und laut, dass sogar Emily es hören konnte.

Er dachte blitzschnell nach und meinte, Emily könnte doch Schnee nehmen, der beim Kochen zu Wasser würde. So hatte seine Mutter es im Winter auch immer gemacht.
Emily fand die Idee gut und füllte den wichen Schnee in ihren Kessel.
Als dieser voll war, wollte sie heim.
Sie sah sich Jonathan noch einmal an.
Sollte sie ihn bei der Kälte hier draußen lassen?
Hatte er nicht auch einen warmen Platz in der Nähe des Ofens verdient?
Sie nahm ihn hoch und setzte ihn vorsichtig in die Tasche ihres Mäntelchens, sah sich noch einmal um und ging heim.

Dort wartete die Mutter schon auf das Wasser.
Als Emily ihr erklärte, dass der Brunnen gefroren war und sie deshalb Schnee mitgebracht hatte, war die Mutter erstaunt über den Einfallsreichtum ihrer Tochter.
Sie machte sich sofort an die Arbeit und bereitete Tee und Essen zu.
Emily ging in die Schlafkammer und zog ihren Mantel aus.
Aus der Tasche holte sie Jonathan und setzte ihn in ihre Schürzentasche.
Dann ging sie zur Mutter und sah ihr beim Kochen zu.
Mutter sah Emily mit einem warmen und liebevollen Lächeln an.
"Stille Nacht…" begann sie zu singen.
"Heilige Nacht…" sang Emily mit.
Ihr Blick ging abwechselnd von ihrer Mutter hinüber zum geschmückten kleinen Tannenbaum, der neben dem Fenster stand.

Die Mutter holte die Weihnachtskrippe aus dem Schrank und stellte sie unter den Baum.
Aus einer Schachten holte sie die Figuren und setzte sie vorsichtig in die Krippe. Da waren Josef und Maria, der Esel und der Ochse, aber wo war das Jesuskund? Die Mutter suchte überall, konnte es aber nicht finden.
Nach langem hin und her fiel es ihr wieder ein. Die Figur war im vergangenen Jahr beim Einräumen hinuntergefallen und zerbrochen.
Eine Krippe ohne Jesus?
Sie wollte die Krippe wieder wegräumen, aber Emily protestierte.
"Weihnachten ohne eine Krippe?" schluchzte sie.
"Aber zu der Krippe gehört doch das Jesuskind", meinte die Mutter, "ohne diese Figur macht das keinen Sinn."
Da hatte Emily eine Idee.
Sie ging hinüber zur Krippe, kniete davor und holte Jonathan aus ihrer Schürzentasche.

Vorsichtig legte sie ihn in die Krippe, stand auf und ging wieder zurück zu ihrer Mutter.

Stolz erklärte sie ihr: "Wir haben zwar kein Jesuskind mehr, aber dafür haben wir jetzt Jonathan, die Weihnachtsmaus."

Die Mutter staunte und lachte.
Sie nahm ihre Tochter in die Arme.
Dann sangen sie Weihnachtslieder, aßen von der Suppe, und Jonathan bekam ein paar Brotkrumen.
So war es doch für alle ein schönes Weihnachtsfest.

Geschichte gepostet mit freundlicher Genehmigung durch die Autorin.
©Anastasia Stucky

Alle Abbildungen gefunden auf Pinterest.

 

 

 


 

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