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Montag, 28. Februar 2022

Chanten

Das Kreatürliche in mir hat Angst. Das kleine Menschlein in mir hat Angst. Eine Angst, die alles in den Schatten stellt, was während der letzten zwei Jahre im Rahmen des "C-Paradoxons" (Günter Kerschbaummayr) in mir hochgekommen ist. Mir wird bang ums Herz, manchmal so intensiv, dass ich Herzstiche fühle, und mir ist permanent zum Weinen. Ich bin so tief traurig, dass die Menschheit nichts gelernt zu haben scheint aus der Geschichte. Schon wieder suchen Politiker ihr Heil im Anzetteln eines bewaffneten Konfliktes. Ein tiefes Bedrohtheitsgefühl sonder Gleichen ist entstanden und will angesehen werden.

Nach langen Monaten Ruhe habe ich die Dose mit den Bachblüten-Rescue-Pastillen wieder aus der Schublade geholt, die ich mir irgendwann in den Anfangsmonaten der 2020er-Krise zugelegt hatte als Notfallhilfe gegen aufkommende Panik. Nun brauche ich sie noch nötiger als damals! Damals schon meinte ich, mich bedroht zu fühlen. Aber nach einer gewissen Zeit gab es wenigstens die Hoffnung, selbst etwas tun zu können: Immunsystem stärken, mich breit informieren, viel lernen über Gesundheit. Trotzdem entstand auch da immer wieder das Gefühl von Ohnmacht und Überrolltwerden durch die Entscheidungen der Politik. Damit umzugehen habe ich inzwischen gelernt – nicht zuletzt meine Blogbeiträge legen davon ein beredtes und bunt bebildertes Zeugnis ab.

Nun bin ich, sind wir mit einem Ohmachtsgefühl eines ganz anderen Kalibers konfrontiert. Wie ein Symbol dafür weht mir der Wind beim Spaziergang durch den Park aus Ost-Südost entgegen. Über unsere Köpfe hinweg wird erneut "für uns" entschieden, ob wir das nun so wollen oder nicht. Werden Entscheidungen von einer Tragweite gefällt, die mir Übelkeit hervorrufen. Es ist, als ob wir in einer Spiralbewegung auf der nächsten Ebene des Weltendramas angelangt wären. "Gehe zurück auf Los, ziehe keine 4.000 DM ein", wobei das "Los" auch noch in einer anderen Ebene mit komplexeren und bedrohlicheren Herausforderungen liegt.

Mein inneres Licht, mein höheres Selbst sind der Meinung, dass es jetzt, gerade jetzt, besonders darauf ankommt, Licht in die Welt zu senden und zu leuchten. Das kleine Menschlein ruft voller kreatürlicher Angst, hervorgerufen durch das, was es in den Nachrichten gehört hat: ja schon, ABER!...

Beide wollen und sollen zu ihrem Recht kommen. Gefühl und Verstand. Und das Seelisch-Geistige.
Zum einen versuche ich, mich wiederum breit zu informieren. Eines der ersten Dinge, die mir auf den Weg kommen, ist ein Video mit dem bekanntenFriedensforscher und Historiker Dr. Daniele Ganser aus der Schweiz mit seinem Beitrag bei einer Veranstaltung der Friedensbewegung mit ihm und Eugen Drewermann, 2017 in der Erlöserkirche in Kaiserslautern: "Stopp Ramstein"
(besonders interessant ab Min. 10:40).
Eine hervorragende Analyse und eine ebensolche Ermutigung.

Dann treffe ich in einem Video aus dem letzten Sommer auf einen Fernseh-Bericht aus dem Jahr 1990, Ausschnitt aus dem Weltspiegel, in dem die damaligen Außenminister Genscher (BRD) und Baker (USA) zusichern, dass es keinen Zentimeter Erweiterung der Nato nach Osten, in Richtung der ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes geben werde.

Mir fällt die Kinnlade. Selbstverständlich habe ich diese Berichte damals auch im Fernsehen gesehen, im Radio gehört, gespannt und enorm erleichtert verfolgt.
Vergessen.
Wie offenbar die meisten Menschen in unseren Breiten.
Wie übrigens die Politiker selbst auch, die später mit vagen Ausflüchten von den eigenen Aussagen Abstand nahmen.

Zum anderen fällt ein Video von Sonja Ariel von Staden zu,  in dem sie einlädt, ein Friedensmantra gemeinsam mit ihr zu singen. Das Mantra zu chanten, wie das auch genannt wird.
Ich tue das.
Eine gesungene Friedensmeditation.
Und es tut mir so gut, dass ich das Mantra und die Melodie mit Euch teilen will.
Im oben verlinkten Video ist es ab Minute 3:44 zu hören.

Der Text lautet

Om nama shivaya,
om nama shivaya,
om nama shivaya nama om,

om nama shivaya,
om nama shivaya,
om nama shivaya nama om.

Der Frieden ist hier
der Frieden ist hier
der Frieden ist hier auf dieser Welt.

Dafür lebe ich
dafür atme ich
dafür sende ich mein Licht.

Die Noten siehst Du auf dem obenstehenden Bild. Klicke darauf, und sie öffnen sich in groß in einem neuen Fenster. Wenn Du wissen willst, was das Mantra bedeutet, weiß z.B. Wikipedia etwas darüber.

Grafik von http://www.freepik.com / Designed by Freepik

Nachtrag:
An sich hatte ich den Text für heute bereits fertig. Er hatte sich vor einigen Tagen schon aus mir herausgeschrieben. Die aktuelle Entwicklung auf der weltpolitischen Bühne bringt es mit sich, dass ich zunächst das Obenstehende veröffentlichen will. Den ursprünglichen Text, mit allen Bildern, die ich dazu ebenfalls bereits ausgesucht hatte (warum ich das 'mit' fettgedruckt wiedergebe, wird deutlich werden, wenn der Beitrag online steht), werde ich außer der Reihe am Donnerstag einstellen. Also, Donnerstag ab 22 Uhr nochmal hier vorbeischauen
😊

Montag, 21. Februar 2022

Gleicher Schritt

Ganz zu Beginn dieses Blogs schrieb ich schon einmal, und auch ein weiteres Mal Mitte letzten Jahres  dass ich mich in diesen Jahren der C-Krise wie in einer Achterbahn fühle. Das ist noch immer so. Auch zur Zeit. Es geht mir so, wie das Wetter draußen ist: abwechselnd Schnee, Regen, Sonne; dicke schwarze Wolken, weiße Wölkchen, blauer Himmel; stürmisch, ruhig.
Sehnsucht danach, einfach normal zu leben. Ohne, dass ständig eine bekannte oder neue Panik - irgendein Bedrohungsszenario wird es schon geben, mit dem sich den Menschen Angst machen lässt - wie die sprichwörtliche Sau durchs Dorf getrieben wird.
Sehnsucht nach einer Lebensatomosphäre ohne die allgegenwärtige Angst vor {setze hier ein, was gerade die Schlagzeilen beherrscht}. Und ohne dieses Wechselbad von Zügel anziehen - Zügel lockern - Zügel noch härter anziehen.

Vor gut einer Woche fand sie in den Niederlanden statt, die berühmte Pressekonferenz der hiesigen Regierung, auf der die "Lockerungen" verkündet wurden, auf die alle schon so dringend warteten. Es waren ja genug Details schon auf irgendwelchen Wegen in die Presse lanciert worden.

Tauwetter auf unserem Dachfenster, 21.02.2022
"3G verschwindet", "Der coronatoegangsbewijs (übersetzt: Coronaeintrittskarte, auch QR-Code
genannt) verschwindet" lauteten enthusiastische Überschriften.
Überenthusiastische Überschriften.
Nichts davon verschwindet wirklich. Es wird nur vorläufig nicht mehr eingefordert.

Zunächst mal wurden lediglich Öffnungszeiten verlängert bis nachts um 1 Uhr: Theater, Gastronomie, Kinos z.B. Zugang mit 3g, drinnen darf man dann aber ohne Maske sich aufhalten, und die Einsfünzig-Regel sowie maximale Besucherdichte sind aufgehoben. Außerdem dürfen zuhause wieder mehr als vier Menschen gleichzeitig zu Besuch kommen.

Erst ab kommenden Freitag dann wird die Maskenpflicht völlig aufgehoben (außer in der öffentlichen Personenbeförderung und wahrscheinlich in Krankenhäusern, Polikliniken und Arztpraxen) und 3g außer Kraft gesetzt (außer bei Veranstaltungen in Innenräumen mit mehr als 500 Besuchern). Und der verplichtete 1,5-m-Abstand wird aufgehoben.

So ist es dann doch Einiges, was ab 25. Februar wieder gelebt werden darf. Ungefähr so wie im Sommer 2020, denke ich. Das bringt erst einmal ein erleichtertes Gefühl zuwege. Für meine Reise nach Amsterdam nächste Woche, bei der ich um punkt soviel Uhr bei einem Termin sein muss, bedeutet es, dass ich eventuelle Wartezeit (hab ja einen Puffer eingebaut) ohne weiteres Hick-Hack und mit hergezeigtem Gesicht irgendwo bei einer Tasse Kaffee überbrücken kann.

Jedoch: am 15. März gibt’s eine neue Pressekonferenz, bis dahin wird alles nochmal unter die Lupe genommen. Ehrlich gesagt rechne ich zu jenem Zeitpunkt nicht mit erneuten Verschärfungen, denn am 17. März sind in den gesamten Niederlanden Gemeinderatswahlen. Käme gar nicht gut.

Blauer Himmel 21.02.2022
Also dürfen wir uns auf jeden Fall auf ein paar Wochen fast normales Leben freuen.

Was mich sehr erstaunte, war die Tatsache, dass zur gleichen Zeit, zu der hier plötzlich über zumindest teilweises Aufheben der Lebensbeschränkungen angefangen wurde, öffentlich und regierungsintern zu diskutieren, plötzlich in vielen umgebenden Ländern auch von anstehenden Lockerungen die Rede war. Es kam mir sozusagen von allen Ecken und Enden entgegen. Zwar nicht im Gleichschritt, aber doch in gleichem Schritt schien es überall plötzlich voranzugehen.

Es fühlte sich an wie damals zu Beginn der 👑 Krise, als auf einmal überall die Rede vom Gleichen war. Damals waren es Ausdrücke wie "neues Normal", "1,5-m-Abstand", "Hygieneregeln" und die später schleichend eingeführte Verdrehung der Bedeutung des Wortes Solidarität.
Heute ist es die Rede von den "Erleichterungen".
Je nach Grad des inzwischen stattfindenden Autoritarismus in den einzelnen Ländern bedeuten sie eine mehr oder weniger große
(zeitweise) Rückerstattung von Freiheit.

Es macht mich nachdenklich.

Genau, wie mich nachdenklich macht, dass derweil bei der WHO an neuen Regeln zu unentkommbaren weltweiten Bestimmungen für den Fall zukünftiger Pandemien gestrickt wird. Wo bleibt die Autonomie der Nationalstaaten? Es ist doch immer noch die Regierung jedes einzelnen Landes, die entscheidet, was in ihrem Einflussbereich gilt und was nicht.

In wie weit sind internationale Verträge gültig, frage ich mich, in denen Regierungen dieses Recht

Schneegestöber 21.02.2022
einmal und für alle Zeit abgeben an Institutionen, die über keinerlei demokratische Legitimierung verfügen? Im Privatrecht würde so ein Vertrag wohl wegen Verstoßes gegen die guten Sitten als ungültig erklärt werden. In Deutschland z.B. gilt noch immer was bereits 1901 vom Reichsgericht ausgeführt wurde, das den "Begriff gute Sitten  nach dem 'Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden'" definierte. "Die guten Sitten entsprechen folglich der vorherrschenden Rechts- und Sozialmoral." Quelle: Wikipedia

Nachdenklich macht mich auch die Verordnung der Europäischen Kommission, die aktuell in Vorbereitung ist. Mit ihr soll der Einsatz des 'EU-Zertifikats über geimpft/genesen/getestet' über das heutige Gültigkeitsende 30.6.2022 um zunächst ein weiteres Jahr verlängert werden. In kurzen Worten läuft es darauf hinaus, dass, solange die pandemische Lage bestehen bleibt, die Freizügigkeit innerhalb Europas beschränkt bleibt auf diejenigen, die ein solchen Zertifikat vorweisen können.

Im Erläuterungstext zu der Verordnung wird dabei in einer gewissen Verdrehung der Tatsachen ständig von "Erleichterung der sicheren Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit während der COVID-19-Pandemie" (z.B. S. 2 des Dokuments) gesprochen. Es soll "die Freizügigkeit erleichtert werden" (S. 1).
An anderer Stelle wird ein anderer Zweck der Übung deutlich benannt: "ist die Steigerung der Impfquote nach wie vor ein wesentliches Ziel im Kampf gegen die Pandemie" (S. 4), wozu hauptsächlich das "EU-Zertifikat", im Volksmund "Corona-Pass" genannt beitragen soll. Seine von der EU-Kommission als solche benannten Erfolge in dieser Hinsicht sind ganz am Anfang des Textes benannt: "Studien zufolge hat seine Verwendung zu einer verstärkten Impfaktzeptanz (…) geführt." (S. 1unten, 2 oben)
Mit anderen Worten: eine Menge Leute haben sich der Impfung unterzogen, um frei reisen zu können.

Im Dokument wird auch berichtet, dass etwa ein Drittel (ich habe mir die Studie angesehen, es sind 34%) der im Rahmen einer Eurobarometer-Umfrage befragten EU-Bürger nicht der Meinung war, dass das Zertifikat eine gute und sichere Möglichkeit zur Garantie der Freizügigikeit in Europa sei.
(Wobei mir als Soziologin allerlei Fragen kommen angesichts der Art und Weise, in der die Fragen im Rahmen Untersuchung gestellt wurden. Das habe ich damals im Studium anders gelernt. Aber dies nebenbei.)

Zu dieser Verordnung "VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
zur Änderung der Verordnung (EU) 2021/953 über einen Rahmen für die Ausstellung, Überprüfung und Anerkennung interoperabler Zertifikate zur Bescheinigung von COVID-19-Impfungen und -Tests sowie der Genesung von einer COVID-19-Infektion (digitales COVID-Zertifikat der EU) mit der Zielsetzung der Erleichterung der Freizügigkeit während der COVID-19-Pandemie" findet zur Zeit eine Bürgerbefragung statt. Noch bis zum 8. April kann jeder EU-Bürger, jede EU-Bürgerin ihre Meinung dazu offiziell kundtun.
Bislang (Stand 21.02.2022 21:00 Uhr) haben 58.968 Bürger dies getan. 

Hoffentlich werden es noch viel, viel mehr, die von einer der wenigen Möglichkeiten Gebrauch machen, als EU-Bürger eine Meinung zu den Vorhaben der EU-Kommission zu äußern!

Mitmachen kann man über diesen Link .

Montag, 14. Februar 2022

Panta rei

"Never change a running system" – wer diesen Satz erfunden hat, weiß ich nicht. *)

Sicher in den Kindertagen des Microsoft Betriebssystems Windows schien das eine gute Devise zu sein. In jener Zeit, in der jedes Softwareupdate oder Betriebssystemupdate zu einem finalen Absturz des PC führen konnte und einem dann manchmal nichts anderes übrigblieb, als den ganzen PC neu zu installieren. Damals glaubte ich heilig daran: "Lass  bloß die Finger weg von Systemveränderungen und Updates, zumindest so lange, bis wirklich alles in alle Ecken hinein getestet und ausprobiert ist."

Es gibt kaum ein dümmeres Motto, das viral hätte gehen und sich in die Köpfe der Menschen hätte festsetzen können. Jedes System ist immer, immer! in Veränderung begriffen.

Um beim PC zu bleiben: auch wenn ich mein Betriebssystem und meine Programme nie update, verändert sich mein PC fortlaufend. Einfach dadurch, dass ich mit ihm arbeite. Ich speichere Dateien ab, lösche andere, verschiebe eventuell ganze Ordner, der Arbeitsspeicher füllt sich und leert sich und behält dabei doch immer "eins im Sinn", usw. Dadurch passiert im Hintergrund allerlei, und auch (oder gerade) wenn ich nie auf Betriebssystem- oder Programmebene eingreife, kann sich früher oder später das eine oder andere verhaken und mich zwingen, doch bewusst auf irgendeine Weise einzugreifen.

Was für technische Systeme gilt, gilt für lebendige 'Systeme' noch viel mehr.
Das ist mir dieser Tage erneut deutlich – und schmerzlich – bewusst geworden. Wo Lebendigkeit ist, kann niemals Stillstand sein. "Komm aus Deiner Komfortzone" oder "Geh aus Deiner Komfortzone" schallt uns so oft aus den Mündern von Speakern (Referenten also), Coaches, Weisheitslehrern entgegen, dass wir am liebsten ermüdet die Köpfe abwenden. Doch offenbar gibt es keine wirkliche

Alternative zum In-Bewegung-Bleiben, will ich wirklich lebendig und authentisch sein. Immer, wenn ich es mir irgendwo richtig gemütlich gemacht habe, das Gefühl habe, dass das jetzt immer so weitergehen könne und ich endlich richtig angekommen sei, kommt von irgendwoher eine heftige Aufforderung, auf irgend eine Weise aufzubrechen.

Auch die Vernetzungsplattform, auf der ich seit ein paar Monaten aktiv bin, ist da keine Ausnahme. Sie ist nicht das Schnuckelhäuschen zum entspannt Es-Mir-Gutgehen-Lassen, als das sie mir zeitweise erschien. Sie ist ein lebender Organismus. Als Teil dieses Organismus bin ich auch Teil seiner immerwährenden Veränderung, ob ich das nun bewusst mit gestalte oder unbewusst geschehen lasse. Ich entscheide mich fürs bewusst mit gestalten.

Innerhalb dieser Plattform hatte ich eine regional bezogene Gruppe mitgegründet. Die Idee dahinter: verstreut lebenden Menschen den Kontakt zu nicht allzuweit entfernt lebenden Gleichgestimmten zu ermöglichen. Anfangs schien es dort sehr nett und angenehm zu sein. Schien die Liebe zur regionalen Landschaft und Wesensart der Menschen neben einer vermuteten grundsätzlichen Gleichgestimmtheit Verbindung genug. Mit der Zeit erwies sich aber, dass einerseits diese Gleichgestimmtheit so nicht existiert. Dass andererseits die Liebe zu Landschaft und Wesensart nicht verbindend genug ist. Und dass das jeweilige So-Sein einzelner Mitglieder so unterschiedlich ist, dass manches nicht zusammengeht. Sicher nicht, wenn nicht bei allen ein ganz, ganz großer Wille zu gegenseitigem Vertrauen, zu Offenheit und zu Akzeptanz des Andersseins besteht. 

Wo der Wunsch, dirigistisch die Denk- und Fühlrichtung innerhalb der Gruppe zu bestimmen bzw. vorzugeben auf den Wunsch zu freiheitlichem, authentischem Gespräch über eben jene Denk- und Fühlrichtungen stößt, wird es sehr schwierig. Wenn der Dirigismus von dem Menschen ausgeht, der der Hüter der Gruppe sein sollte, wird eine 'Zusammensetzung' **) und gemeinsam innerhalb der Gruppe konstruktiv und kreativ an etwas Herumdenken unmöglich.
Das ist schade.
Aber auch hier gilt, wie überhaupt angesichts schwieriger, belastender Situationen: "Change it, leave it, or love it." Veränderung kann eben auch bedeuten, etwas zu gestalten indem ich es verlasse. 

So gerne ich mir das gemütliche Wohnzimmer mit gemeinsamem Träumen über die geliebte Landschaft und Wesensart der Menschen erhalten hätte… ich musste tränenreich erkennen, dass das, was gemütlich schien, eine starre, einengende Umgebung war. Keine einladende, weiträumige Wohnlandschaft. Sondern ein 16 qm-50er-Jahre-Nachkriegswohnzimmer mit Sofa, steifen Sesseln, Stehlampe und Nierentisch. Nachdem mir das deutlich geworden war, lag der weitere Weg klar vor mir. Dieser Starre und Einengung meines Träumens und meiner Kreativität mich weiter auszusetzen, wäre alles andere als liebevoller Umgang mit mir selbst gewesen. So stand ich auf, räkelte mich, schrieb einen Abschiedsgruß in die Runde  und verließ den Raum.

Vielleicht hatte ich sowieso zu viel Zeit nicht nur in jenem Wohnzimmer, sondern in dem gesamten Schnuckelhäuschen verbracht. War ich nicht doch in der digitalen Welt hängengeblieben, anstatt wirklich zu leben? Eine interessante Erkenntnis, dass das auch bei 'alternativen' Plattformen geschehen kann. Nicht nur bei den Facebooks diese Welt, die aufs Anwesend-Halten der User programmiert sind.

Gerade in diesen Zeiten, in denen wir noch immer durch die Krönchen-Situation mehr isoliert von einander als mit einander leben, ist wohl die Verführung groß, in solchen digitalen Netzen sich zu verstricken. Jetzt bin ich gespannt darauf, wie es mir gelingen wird, ein gesundes Gleichgewicht zwischen digitaler und echter Vernetzung zu finden.

 " Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen (…)
Wohlann denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!" ***)

*) Ich erinnere mich aber noch ganz genau an die Situation, in der ich ihn zum ersten Mal hörte: in meinem kleinen, kuscheligen Büro im alten Amt für Kirchenmusik in Frankfurt am Main in jener 30er-Jahre-Villa, in der ich die allerschönsten Jahre meines Berufslebens verbringen durfte. Ausgesprochen wurde er von der damaligen Vorsitzenden des Verbandes, in dem die Posaunenchöre zusammengeschlossen sind; ob im Zusammenhang mit dem Netzwerkserver oder in betriebsorganisatorischem Zusammenhang vermag ich nicht mehr zu sagen.

**) Es soll ja gerade keine Auseinander-Setzung sein

***) Hermann Hesse, "Stufen"

Montag, 7. Februar 2022

Danke - ja

Dünenlandschaft auf Borkum, Foto 2007
 

 

 

 




 "...noch weht mir der Wind von der See her entgegen,
noch finde ich Sand in meinen Hosenumschlägen
und Dünengras in meinem Haar…" *)

Heute ist einer dieser Tage, an denen mir diese Zeilen aus einem Lied von Reinhard Mey in den Kopf kommen, während ich meinen täglichen Spaziergang durch das Pärkchen und unser Dorf mache. Es weht ein sehr kräftiger, fast stürmischer Nordwestwind, Wind aus jener Richtung also, in der das Meer liegt. Er bringt diese Frische mit, die auch hier, ein ganzes Stück entfernt von der Küste, noch an die See erinnert und eben die oben zitierten Empfindungen heraufbeschwört. Dazu diese einmalig klare Luft, kalt zwar, aber herrlich. Am Himmel jagen dicke weiße Wolken, auch manchmal große, schwere Dunkle, zwischendurch große Fetzen oder auch weite Stücke herrlichen Blaus; kaum vernebelt von den seit dem Frühling 2021 beinahe allgegenwärtigen hohen Schleierwolken, die im gesamten letzten Jahr der Sonne ihre Kraft geraubt haben. Heute hat die Sonne Kraft, schon deutlich erahnbare Frühjahrskraft, die in der diesen Winter bislang nur oberflächlich im Winterschlaf liegenden Natur neues Leben wecken wird. Von diesem Leben ist jetzt, Anfang Februar, schon viel zu sehen. **) Auch zu hören, denn seit einigen Tagen bereits sind wieder Vogelgesänge zu hören. Noch nicht üppig, aber doch nachdrücklich anwesend.
Das Leben fühlt sich – normal an.

Bis mir unterwegs, vom Bahnhof her - gerade hat ein Zug den Haltepunkt in Richtung Groningen verlassen -  ein Jugendlicher kräftig gegen den Wind tretend auf dem Rad entgegenkommt, seine schwarze Stoffmaske noch im Gesicht. Was ihm eine Art Schimpansenmundnasenpartie verleiht. Kurze Erinnerung an die Absurdität dessen, was das "Neue Normal" angeblich sei. Mein "Neues Normal" wird ein anderes sein; jenes das sich als Vision entwickelt, wenn ich über die "neue Erde" träume.
Das nur nebenbei.

Narzissenblüte im Februar
Nachdem ich mich später zuhause mit dem Lunch und der begleitenden Tasse Suppe aufgewärmt habe
und eigentlich nach oben zum Ruhen gehen will, lockt mich die Sonne noch einmal nach draußen auf die Terrasse. Dort kann ich in der Ecke zwischen Haus- und Wirtschaftsraumwand herrlich windgeschützt in der Sonne stehen. Jetzt erst spüre ich die Volle Vorfrühlingskraft unseres Zentralsterns. Ich krempele die Ärmel hoch, ziehe meinen Kragen ein Stück nach unten, will ohne es kalt zu kriegen so viel Sonne wie möglich tanken. In meinem Gesicht genieße ich die wohltuende, heilende Kraft des Sonnenlichts.

Wie von selbst stellt sich die Erinnerung an eine Übung ein, die ich vor ein paar Tagen im Interview eines bereits abgelaufenen Online-Kongresses von Udo Grube gehört habe. An sich ist sein Tip dazu gedacht, sich selbst zu helfen, wenn es einem mal gerade ganz und gar nicht gut geht. Das habe ich die letzten zwei Tage ein paar Mal ausprobiert, und obwohl ich erst das Gefühl hatte, dass sich gar nichts tue, hatte ich irgendwann später festgestellt, dass sich doch irgendwie innere Ruhe eingestellt hatte. Warum es nun nicht tun, um mich mit einem guten Gefühl noch besser zu fühlen?

Die Übung ist ganz einfach:
Tief einatmen, dabei innerlich "Danke" sagen
3 Sek Pause
Ausatmen, dabei innerlich "ja" sagen
Das ganze 10 bis 15 Mal wiederholen bzw. bis zu vier Minuten lang.

Und – tatsächlich, das wunderbar entspannte Glücksgefühl beim Sonnen verstärkt sich noch. Und meine Wahrnehmung verändert sich. Ich höre auf einmal ganz bewusst alle Geräusche um mich herum. Was für ein Konglomerat aus menschengemachtem Lärm und Naturklängen. Beim Getreide-, Saatgut-, und Düngemittelhändler hinterm Bahnhof mit seiner inzwischen enorm gewachsenen Anzahl von riesigen Silos rauscht, rumpelt, bläst alles Mögliche. Irgendwo pumpt eine Pumpe.
Der Verkehr von der Autobahn ist vergleichsweise schwach zu hören. Der Wind tost in den Ästen der Parkbäume. Vögel tirilieren. Irgendwo wird gehämmert. Die Efeublätter der Hecke rascheln windbewegt. Ich spüre der Wärme auf meiner Haut nach. Und dem Licht hinter den geschlossenen Lidern. Ich bewege meinen Kopf, so fällt das lidgedämpfte Licht mal von der rechten, mal von der linken Seite aufs Auge. Ein nicht zu definierender, sicher aus irgendeinem Haus nach draußen gewehter Geruch hängt in der Luft, irgendwas Gebäck-artiges, ich kann es nicht näher deuten.

Ab und zu blinzle ich, wenn es plötzlich kühl wird. Kleine Wölkchen, die wieder vorbeiziehen, verdunkeln kurz die Sonne. Lange werde ich hier nicht mehr stehen können, aus dem Nordwesten kommt eine große, schwarze Wolke angezogen. Als ihre Spitze die Sonne erreicht, gehe ich nach drinnen. Kurz darauf regnet es.

Während ich nach oben gehe, fällt mir das kurze Video von Tijn Touber ein, das ich heute Morgen angehört habe. Kluge Gedanken zur ganz aktuellen Situation. Er befasst sich mit den Hoffnungen, die jetzt allerorten aufkeimen bei den Menschen, auf jeden Fall hier im Land. Ganz, ganz viele hoffen, dass die Niederlande es bald Großbritannien und Dänemark u.a. nachtun und alle Maßnahmen fallen lassen. Um hoffentlich schnell zum "alten Normal" zurückkehren zu können. Touber macht auf die Gefahr aufmerksam, die in dieser Hoffnung verborgen ist: sollte diese Rückkehr zu der Art Leben möglich sein, die wir vor der Krönchenzeit gelebt haben – und jenes Leben (gesamtgesellschaftlich und global betrachtet) war ja weder wirklich schön in einem tieferen Sinn und wirklich lebendig, noch freundlich zu den lebenden Mit-Wesen - , dann könnte es passieren, das Viele ganz viel von dem vergessen und wieder wegsinken lassen, was sie in den letzten zwei Jahren gelernt, praktiziert und über die Zusammenhänge in unseren herrschenden Gesellschaftssystemen begriffen haben.

Das wäre sehr, sehr, sehr schade. Und für die tatsächliche Weiter-Entwicklung der Menschheit mehr als nachteilig. Wach bleiben und die Art von Leben als Vision und Ziel im Auge behalten, die ich wirklich, wirklich leben will – das ist gerade, wenn die Lage sich zu ent-spannen scheint, besonders wichtig.

Ausschnitt der Titelseite des New Earth Manifesto
Danke Tijn, dass Du das bewusstgemacht hast.

 *) Reinhard Mey, "Wirklich schon wieder ein Jahr"
**) Die meisten Fotos in diesem Blog sind gestern und heute entstanden. Liebe Stammleserin, Deinen Wunsch zu erfüllen war mir eine Freude.