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Montag, 20. Juni 2022

Fluten

Bernardus Mourik, Sint Maartensvloed 1686 oder Weihnachtsflut 1717

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass alles immer chaotischer wird. Mehr und mehr vermeintliche Sicherheiten lösen sich in Luft auf. Immer stärker sieht es so aus, als ob auf vielen Gebieten alles in Bewegung gerät und – wer weiß – letzten Endes nur wenige Steine auf den anderen liegen bleiben werden. In den nächsten Jahren werden sich unser aller Lebens-Alltage enorm verändern.


Das bringt ein unsicheres Gefühl mit sich.
Wohlfühlen geht anders.
Perioden des kompletten Wandels, Zeiten eines Umbruchs sind immer aufreibend, kraftzehrend und fordern den ganzen Menschen.

In diese Gefühlswelt hinein begegnete mir im bereits mehrfach erwähnten Buch von Holger Heiten am Ende des Kapitels über (das) "Fallen als initiatisches Mittel" ein Gedicht von Hilde Domin, das mir in diesen wirren, seltsamen Zeiten Anregung Trost sein kann.
Der einen oder anderen von Euch vielleicht auch?

Konsolkapitell in St. Walburga, Walberberg
Noah und die Taube
80er Jahre des 20. Jahrhunderts

Bitte


Wir werden eingetaucht

und mit dem Wasser der Sintflut gewaschen
Wir werden durchnäßt
bis auf die Herzhaut

Der Wunsch nach der Landschaft
diesseits der Tränengrenze
taugt nicht
der Wunsch den Blütenfrühling zu halten
der Wunsch verschont zu bleiben
taugt nicht

Konsolkapitell in St. Walburga, Walberberg
Drei Jünglinge im Feuerofen
80er Jahre des 20. Jahrhunderts

Es taugt die Bitte,
daß bei Sonnenaufgang die Taube
den Zweig vom Ölbaum bringe
Daß die Frucht so bunt wie die Blume sei
daß noch die Blätter der Rose am Boden
eine leuchtende Krone bilden

 
Und daß wir aus der Flut

daß wir aus der Löwengrube und dem feurigen Ofen
immer versehrter und immer heiler

stets von neuem

zu uns selbst

entlassen werden



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