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Donnerstag, 25. Juni 2020

Keine Rück-Sicht


Mein zweiter Wocheneinkauf unter C-Virus-Maßnahmen, am 9. Tag meines Aufenthalts in der Heimatstadt, lief routinierter ab als der erste.
Ich hatte gelernt, zu überlegen, wann möglicherweise weniger Menschen gleichzeitig einkaufen gingen. Meine Wahl fiel auf die Zeit zwischen 11 und 12 am Vormittag. Ein Moment, an dem die 'frühen Vögel' schon wieder zuhause und die Mittagspausler noch nicht da waren. Auch lag diesmal kein langes Wochenende mit Brückentag vor meinem Einkaufsmontag. Es war eine gute Wahl. Weniger Menschen im Laden, etwas weniger Egoismus und Hektik in der Atmosphäre. Ein gewisser Anteil an ich-ich-ich-Gehabe blieb jedoch bei den meisten Mit-Kunden.
Trotz allem war mein Mund-Nasenschutz-Tuch nach vollbrachter Tag wiederum klatschnass und ich selbst vollkommen durchgeschwitzt. Angenehm einkaufen geht anders.

Nachdem ich die Einkäufe mit einiger Mühe in meinen Rucksack und zwei Taschen verstaut hatte – ich hatte mich deutlich verschätzt, was das Gewicht eines Wochenvorrates plus Auffüllen von Reis und Nudeln betrifft – machte ich mich auf den Heimweg. Zu Fuß mit dem schweren Gepäck ungefähr 20 Minuten.

Es fiel mir wieder auf, was ich auch auf dem Hinweg bereits wahrgenommen hatte: unglaublich viele Menschen waren unterwegs; offenbar zieht es jede und jeden nach draußen. Kein Wunder, nach den drei Monaten, in denen allen eingebläut worden war, "drinnen" zu bleiben.
Nicht nur Einkaufende, auch Mütter und erstaunlich viele Väter mit Kleinkindern im Kinderwagen, Buggy, Laufrad oder Rädchen. 
Und fahrradfahrende Mensche ohne Zahl, mehr als ich jemals in dieser Stadt auf solchen Wegen weit weg vom  Zentrum erlebt habe. Viele sehr 'sportliche', mountainbike-artige Räder mit irre dicken Reifen, und viele, viele E-Bikes. Besonders unangenehm: die Kombination aus beidem.
In Frankfurt wird insgesamt sehr schnell und rasant Fahrrad gefahren, bis hin zum Aggressiven.

Die Situation auf dem relativ breiten Fuß- und Radweg hatte gelegentlich unübersichtliche Züge, und beim Ausweichen oder Überholtwerden war das Einhalten des Mindestabstands nicht immer möglich. Sicher nicht, wenn vor mir eine Familie mit Kindern, Rädchen und Buggy lief, jemand auf dem Rad entgegenkam und von hinten ein Speed-Pedelec angerauscht kam und zum Überholen ansetzte. 
(Die Fotos zeigen den Weg zu ruhigeren Zeiten, am Nachmittag, vor der abendlichen Rush-Hour)


Wie vielen Menschen ich begegnete, kann ich kaum schätzen; mehr oder weniger rücksichtsvoll überholt wurde ich sicher acht bis zehn Mal.

Je länger der Weg dauerte, um so mehr hatte ich das Gefühl, mein Rucksack zöge nach hinten und drücke immer stärker auf die Hüftknochen und die Lendengegend. Ich vermutete, dass die Träger sich selbständig verlängerten, was aber nicht der Fall war.

Glücklicherweise ist diese Route
zwischen Bio-Supermarkt und Wohnung über weite Strecken auch ein Spazierweg, und in Abständen sind darum Ruhebänke aufgestellt. An einer solchen machte ich Pause, stellte meine beiden Taschen darauf abund den Rucksack.
Und dann sah ich die Bescherung! Die Schwerpunktverschiebung beim Tragen war dadurch entstanden, dass sich Schritt für Schritt der Reißverschluss von selbst geöffnet hatte. Vorder- und Rückseite des Rucksacks klafften weit auseinander, der Rucksack stand mehr als halb offen. Es war wohl nichts herausgefallen (das hätte ich sicher auch gehört, ich hatte auch Kefir- und Gurken im Glas gekauft). Mehr Glück als sonstwas hatte ich da.!


Baff war ich, dass von all den Radlern, die mich überholt hatten, immerhin hatte ich inzwischen 2/5 der Strecke zurückgelegt, niemand es für nötig befunden hatte, mich auf das Malheur hinzuweisen. Auch nicht – oder gerade nicht? – jener ungeduldige sportiv-Radler, der sein schnelles Bike knapp hinter mir abbremste (es kamen Menschen entgegen, jemand mit Rollator plus eine diesen überholende Fahrradfahrerin), klingelte, beinahe im Stand kurz hinter mir verweilte, ehe er, als der Weg wieder frei war, mit großem Krafteinsatz und Show durchstartete und mich rasant überholte.
Es war ja offensichtlich, dass ich nicht mitbekam, was da hinten auf meinem Rücken passierte…

Jede und jeder scheint noch stärker in seine eigene Welt eingesponnen, als das in der Großstadt schon vor dem Corona-Wahnsinn der Fall war. Die oder den andere/n mit-denken – Fehlanzeige!

Nun verstehe ich auch, warum die Mutter mit zwei Kindern, die beim Überqueren einer ampelgesichterten Kreuzung einen Ball aus ihrem Fahrradkorb verloren hatte, mir so enorm erstaunt und hocherfreut dankte, nachdem ich sie darauf hingewiesen hatte.

Passantenhaven Zuidbroek





Ach, das Leben auf dem Lande hat auch seine guten Seiten.

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