Mitte März bis 10. April 2020 täglich. Ab 11. April 2020 erscheinen die Beiträge jeden zweiten Tag. Ab Montag, 22. Juni 2020 immer Montag und Donnerstag abends. Ab Montag, 13. Dezember 2021 am Montagabend nach 22 Uhr.


Montag, 13. Juli 2020

Aus dem Herzen leben



Nach all der Trauer und den kritischen Blicken der letzten Tage heute eine ganz andere Stimmung.
Auf facebook bin ich über ein Zitat aus den Unterlagen eines Tagesseminars von Christina von Dreien gestolpert. Es wurde am 5. Januar 2019 in Erding gehalten:

Egal, wer ihr seid, wie alt ihr seid, welche Rolle ihr habt, woher ihr kommt, welchen Beruf ihr habt: Ihr habt alle einen inneren Wert, egal, was jemand euch sagt.

Je seltsamer die Welt wird, je mehr Menschen auch auf der physischen Ebene durchdrehen, desto wichtiger ist es, dass die Menschen sich Räume verschaffen, wo sie Dinge tun, die ihnen Freude machen.

Wenn wir die Nachrichten schauen, könnten wir Angst bekommen. Wenn wir all das Dunkle im Fernsehen sehen, müssen wir wissen, dass es irgendwo genauso viel Licht gibt. Es ist, wenn wir das Negative sehen, unsere Verantwortung, das Lichte zu suchen.

Und umso wichtiger ist es, viel Freude zu haben. Denn Freude erhöht automatisch unsere Schwingung. Schwingungserhöhung ist gar nicht so schwer. So, wie Atmung oder der Herzschlag automatisch ablaufen, genauso automatisch erhöht Glücklichsein, Wohlfühlen und Freude die Schwingung.

Unsere Schwingung und unser Bewusstsein sind gekoppelt. Wenn ihr euer Herz lebt, dann steigt automatisch auch eure Schwingung. Je höher die Schwingung, desto höher das Bewusstsein.

Wenn ihr die Lernprozesse macht, die anstehen, dann passiert Schwingungserhöhung ganz automatisch.

Das bringt mich zurück auf den Boden. Holt mich heraus aus dem Grauschleier all dessen, was ich – und mit mir so unendlich viele andere – um uns herum beobachte.

Angst ändert nichts. Schon gar nicht zum Guten. Es ist – gerade unter den heutigen Umständen – ganz anderes, das weiterhilft.


Mindmap aus dem gleichen Beitrag

Das scheint mir genug Programm für die nächste Zeit.
 

Freitag, 10. Juli 2020

Atmosphärisches

.... sorry, wieder einen Tag zu spät...

Zeil bei Wiedereröffnung der Kaufhäuser




Nach beinahe vier Wochen in meiner Heimatstadt wird mir immer wieder neu und immer deutlicher bewusst, was mir gleich am Anfang aufgefallen war: das Klima auf den Straßen und zwischen den Menschen hat sich verändert.
 
Viele Freizeitbeschäftigungen sind nach draußen verlegt, darauf bin ich schon eingegangen. Das ist wirklich etwas Schönes, und das bringt atmosphärisch einen Ausgleich.

Afterwork open air freitags am Friedberger Platz
vor Corona
Aber es ist auch viel, sehr viel verlorengegangen. 
Apfelweinwirtschaft in Sachsenhausen
vor Corona










Im Grunde das meiste von dem, was man urbanes Leben nennen könnte.

Viele, vor allem kleinere Restaurants, auch mit Garten, funktionieren noch immer auf Sparflamme. Mein Lieblings-Grieche 'um die Ecke' hat bei sehr stark ausgedünnter Karte auf einen Imbisswagen umgestellt und nur den (verglichen mit den Gasträumen vier bis fünf Mal größeren) Garten geöffnet. So spart er Personal und kann den verpflichteten Abstand zwischen den Gästen gewährleisten.
Dort, wo geöffnet ist, verpesten die Masken die Atmosphäre. Wer im Wirtshausgarten sitzt, braucht zwar selbst keine Gesichtsverhüllung mehr. Das Service-Personal schon – wobei ich auch schon einen Kellner mit rutschender Maske erlebt habe, der alle eineinhalb Minuten das Teil wieder hochschieben musste, wobei er es immer oberhalb der Nasenspitze anfasste. Hygienisch ist anders.

Mit anderen Worten: einfach abends irgendwohin Essen und Was-Trinken fällt schon mal aus.

Wasserhäuschen im Normalbetrieb vor Corona
Übrigens, warum sind eigentlich alle Büdchen, offiziell auch "Trinkhallen", hier liebevoll "Wasserhäuschen" genannt, geschlossen? Vielleicht, weil in deren Umgebung immer ein paar Männer mit Bierflaschen in der Hand bei einander stehen? Zwischendurch unterwegs was naschen oder nach Ladenschluss noch schnell eine Kleinigkeit kaufen - auch vorbei.


In U-Bahnen und Bussen sind die Menschen noch vereinzelter als normalerweise schon. Es wird kaum geredet, und komischerweise auch weniger auf die Handys geguckt. Jede/r sitzt mit maskiertem Gesicht in eine Art Rückzugsblase gehüllt, guckt mehr oder weniger verkniffen oder ängstlich hinter der Maske hervor. Gerne zum Fenster hinaus. Oder starrt ins Leere vor sich hin. Die Atmosphäre fühlt sich unlebendig, angespannt und künstlich an.

Onkel Otto, das Werbemaskottchen des
Hessischen Rundfunks, sieht auch nicht
glücklich aus, sogenannt coronatauglich...

Angespannt und künstlich, kontaminiert mit herumwabernder Ängstlichkeit, ist auch die Atmosphäre im Straßenbild. Jedenfalls hier, außerhalb des Stadtzentrums. Auch hier betragen sich die Menschen viel isolierter als sonst. Das Isolierte bekommt oft zusätzlich einen angstbesetzt-feindseligen Charakter: jede/r könnte ja eine Bedrohung für die eigene Gesundheit sein. Ein wunderbares Beispiel: gestern passierte ich mit dem Rad einen Mann, der seinen Vorgarten wässerte. Ich auf der Straße, er mindestens 10 m entfernt vorm Haus. Genau im Moment des Vorbeiradelns schneuzte ich in mein Taschentuch. Wenn Blicke töten könnten…

Auch beim schönsten Wetter huschen oder schleichen viele durch die Straßen, den allgegenwärtigen Stoff-oder-Spezialfilterpapierlappen um den Hals, am Ohr baumelnd, in der Hand schwingend, oder vorm Gesicht. Am schmerzlichsten sind mir die (meist älteren bis alten) Menschen, die grundsätzlich nur mit Einmalhandschuhen und aufgesetzter Maske das Haus verlassen. Auch bei 30° draußen. 
Von ihnen strahlt die Angst in alle Richtungen ab. 
Bericht aus dem April: Es gibt keine Gefahr,
jemandenbeim Einkaufen zu infizieren
Das Schlimmste ist, sie haben zweierlei nicht begriffen. Nämlich, dass diese "Alltagsmasken" ja sie selbst überhaupt nicht schützen und sicher in der freien Luft völlig überflüssig sind, und dass Schmierinfektion als Übertragungsweg eine absolut untergeordnete Rolle spielt. Dazu kommt, dass Einmalhandschuhe in dieser Situation wahre Keimschleudern sind. Gute Handhygiene (Händewaschen) ist vollkommen ausreichend und sowieso nie verkehrt.

Deutliche Ausnahme in all dem sind oft (meist männliche) Jungerwachsene, die untereinander in einer mediterranen Sprache kommunizieren. Im 'Halal'-Grill – Neuerscheinung in unserem Stadtviertel – ist es am Abend proppenvoll und lebendig. Fröhlich schwatzend und unmaskiert steht man aufs Essen wartend bei einander am Tresen und im Gastraum. Auch andernorts, auf der Straße, in Parks, sitzen oder stehen sie und unbeeindruckt zusammen oder gehen gemeinsam spazieren.

Ein paar Ladenlokale neben dem Grillrestaurant hat der indische Mini-Laden oben auf der Langnese-Eis-Preistafel einen handgeschriebenen Zettel stehen: Masken 1 Stück 1,79 EUR. 500 m weiter beim Schlüsseldienst: "Einwegmasken 2,00 EUR das Stück".

Vor der Bank (Geldautomat, Auszüge drucken) steht eine meterlange Schlange von bereits im Freien Mund-Nasen-Geschützten im 1,5 m Abstand. Nebenan vor dem Gemüsegeschäft, das ein langer Schlauch ist, das gleiche Bild. Hier können maximal 2 Kunden gleichzeitig drinnen bedient werden, aber die zahlreich anwesenden Verkäufer kommen auch nach draußen und bedienen die Vordersten in der Reihe dort.

Was ich so vermisse, ist die normale Lebendigkeit des Großstadtlebens. Selbst das allgemeine Lebenstempo scheint bei den Normalpassanten gedämpft. 
Wie überhaupt alles gedämpft ist. Trotz Hochsommer.
Wo ist die Lebensfreude der Menschen geblieben?

Die Allgegenwart der Mundschutze erinnert jede und jeden fortwährend an die ständig beschworene Bedrohung. Obwohl bei der jetzigen Zahlenlage die Wahrscheinlichkeit, jemandem mit dem C-Virus zu begegnen, kleiner ist, als 5 Richtige mit Zusatzzahl im Lotto zu haben.

Wenn ich nicht aufpasse, dann zieht es mich hinein in die Trauer um das verlorene urbane Leben, um die verlorene großstädtische Lebenslust. Dann steckt mich die allgemeine Stimmung an. Das kann, je nachdem, der furchtsame Grauschleier sein, der über allem liegt. Oder – vor allem bei 35-50-Jährigen – eine egozentrische Gereiztheit gegen alle, die nicht so funktionieren, wie sie sich das vorstellen.

Und so stupst auch hier wieder die C-Virus-Krise mich mit der Nase auf das, was zu lernen ist. 
Wie ja schon von Anfang an:
Lebe im Moment.
Mach dich unabhängig von allgemeinen Stimmungen und Ausstrahlungen.
Sei Du selbst.


Dienstag, 7. Juli 2020

Umsonst und draußen


Mit einer herzlichen Bitte um Entschuldigung für das verspätete Erscheinen des heutigen Blogs.

Seit Mitte Juni, seit ich in Frankfurt verbleibe, bin ich beinahe jeden Tag ausführlich unterwegs.
Mit dem Rad. Oder zu Fuß. 

Solange die Maskenpflicht besteht, benutze ich möglichst keine öffentlichen Verkehrsmittel, und so lege ich alle Wege auf diese Weise zurück. Da ich wegen der Maskenpflicht auch keine Museen und Konzerte besuche, bleibt das "Draußensein" - abgesehen von gelegentlichen Treffen mit Leuten - als einzige Abwechslung, einzige Art und Weise, neue Eindrücke zu erleben.

Da bin ich offenbar nicht die einzige.
Ich kann mich nicht erinnern, jemals erlebt zu haben, dass sich so viele Menschen 'draußen' aufhalten.

Noch nie habe ich in Frankfurt so viele Menschen auf Rädern gesehen. Die Anzahl derjenigen, die radelnd Entfernungen überbrückt, Einkaufen fährt oder zu/von der Arbeit, grenzt an niederländische Verhältnisse. Nicht mehr nur Freizeit-Radler plus ein paar Ökos plus die unvermeidlichen jung-dynamischen Großstadt-Businessmen im Anzug auf dem Sportrad. Nein, man und frau ist offenbar massenhaft aufs Rad umgestiegen. Allerdings haben diese Massen weder die niederländische Professionalität noch die niederländische Gelassenheit auf dem Rad. 

Dass viele von den Radlern, die mir begegnen, relative Neulinge auf diesem Verkehrsmittel sin, ist darum auch oft genug zu merken.
Oder zu sehen. Die Firma Ortlieb muss in den letzten Monaten Rekordumsätze gebucht haben, gemessen an der Anzahl niegelnagelneuer Ortlieb-Packtaschen, die ich an den oft ebenso niegelnagelneuen Rädern hängen sehe. Auch das im  Unterschied zu den Erfahrungen, die ich in den Niederlanden mache. Dort ist die Mehrzahl der Packtaschen an den Rädern schlicht und alltagstauglich, zu schließen mit einer einfachen Klappe durch Klickverschluss, wobei dieser meistens nicht einmal eingerastet wird. Zum alltäglichen "fietsen" (Fahrradfahren) käme wohl kaum jemand auf die Idee, schweineteure 110% wasserdichte Touren-Packtaschen ans Rad zu hängen. Schließlich legt man üblicherweise zum Einkaufen keine rekordverdächtigen Abstände zurück.

Noch nie auch habe ich so unglaublich viele joggende Menschen erlebt. Nicht einmal in der Hoch-Zeit dieser Fitness-Aktivität, als durch den mager gewordenen Joschka Fischer das Joggen plötzlich in aller Füße und Beine war. 
Ein inzwischen überholter Artikel aus dem April zum Joggen
Egal, wo ich mit dem Fahrrad herumtoure, in einem der großen Parks, auf dem ehemaligen Bundesgartenschau-Gelände, heute Niddapark genannt oder in den Anlagen in der Nähe der Siedlung - mir kommen schwitzende und mehr oder weniger schnaufende Läufer/innen en masse entgegen oder werden von mir überholt.
Zugegebenermaßen sind diese Begegnungen nicht meine liebsten. Ich passiere schweißtriefende, in unter-schiedlichem Maß schwer atmende Menschen. Oft, ohne den passenden Abstand einhalten zu können. Schon in der Vergangenheit war ich keine Freundin davon, beim Passieren eines Joggers mit Schweißtröpfchen beschleudert zu werden oder bei der Begegnung mit einer im Schweiße ihres Angesichts Trainierenden deren erhitzten Atem zugeblasen zu bekommen.
Die Abneigung ist in diesen Zeiten sicher nicht kleiner geworden.

Oft genug frage ich mich, wie sinnvoll das Gelaufe ist. Zum Beispiel an Tagen wie vergangenes Wochenende, wo ich bei hoher Luftfeuchtigkeit und Temperaturen knapp unter 30°, im mittäglichen Sonnenschein, auf meinem Weg zum Palmengarten reichlich Laufliebhaber/inne/n begegnete.

Meine persönliche These ist, dass es hier nicht nur um "gesund an der frischen Luft" geht. Man schaut diesen Menschen vermutlich darum normalerweise nicht beim Schwitzen zu, weil sie in einer der in dieser Stadt in unfassbarem Ausmaß anwesenden Muckibuden an irgendwelchen Geräten ächzen und stöhnen. Was in den letzten Monaten ja nicht ging und vermutlich trotz umgebauter Studios vielen noch immer nicht ganz geheuer ist.

Nicht gratis. Und doch übervoll: der Palmengarten am letzten Sonntag.
Auf dem Weiher ein Betrieb wie sonst am Rosen- und Lichterfest.
Auch hier dominieren die Familien mit Kindern. Aus ihrem Sozialverhalten
zu schließen meistens aus der SUV-Generation.
Auch viel, viel mehr Spaziergänger, vor allem jüngere, darunter sehr viele Eltern mit Kindern, sind unterwegs. 
Die Spielplätze sind bevölkert, wie seit meiner Kindheit nicht mehr.
Und es wird auf den Rasenflächen zusammengesessen, mit Abstand oder auch nicht. Es wird gepicknickt, gespielt, sich unterhalten. Und gegen Abend fungiert das Ganze als Kneipen- und Restaurant-Ersatz. Die Papierkörbe in den Parks quellen über, Pizzakartons und Behältnisse von Abhol-Mahlzeiten liegen herum. Ich sehe zwei Jungerwachsene auf einer Bank, zwischen sich in halbleeres Sixpack, oder fünf Jugendliche auf einer anderen Bank, jede/r mit irgendeinem Fläschchen Getränk in der Hand. Ein besonderes Bier oder was auch immer.
Ganz offenbar verlagern jetzt im Sommer ganz viele Menschen ihr Leben nach draußen.

Selbst das gute, alte Frisbee habe ich bei einer Gruppe junger Menschen wieder in Aktion gesehen.

Jetzt noch ein Grüppchen, das um eine Person mit Gitarre herum sitzt und knutschende Pärchen irgendwo auf der Wiese, und es ist beinahe wie in den seligen Hippie-Zeiten.

Nur ließen wir damals keine Pizzakartons, Schickimickibierfläschchen und Pringelsverpackungen auf dem Gras zurück.

Gesehen 1976 in einer Töpferei auf Kreta.
Die Zeit, wo man noch einfach so am Strand schlafen
durfte und die Höhlen von Matala bevölkert waren
von Hippies.

Donnerstag, 2. Juli 2020

Augenarzt


Auch ich konnte durch den Lockdown bestimmte Arzttermine nicht wahrnehmen. Eine eigentlich notwendige Kontrolle beim Augenarzt wurde von Ende März nach Oktober verschoben.

Naja, nicht ganz. Gestern musste ich von jetzt auf gleich meine Augen nachsehen lassen. Hier in Frankfurt.

Bislang hatte ich bezüglich bestimmter Aspekte des niederländischen Gesundheitssystems schwere Vorbehalte. Z.B. gegenüber der Tatsache, dass Fachärzte nicht frei gewählt werden können. In den Niederlanden existieren ausschließlich Polikliniken, in denen angestellte Fachärzte arbeiten. Menschen werden durch ihre Hausärzte dorthin überwiesen, wobei in städtischer Umgebung, in der mehrere Krankenhäuser mit den ihnen angeschlossenen Polikliniken existieren, eine gewissen Wahlfreiheit besteht. Auf welche Ärztin/welchen Arzt man dann in der Poliklinik trifft, ist Zufall. Es ist nicht möglich zu sagen: ich möchte gerne zu Herrn Dr. Y oder Frau Dr. X. Idealerweise hat man dann zukünftig aber immer Kontakt mit derselben Ärztin/Arzt.
Andererseits: es gibt im niederländischen Gesundheitswesen kein zwei-Klassen-System. Es gibt keine "Privatpatienten". In den Unikliniken machen die Damen und Herren Professores genauso Dienst in der Normalsprechstunde wie alle anderen Ärztinnen und Ärzte.
Und alle Mitarbeitenden in den Krankenhäusern sind ausgebildet, sich gegenüber den Patient/inn/en respektvoll und patientenzentriert zu verhalten. Alle. Von der Sekretärin bis zum höchstdekorierten Facharzt/-ärztin. Die Patientenzufriedenheit wird mit regelmäßigen Fragebogen-Aktionen überprüft.

Wie hoch das zu wertschätzen ist, weiß ich seit gestern.

Die Beschwerden am Auge, mit denen ich kämpfte, können zu einem relativ harmlosen "Alterungsprozess" gehören, aber auch Anzeichen für Schäden an der Netzhaut sein. Deswegen werden meine Augen ja regelmäßig kontrolliert. Eigentlich.
In meiner Not wandte ich mich an eine Praxis, in der ich vor vier Jahren hervorragende Erfahrungen gemacht hatte. Damals hatte der mir noch relativ jung erscheinende Arzt sich gerade niedergelassen. Gut gelaunt, kompetent und mich patientenzentriert ernst nehmend hatte er mich damals behandelt. War auf alles gut eingegangen und hatte sich ausreichend Zeit genommen.

Damals.

Schon am Telefon hatte ich es jetzt mit einer schnippischen, jugendlichen Assistentin zu tun. Ein späterer Blick auf die Website lehrte mich, dass Herr Dr. ausschließlich zwei Auszubildende beschäftigt hat, keine voll ausgebildete Arzthelferin.
Das Schnippische setzte sich in der Praxis fort. Meine Daten waren von damals noch im PC, aber ich musste das Anmeldeformular erneut ausfüllen. Als ich das nicht in der erwarteten Zeit erledigt hatte – wer kennt schon die Postleitzahl der Haus- und Augenarztpraxis, hier musste Rat im www gesucht werden – war das schnippische Fräulen überdeutlich 'not amused'.

Im gleichen Fall in der NL-Klinik hätte ich zu hören bekommen: Ist in Ordnung, mevrouw, nehmen Sie sich in aller Ruhe die Zeit, die Sie brauchen. 
Ernst gemeint. Nicht zynisch.

Nächster Schritt: die Voruntersuchungen. Durch die Assistentinnen-Lehrlinge. Alles sehr husch-husch und wie am Fließband. Es waren gleichzeitig mit mir fünf Mitpatient/inn/en im Wartezimmer gewesen.
Dann mussten die Pupillen-erweiternden Tropfen ins Auge gegeben werden. Hier war es überdeutlich zu merken, dass mir eine Azubine gegenüber saß. Sie tropfte enorm ungeschickt, 2/3 gingen daneben, das machte aber nichts bezüglich des benötigten Effektes, denn sie drückte so hart auf das Fläschchen, dass ein dicker Schwung auf einmal herauskam. Vom Tränenkanal zuhalten hatte sie offenbar noch nie gehört (in 'meiner' niederländischen Augenklinik Standard, die Tropfen können sonst auch auf den restlichen Körper wirken). Und um die nun an meiner Wange Richtung Maske laufende Flüssigkeit wegtupfen zu können, musste ich um einen Zellstofftupfer bitten. Die Azubine hatte nicht einmal gemerkt, dass meine Wange nass war wie bei einem Heulanfall.

Wie sehnte ich mich nach der Augenklinik in Groningen, in der die medizinischen Assistentinnen, die diese ganzen Voruntersuchungen tun, ein eigenes Sprechzimmer haben, in dem alles gelassen und in Ruhe abläuft. Auszubildende laufen immer mit voll ausgebildeten Kräften mit, und man wird explizit um Einverständnis gefragt, wenn sie praktische aktiv werden sollen. Die Anamnese, auf der basierend später die Ärztin mir begegnet, wird sehr sorgfältig aufgenommen. Die Tropfen werden sehr wohldosiert, aufmerksam und sorgsam verabreicht, und selbstverständlich wird der Tränenkanal zugehalten und erhalte ich einen Zellstofftupfer, um das dann selbst weiter zu tun. Die ganze Zeit bekomme ich das Gefühl vermittelt, nicht nur als "Verdacht auf…" dazusitzen, sondern als Mensch mit Gesundheitsbeschwerden wahrgenommen und ernst genommen zu werden.

Zurück ins Frankfurter Wartezimmer, in dem ich nun mit meinem getropften Auge saß und warten durfte, bis die Tropfen wirkten. Und schon steht wieder eine Assistentin an meinem Stuhl und verpasst mir, ohne zu kontrollieren, ob es überhaupt nötig ist, eine zweite Ladung der gleichen Tropfen. Ich bat sie noch, doch erst zu kontrollieren – aber das wischte sie weg mit einem Hinweis auf meine dunklen Augen, bei denen man immer zweimal tropfe. Überdosis. Das merkte ich später am Tag, denn ich hatte 12 Stunden später noch immer Sehprobleme. Immerhin war diese Helferin in Ausbildung schon ein Ausbildungsjahr weiter und somit erfahrener, dosierte besser und hatte ein Stückchen Zellstoff für mich zum trockentupfen mitgebracht. Damit konnte ich mir dann selbst den Tränenkanal zuhalten.

Irgendwann später wurde ich von einem Arzt in modischem Schwarz ins Sprechzimmer gerufen. Vom Sehen her beeinträchtigt, fiel mir nicht gleich auf, dass das nicht mein Dr. von damals war. Er war zwar auch jung, sah aber irgendwie völlig anders aus als der Arzt, den ich in Erinnerung hatte.
Er hielt es nicht für nötig, sich mir vorzustellen und somit das Rätsel zu lösen. Vage schoss mir durch den Kopf, dass auf der Website gar nichts stand von weiteren, in der Praxis mitarbeitenden Ärzten…

Kurze Frage nach den Symptomen, die er auf dem Bildschirm vor sich aufgeschrieben sah. Routinierte, aber auch sehr abgezirkelte Schnell-Schnell-Untersuchung. Mitteilung, dass das vorläge, was mir schon bekannt war. Plus etwas, von dem ich noch nichts wusste, aber nur im Anfangsstadium. Das sei durchaus 'altersgerecht'.
Die Netzhaut sei in Ordnung.

Damit wollte er abschließen. Leider musste er noch ein paar Fragen von mir aushalten. Was ihm nicht schmeckte. Jede Antwort gab er in einem abschließenden Tonfall. Machte aber nichts. Wofür hat der Mensch früher mal Gesprächsführung gelernt?
In diesem Nachgespräch fiel dann im Nebensatz "Der Chef operiert heute."
Ach, er sei gar nicht der Dr. Augenarzt?
Nein.
Wie nochmal sein Name sei? konnte ich mir nicht verkneifen zu fragen.
Dass er die Botschaft begriffen hat, wage ich zu bezweifeln.

Kurze Erklärung, was ich weiter tun solle, worauf achten und dann: "In drei Wochen sehen wir Sie dann wieder zur Kontrolle!" Hä? Ich war doch als Auslands-Notfall hier ...?...
"In drei Wochen gehe ich in den Niederlanden zum Augenarzt" verbesserte ich ihn.
Hm...

Dies wäre in 'meiner' Augenklinik ebenfalls anders abgelaufen. Auch dort spricht die Ärztin kein überflüssiges Wort. Trotzdem ist ein gutes Arzt-Patienten-Gespräch die Regel. Ich kann alle Fragen stellen, ohne das sie Zeitdruck erkennen lässt.

Nachdem ich mich im Nachhinein mit den Rezensionen dieser Praxis nochmal befasst habe,viel es mir wie Schuppen von den Augen.
Die Praxis hat zwar eine Bewertung von 1,6. Aber: der Löwenanteil der Bewertungen kommt von Privatpatient/inn/en oder von Leuten, die gelasert wurden oder eine andere OP hatten.
So wie es sich heute anfühlt, ist die ganze Praxis basierend auf  Zusatzleistungen und OPs gebaut. Business. Verdienmodell. Das versorgende Normalgeschäft ist nur das Kleinvieh, das auch Mist macht.

Klarer Fall von Ent-Täuschung.

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