Mitte März bis 10. April 2020 täglich. Ab 11. April 2020 erscheinen die Beiträge jeden zweiten Tag. Ab Montag, 22. Juni 2020 immer Montag und Donnerstag abends. Ab Montag, 13. Dezember 2021 am Montagabend nach 22 Uhr.


Montag, 25. Juli 2022

Historie

Titelbild des ersten Bandes, zu bestellen hier

Mit meinem eigentlichen Blog-Thema hat mein heutiger Text auf den ersten Blick nicht viel zu tun.
Allenfalls indirekt, insofern als wir das, was wir heute erleben, auch als Folge dessen begreifen können, was damals begann. Zur Zeit lese ich den 2. Band einer kleinen Serie von Büchern aus dem filos Verlag in Nürnberg, die sich mit den Jahren nach 1989 in den beiden Deutschlands befassen, die damals zusammengefügt wurden durch den Beitritt der DDR zur BRD.
Kritische Geister nennen diesen Beitritt Anschluss.

Wie auch immer.

Der erste Band heißt "Einer muss ja hierbleiben"  und erzählt, wie Menschen aus dem Gebiet der ehemaligen DDR diese Jahre gelebt und erlebt haben, in denen in ihren Leben kein Stein auf dem andern blieb. Ein großartiges und sehr, sehr lesenswertes Buch, das selbst mir eine Menge neue Einsichten und neues Begreifen gebracht hat, die ich mit zahlreichen Menschen befreundet bin, die in der DDR aufgewachsen sind und die großenteils auch heute noch in Ostdeutschland leben. Auch meine eigenen Erinnerungen an die Zeit damals wurden beim Lesen wieder lebendig, das ganze Staunen, aber auch das Erschrecken, die Scham, das Entsetzen, die Hilflosigkeit angesichts dessen, wie mit den Menschen der ehemaligen DDR und mit dem umgesprungen wurde, das sie aufgebaut hatten.
Echtes Zusammengehen, Zusammenwachsen hätte anders ausgesehen.

Der zweite Band hat den Titel "Abenteuer im Wilden Osten" und "versammelt Erfahrungsberichte von Zeitzeugen, die in den Jahren nach der Wende 1989/90 aus den alten in die neuen Budesländer zogen." (Klappentext)

Titelbild des zweiten Bandes, zu bestellen hier

In diesem zweiten Band lese ich aktuell.

Wie auch beim ersten Band immer schön in kleinen Häppchen, weil mir sonst die Emotionen zu sehr durchgehen. Die Autorinnen und Autoren erinnern mit wachem und kritischem Geist diese Periode, in der Vieles alles andere als gut gelaufen ist und in der sich viele Akteure der politischen und wirtschaftlichen Bühne wahrlich nicht mir Ruhm bekleckert haben.

Ein Abschnitt ist mir heute morgen besonders bitter aufgestoßen. Er steht im Bericht eines Mannes, der 1991 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FU Berlin war, damals 41 Jahre alt, und der für knapp 2 Jahre als Mitarbeiter einer Firma der Erwachsenenbildung ins Vogtland entsendet wurde. Es wurden vor allem Kurse nach §41 des Arbeitsförderungsgesetzes angeboten. "Die Inhalte: Politische und soziale Ordnung der Bundesrepublik, Arbeitsrecht, Gruppendynamik, Bewerbungstraining etc." Später folgten Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen, "die von da an die Grundlage des Unternehmens bildeten". (S. 32) Er analysiert scharfsinnig, und es macht so gesehen Freude, den Text zu lesen.

"Wendezeiten. Auch für mich eine 'Wende', doch nicht als Teil eines auseinanderfallenden 'Kollektivs' der relativen Gleichheit [wie für die Menschen, die in der DDR aufgewachsen waren und gelebt hatten Anm. D.S.], sondern im Bewusstsein eines Einzelnen, der begriff, dass die Verantwortung für das, was ihm widerfuhr, selbst wenn es als machtvolle Maßnahme 'von oben' daherkam, und gerade dann, ihm aufgebürdet wurde und der als Folge Mitleid und Verachtung zu spüren bekam." lese ich und denke: ja, so hat sich das angefühlt.

Und weiter: "Allmählich verschob sie die Achse des gesellschaftlichen Lebens. Die systembedingte Kälte bestimmte nicht nur das Leben des Einzelnen, sondern sorgte auch dafür, dass der Widerstand verkümmerte und der Prototyp des auf sich selbst bezogenen Machers aufstieg und seine Feste nun auch im Osten zu feiern begann. Mit dem Untergang des Realsozialismus veränderte sich das politische Klima im Westen und bereitete, publizistisch breit unterstützt, den Boden für eine Politik vielfältiger Deregulierungen, die den Interessen der gesellschaftlichen Mehrheit schweren Schaden zufügten." (S. 40)

Genau.so.war.das.

Gefühlt, wahrgenommen hatte ich das damals, und erst recht dann in den folgenden Jahren. Nur - ich hätte es niemals so treffend und schön in Worte fassen können, wie es diesem Autor gelungen ist.

Nachdem ich den Absatz gelesen hatte, musste ich erst einmal pausieren. Und jetzt, wenn ich ihn abtippend erneut lese, wird mir wieder genauso übel wie heute morgen beim ersten Lesen.

Tatsächlich können oder müssen wir sogar das, was wir heute erleben, letztlich als Folge dessen begreifen, was damals geschehen ist. Diesen Brocken so klar auf einem Tablett mit Spitzendeckchen serviert zu bekommen, gibt mir ziemlich was zu Knabbern!

Foto: Pixaby lizenzfrei

"So lange geht das schon!" denkt es in mir entsetzt, "damals also hat das angefangen."
Kohls Versprechungen der "Blühenden Landschaften" als Nachfolger von Willy Brandts "Wir wollen mehr Demokratie wagen".

Manchmal ist es nicht schön, einen Blick zurück in die Geschichte zu wagen.
Aber aufschlussreich.
Und lehrreich.

Montag, 18. Juli 2022

Angst essen Seele auf

Vor ein paar Wochen erhielt ich im Rahmen einer meiner beiden spirituellen Gruppen in Groningen von einer von uns ein überraschendes Geschenk. Sie war mit den Ideen und der Arbeit von Joe Dispenza in Kontakt gekommen und davon so beeindruckt und begeistert, dass sie jedem von uns eines seiner wichtigen Bücher zum Geschenk machte: "Werde übernatürlich. Wie gewöhnliche Menschen das Unnatürliche erreichen." - in der niederländischen Version natürlich 😊.

Erst wusste ich nicht so recht, was ich mit diesem Buch anfangen sollte. Im vergangen Jahr war mir Joe Dispenza schon einmal begegnet. Von irgendeiner niederländischen Seite, deren Newsletter ich abonniert habe, hatte ich die Einladung zu seinem Online-Kurs "The Formula" bekommen und in den Kurs und die zugehörigen Meditationen hineingeschnuppert. Mit Dispenzas sehr US-amerikanischer Art und vor allem mit seiner Sprechweise in den Meditationen konnte ich recht wenig anfangen, und so ließ ich das Ganze wieder sein. Darum wusste ich zunächst auch nicht, wie mit diesem Geschenk umgehen.

Aus ganz anderer Ecke kam dann Dispenza erneut auf mich zu, nämlich durch Menschen aus der Gruppe, die sich bei liebevoll.jetzt gefunden hat und in regelmäßigem Austausch mit einander steht. Sie hatten an der 2022er Neuauflage von "The Formula" teilgenommen und reagierten völlig begeistert auf die Lektionen und die Meditationen. Wenn es innerhalb kurzer Zeit aus zwei ganz unterschiedlichen Ecken auf mich zukam, musste wohl doch irgendetwas dran sein.

Etwas offener geworden machte ich mich an die Lektüre des Buchgeschenkes; übrigens eine phantastische Ausgabe im A4 Format, mit vielen Grafiken und einem sehr angenehm zu lesenden Schriftbild. Nur aufgrund des Formates ungeeignet zur Lektüre in liegender Haltung. Aber auch der Stoff will eher in aufrechter Sitzhaltung wahrgenommen werden. Also passt das.

Was soll ich sagen – ich bin positiv überrascht. Was ich lese, ist sehr erhellend und macht mir eine
Menge Dinge noch einmal neu deutlich. Zur Zeit lese ich das 2. Kapitel, in dem es u.a. um Epigenetik geht, um die noch gar nicht so lange bekannte Erkenntnis, dass unsere genetische Struktur alles andere als unveränderbar ist. Im Gegenteil. Epigenetik befasst sich genau damit, wie unsere gesamte Umwelt – innerhalb und außerhalb unseres Körpers – unsere genetischen Strukturen verändert!

In diesem Zusammenhang berichtet Dispenza von einer Untersuchung, die sein Team 2016 im Rahmen eines Fortgeschrittenen -Workshops machte:

"Während unseres viertägigen Workshops baten wir die Studienteilnehmer, dreimal täglich für 9–10 Minuten in einen Zustand höherer Emotionen wie Liebe, Freude, Inspiration oder Dankbarkeit zu wechseln. Wir fragten uns: Ist es durch höhere Emotionen möglich, das Immunsystem zu stärken? Oder anders gesagt: Können unsere Studierenden die Gene für IgA einfach durch das Wechselnin andere emotionale Verfassungen hochregulieren?"

IgA, Immunglobulin-A, erklärt Dispenza, Immunglobin-A, "ist ein Proteinmarker, der Hinweise auf die Stärke des Immunsystems gibt. IgA ist eine unglaublich wirkungsvolle chemische Substanz und eines der wichtigsten Proteine für eine gesunde Immunfunktion und die Immunabwehr; es kämpft ständig gegen eine ganze Flut von Bakterien, Viren, Pilzen und anderen Organismen, die ins innere Milieu des Körpers eindringen oder sich bereits eingenistet haben. (…) Ist es aktiviert, dient es als wichtigstes inneres Abwehrsystem des menschlichen Körpers. Steigt der Stresspegel (und damit der Spiegel der Stresshormone wie Cortisol), sinkt der IgA-Spiegel, und das schwächt die Genexpression des Immunsystems für die Produktion dieses Proteins."

Und ja! Tatsächlich veränderte diese tägliche Übung den Spiegel des IgA im Körper deutlich; die durchschnittlichen IgA-Werte der Probanden stiegen um ca. 50% an. (S. 82f)*)

Jetzt erst wurde mir bewusst, wirklich tief bewusst, erkannte ich wirklich auf allen Ebenen – gewusst hatte ich es schon lange – was für ein unglaublicher Hammer die Angstmache war und ist, die seit Beginn 2020 immer wieder auf die Menschen losgelassen wird.
Angstmache, die im Wortsinn krank macht!

 

Etwas in mir kann es einfach nicht fassen, dass noch immer und immer wieder in diese Werkzeugkiste gegriffen wird. Damit werden die Menschen geschwächt in ihrer Abwehrkraft, wo sie doch eigentlich gestärkt werden müssten!

Wie.Kann.Man.Als.Politiker.Sich.Wagen.
Den.Menschen.Das.anzutun???

Immer wieder und immer neu die Angst vor Ansteckung, die Angst vor Krankheit, die Angst vor Leiden und schwerem Todeskampf zu schüren, nimmt den Menschen nicht nur die psychische Lebenskraft. Nein, es schwächt auch wörtlich ihr Immunsystem! Und zwar heftig.
Das ist ganz und gar verantwortungslos!

Da saß ich dann, das große, schwere Buch auf den Knien, und war fassungslos.
Im Grunde bin ich das noch immer.
Darin zu verharren bringt allerdings nichts. Also:


Es klingt so einfach – nur drei Mal täglich ca 10 Minuten ganz bewusst Liebe, Freude, Dankbarkeit, Inspiriertheit pflegen und empfinden.
Ist im Lebensalltag mit seinen vielen Automatismen aber gar nicht so einfach zu erreichen. Braucht eine Anstrenung. Natürlich ist dies das Gleiche, was ich auf vielfältige Weise schon in anderen Worten in diesem Blog immer wieder einmal erwähnt habe, und was auch alle Weisheitslehrer in immer anderen Formulierungen nicht müde werden, zu sagen.
Es gibt kaum etwas wichtigeres, als sich um diese Emotionen von Liebe, Freude, Dankbarkeit, Mitgefühl, Inspiriertheit zu kümmern. Schon allein fürs Wohlbefinden.

Und das nicht nur subjektiv, gefühlt.
Nun habe ich es also auch noch wissenschaftlich erwiesen schwarz auf weiß gesehen:
es ist ganz und gar der Mühe wert!

*) Just dieses zweite Kapitel kann übrigens als pdf hier beim Momanda-Verlag heruntergeladen werden. Zu-Fälle gibts...

Montag, 11. Juli 2022

Eurythmics

Eurythmiefigur "E", Rudolf Steiner (1922)

Es kommt wieder Bewegung in mein Leben. Endlich.
In den letzten Wochen hatte sich irgendwie, wirklich "irgendwie"- ich kann gar nicht sagen wie es geschah-, ein ganz komischer Stillstand ausgebreitet, der mit allerlei Ungemach einherging. Natürlich vermisse ich Vieles, das bis vor zweieinhalb Jahren ganz selbstverständlich zu meinem Leben gehört hatte, und hat wohl die allgemeine Lähmung, die sich bei allem vordergründig-sommerlichen Aktionismus überall um uns her doch im Hintergrund über alles gelegt hat, auch auf mich ihre Auswirkungen gehabt.

Danken dafür, dass nun trotz allem etwas wieder in Bewegung kommt in meinem Leben und in mir, darf ich auch der Vertreterin meiner Hausärztin, die mit offenem und interessiertem Blick nach dem schaute, was ich ihr schilderte und mir empfahl, (wieder) Heileurythmie zu machen.

Diese Idee und die Möglichkeit, ziemlich schnell damit wieder anfangen zu können, gaben mir auch an anderen Stellen Schwung, und so gehe ich morgen endlich wieder einmal zum Haareschneiden (ich war erneut eine Weile der Versuchung erlegen, das Haar doch ein bisschen mehr wachsen zu lassen). Ich freue mich jetzt enorm auf den Moment, in dem mir aus dem Spiegel wieder diejenige entgegenschaut, die ich dort zu sehen erwarte. Und nicht eine ältere Dame mit wirrem Silberhaarschopf. Auch werden wir wieder einmal nach Bunde zum Einkaufen fahren, wiederum eine willkommene Abwechslung zum dörflichen Einerlei. Im Gepäck werden wir auf dem Rückweg dann auch wieder einen bis zwei Kästen Mineralwasser in Glasflaschen haben; hier gibt’s nur 1,5-l-Einzelflaschen aus PET. Jedes Land hat so seine Gewohnheiten...

Eurythmiefigur "I", Rudolf Steiner (1922)
Aber zurück zum Bewegen.

Für diejenigen, denen sowohl der Begriff Eurythmie (was man auch mit "schöne Bewegungen" übersetzen kann) als auch "Heileurythmie" völlig unbekannt sind, habe ich hier die Definition zur Heileurythmie von der Website des Berufsverbandes Heileurythmie kopiert:

"Beim gesunden Menschen wirken die Kräfte der physischen, seelischen und geistig-individuellen Ebene harmonisch ineinander. Eine Erkrankung ist eine Störung dieser Kräftekonstellation. Gezielte heileurythmische Bewegungsübungen bringen diese Ebenen wieder in ein gesundes Gleichgewicht. Der Patient kann in therapeutischer Begleitung den Heilungsprozess selbst aktiv mitgestalten."

Im Therapeutikum in Groningen hat vor einigen Monaten eine neue Heileurythmistin ihre Zelte aufgeschlagen, nachdem diejenige, bei der ich vor ein paar Jahren meine Eurythmiestunden hatte, in Ruhestand gegangen ist. Auch von daher war also bereits Bewegung in das Ganze gekommen.
Andere Hausärztin, wenigstens zeitweise; andere Eurythmistin; neue Perspektiven.

Heute hatte ich meine erste Stunde.

Nach dem Klassiker, der am Beginn jeder Eurythmiestunde steht, die Bewegungsfolge zu den Buchstaben I-A-O, die hilft sich zu zentrieren, stellte mir die Eurythmistin eine wundervolle Folge von Bewegungen vor zum Üben in der Stunde und dann auch zuhause:

"Hallelujah"

In der Eurythmie gibt es zu jedem Buchstaben, eigentlich zu jedem Buchstabenlaut charakteristische Bewegungen, die in einem solchen ganzen Wort fließend mit einander verbunden werden. Das „Hallelujah“ war das erste Wort, das 1912 in der Eurythmie durch Lori Smits, unter Leitung Rudolf Steiners, sichtbar gemacht wurde, habe ich auf der Webseite der Berliner "Schule für Eurythmische Art und Kunst" gelesen.

Eurythmiefigur "A", Rudolf Steiner (1922)
 

 
Ich war direkt berührt von diese Bewegungsabfolge, fühlte eine Art inneres Glück.
Nachdem ich mich zunächst gefragt hatte, wie ich das je behalten solle, war ich dann doch erstaunt, wie leicht ich den Ablauf nachtanzen konnte und wie er sich meinem Gedächtnis eingeprägt hat.

Ganz beseelt lief ich nach dieser Stunde sanfter Körperarbeit zurück zum Bahnhof. Das bewusste Bewegen hatte mir enorm Freude gemacht. Bewegung fehlt eben doch sehr in meinem Leben.
Nun habe ich eine abendliche Bewegungsabfolge, die ich als Vorbereitung zum Schlafengehen machen kann.
Aus der Vorfreude auf meine kleine, ruhige Abendgymnastik heraus habe ich auch diesen heutigen Blog geschrieben.

Viel gelesen