Mit einer herzlichen Bitte um Entschuldigung für das verspätete Erscheinen des heutigen Blogs.
Seit Mitte Juni, seit ich in Frankfurt verbleibe, bin ich beinahe jeden Tag ausführlich unterwegs.
Mit dem Rad. Oder zu Fuß.
Solange die
Maskenpflicht besteht, benutze ich möglichst keine öffentlichen Verkehrsmittel,
und so lege ich alle Wege auf diese Weise zurück. Da ich wegen der Maskenpflicht
auch keine Museen und Konzerte besuche, bleibt das "Draußensein" - abgesehen von gelegentlichen Treffen mit Leuten - als
einzige Abwechslung, einzige Art und Weise, neue Eindrücke zu erleben.
Da bin ich
offenbar nicht die einzige.
Ich kann mich
nicht erinnern, jemals erlebt zu haben, dass sich so viele Menschen
'draußen' aufhalten.
Noch nie habe ich
in Frankfurt so viele Menschen auf Rädern gesehen. Die Anzahl derjenigen,
die radelnd Entfernungen überbrückt, Einkaufen fährt oder zu/von der Arbeit,
grenzt an niederländische Verhältnisse. Nicht mehr nur Freizeit-Radler plus ein
paar Ökos plus die unvermeidlichen jung-dynamischen Großstadt-Businessmen im
Anzug auf dem Sportrad. Nein, man und frau ist offenbar massenhaft aufs Rad
umgestiegen. Allerdings haben diese Massen weder die niederländische Professionalität
noch die niederländische Gelassenheit auf dem Rad.
Dass viele von
den Radlern, die mir begegnen, relative Neulinge auf diesem Verkehrsmittel sin,
ist darum auch oft genug zu merken.
Oder zu sehen. Die Firma Ortlieb muss in den
letzten Monaten Rekordumsätze gebucht haben, gemessen an der Anzahl
niegelnagelneuer Ortlieb-Packtaschen, die ich an den oft ebenso
niegelnagelneuen Rädern hängen sehe. Auch das im Unterschied zu den Erfahrungen, die ich in den
Niederlanden mache. Dort ist die Mehrzahl der Packtaschen an den Rädern
schlicht und alltagstauglich, zu schließen mit einer einfachen Klappe durch
Klickverschluss, wobei dieser meistens nicht einmal eingerastet wird. Zum
alltäglichen "fietsen" (Fahrradfahren) käme wohl kaum jemand auf die
Idee, schweineteure 110% wasserdichte Touren-Packtaschen ans Rad zu hängen.
Schließlich legt man üblicherweise zum Einkaufen keine rekordverdächtigen
Abstände zurück.
Noch nie auch
habe ich so unglaublich viele joggende Menschen erlebt. Nicht einmal in der
Hoch-Zeit dieser Fitness-Aktivität, als durch den mager gewordenen Joschka
Fischer das Joggen plötzlich in aller Füße und Beine war.
Ein inzwischen überholter Artikel aus dem April zum Joggen |
Egal, wo ich mit dem
Fahrrad herumtoure, in einem der großen Parks, auf dem ehemaligen
Bundesgartenschau-Gelände, heute Niddapark genannt oder in den Anlagen in der
Nähe der Siedlung - mir kommen schwitzende und mehr oder weniger schnaufende
Läufer/innen en masse entgegen oder werden von mir überholt.
Zugegebenermaßen
sind diese Begegnungen nicht meine liebsten. Ich passiere schweißtriefende, in
unter-schiedlichem Maß schwer atmende Menschen. Oft, ohne den passenden Abstand
einhalten zu können. Schon in der Vergangenheit war ich keine Freundin davon,
beim Passieren eines Joggers mit Schweißtröpfchen beschleudert zu werden oder
bei der Begegnung mit einer im Schweiße ihres Angesichts Trainierenden deren
erhitzten Atem zugeblasen zu bekommen.
Die Abneigung
ist in diesen Zeiten sicher nicht kleiner geworden.
Oft genug frage
ich mich, wie sinnvoll das Gelaufe ist. Zum Beispiel an Tagen wie vergangenes
Wochenende, wo ich bei hoher Luftfeuchtigkeit und Temperaturen knapp unter 30°,
im mittäglichen Sonnenschein, auf meinem Weg zum Palmengarten reichlich Laufliebhaber/inne/n
begegnete.
Meine persönliche
These ist, dass es hier nicht nur um "gesund an der frischen Luft"
geht. Man schaut diesen Menschen vermutlich darum normalerweise nicht beim
Schwitzen zu, weil sie in einer der in dieser Stadt in unfassbarem Ausmaß
anwesenden Muckibuden an irgendwelchen Geräten ächzen und stöhnen. Was in den
letzten Monaten ja nicht ging und vermutlich trotz umgebauter Studios vielen
noch immer nicht ganz geheuer ist.
Auch viel, viel
mehr Spaziergänger, vor allem jüngere, darunter sehr viele Eltern mit Kindern, sind
unterwegs.
Die Spielplätze sind bevölkert, wie seit meiner Kindheit nicht mehr.
Und es wird auf
den Rasenflächen zusammengesessen, mit Abstand oder auch nicht. Es wird
gepicknickt, gespielt, sich unterhalten. Und gegen Abend fungiert das Ganze als
Kneipen- und Restaurant-Ersatz. Die Papierkörbe in den Parks quellen über,
Pizzakartons und Behältnisse von Abhol-Mahlzeiten liegen herum. Ich sehe zwei Jungerwachsene
auf einer Bank, zwischen sich in halbleeres Sixpack, oder fünf Jugendliche auf
einer anderen Bank, jede/r mit irgendeinem Fläschchen Getränk in der Hand. Ein
besonderes Bier oder was auch immer.
Ganz offenbar
verlagern jetzt im Sommer ganz viele Menschen ihr Leben nach draußen.
Selbst das gute,
alte Frisbee habe ich bei einer Gruppe junger Menschen wieder in Aktion gesehen.
Jetzt noch ein Grüppchen, das um eine Person mit Gitarre herum sitzt und knutschende
Pärchen irgendwo auf der Wiese, und es ist beinahe wie in den seligen Hippie-Zeiten.
Nur ließen wir
damals keine Pizzakartons, Schickimickibierfläschchen und Pringelsverpackungen auf
dem Gras zurück.
Gesehen 1976 in einer Töpferei auf Kreta. Die Zeit, wo man noch einfach so am Strand schlafen durfte und die Höhlen von Matala bevölkert waren von Hippies. |
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