Mitte März bis 10. April 2020 täglich. Ab 11. April 2020 erscheinen die Beiträge jeden zweiten Tag. Ab Montag, 22. Juni 2020 immer Montag und Donnerstag abends. Ab Montag, 13. Dezember 2021 am Montagabend nach 22 Uhr.


Donnerstag, 15. Juli 2021

Salbenradtour

Ich hatte also vergessen, die verschriebene Salbe in der Krankenhausapotheke abzuholen.

Unbewusste Entscheidung – könnte ich mir sagen. Und das Ganze auf sich beruhen lassen. Sollen die doch in der Apotheke die Salbe wieder ins Regal räumen.
Andererseits, die Basissalbe ausprobieren will ich schon. Man weiß ja nie. Obwohl ich kein Fan bin von Salben auf Basis von Mineralölen (Vaseline und Paraffin).

Mein Mann schaute etwas säuerlich angesichts der Aussicht nochmal über den Highway nach Scheemda zu müssen. Immerhin gibt es auch Fahrradwege, die zum Krankenhaus führen. 2x 10 km müssen ja wohl zu schaffen sein.

Wenig schön: 24° Außentemperatur und gefühlte 100% Luftfeuchtigkeit. Zum Glück gibt es Fahrräder mit elektrischem Hilfsmotor, auch in unserer Garage steht sowas. Nun denn, mit vollem Happs Hineinbeißen in den sauren Apfel! Viel Wind stand nicht, aber war das jetzt ein Vor- oder ein Nachteil, bei dieser Luftfeuchtigkeit? Wie auch immer, schluppdiwupp, schon war ich unterwegs.

Wenn ich schon für die blöde Salbe nochmal aufs Fahrrad steigen musste, würde ich die Fahrt wenigstens genießen.

 

 

Landschaftlich gibt es an der Tour wirklich nichts auszusetzen. Man fährt einen großen Teil der Strecke am Kanal entlang, allerdings meist am Fuß des Kanaldeichs. Auf halber Strecke geht’s hinauf auf den Deich und ein Stückchen auf ihm entlang. Der Moment, an dem sich neben dem Blick auch mein Herz weitete und ein dicker Brocken des Ärgers von mir abfiel.

Nachdem man den Deich wieder verlassen hat, kommt ein langes, gerades Stück auf der ehemaligen Bundesstraße zwischen Scheemda und Zuidbroek. Sie wurde nach dem Anlegen der Autobahn zurückgebaut, eine Hälfte der Fahrbahn blieb als Fahrradweg erhalten.


Idyllisch wird es beim Hafen von Scheemda, von dem ein kleiner Seitenkanal abzweigt.
Die Klappbrücke muss von demjenigen, der aus dem Hafen in diesen Kanal abbiegen will, von Hand bedient werden. Der Schlüssel dazu befindet sich in einem Kasten seitlich der Brücke.








Der Kanal in der anderen Richtung, am Ende ist eine Schleuse, die auch von etwaigen abeneuerlustigen Bootfahrern selbst bedient werden muss. 

Entlang dieses kleinen Kanals führt der Weg weiter, dann unter einer Bundesstraßen hindurch, noch ein Stück auf einem ganz schmalen Beton-Radweg durch die Äcker, an ein paar abgelegenen Häusern vorbei, und dann ist man - in the middle of nowhere - beim Krankenhaus angelangt.

Wobei - rechts außerhalb des Bildes verläuft ein paar hundert Meter weiter die Autobahn A7, die von der deutschen Grenze nach Groningen führt. Die Planer dachten beim Planen an gute Erreichbarkeit. Was aber nur für Autofahrer gilt. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln dorthin reisen ist - abenteuerlich.

 

Aber ich war ja mit dem Rad.
Genug Fahrradparkplätze gibt's auf jeden Fall.

(Übrigens steht nirgends unterwegs ein Hinweis, wie man mit dem Rad zum Krankenhus kommt. Keine Fahrradweg-Wegweiser, nichts. Keine Routen-beschreibung auf der Website des Krankenhauses. Und Google maps z.B. kennt den Weg nicht, den ich genommen habe. Will einen stattdessen über die für Fahrradfahrer verbotene Bundesstraße lotsen.)



 

 

 

 

Schon gehts wieder zurück über die noch halb anwesende, ehemalige Bundesstraße entlang des Kanals.


 

 

 

 

 


Der Weg führt entlang der umstrittenen Windenergie-Anlage aus 35 zu dicht auf einander positionierten, riesigen Windrädern.



Und so sieht es aus, wenn man den Blick zur anderen Seite wendet.
Wildnis auf der ehemaligen Bundesstraßen-Trasse.

Es lockt mich jedes Mal, wenn ich dort entlang komme, aber das Gebiet ist enorm feucht und sumpfig. Bleib weg! mit anderen Worten.






Schon beinahe wieder in Zuidbroek fährt man mitten zwischen
den Windrädern hindurch.

Einen knappen Kilometer weiter kann man - in Zuidbroek angekommen - sowas sehen. Wenn man Glück hat.




Diesmal hatte ich kein Glück. Und so steht hier kurzerhand ein älteres Foto, wie sich unschwer an den kahlen Bäumen erkennen lässt.

Der ganze Ärger über die unmögliche Ärztin war verraucht nach diesen 20 km durch die trotz aller intensiven Nutzung immer wieder hinreißende Groninger Landschaft.
Danke Unbewusstes für die Vergesslichkeit.



Montag, 12. Juli 2021

Unter die Haut

Seit heute frage ich mich ernsthaft, ob es zwischen der Abteilung Dermatologie des Regionalkranken-hauses in Scheemda und mir noch jemals wieder gut wird. Nach meinem kuriosen Erlebnis miteiner enorm schamhaften Hautärztin hatte ich dort erneut ein Erlebnis der dritten Art. Diesmal war es eher das Modell Feldwebel, weiblich, Mitte 50, versteckt in einem hageren, sport-lichen Körper. Gesicht emotionslos, aschblond-grau-meliertes Halblang-haar, graue, abweisende Augen. Und fern jener ausgesuchten Höf-lichkeit, die ich sonst so oft hier in Polikliniken erlebt hatte.

Aber der Reihe nach.

Überwiesen hatte mich die Hausärztin wegen akuter Beschwerden vor ca. einem Monat.
Facharzt-Termine werden einem hierzulande zugeteilt. Blöd, wenn das Akute dann schon vorbei ist.

Im Sprechzimmer empfing mich ein etwas unsicherer, freundlicher, milchgesichtiger Jungmann, der sich als "Co-Assistent" vorstellte, namenlos, betraut damit, die Anamnese aufzunehmen und dann der eigentlichen Ärztin vorzutragen. "Co-Assistenten" – was für ein euphemistischer Begriff! - sind medizinstudierende Praktikanten im 10. Semester, die erste Krankenhaus- und poliklinische Praxiserfahrung machen.

Ich erzählte also meine Geschichte, die ihren Ursprung bereits im Februar hat. Er nickte eifrig, während ich sprach, und tippte irgendwas in den Computer. 'Prima', dachte ich, 'er begreift alles und kann sogar gleich mitschreiben, computererfahrene, fitte  Generation halt', und erzählte munter weiter.

Doch das bestätigende Nicken war nur Attitude. Wahrscheinlich hatte irgendjemand ihm ins Praktikum mitgegeben, dass es wichtig sei, den Patienten das Gefühl zu geben, dass sie gehört würden.

Als er meinte 'jetzt muss ich das alles mal in eine Form bringen' und an seinen darauf folgenden Verständnisfragen merkte ich, dass er nix kapiert hatte. Ich erklärte nochmal die ganze verwickelte Geschichte, hoffend, dass es nun richtig angekommen sei.

Auftritt: die Feldwebelin.
Jungchen erzählt, was er aufgenommen hat. Halb- bis dreiviertelrichtig. Ich korrigiere an einer Stelle. Die Korrekturen anderer Fehler, u.a. Weglassen von wichtigen Symptomen und Beobachtungen, fielen mir erst auf dem Heimweg wieder ein.
Was für ein bescheuertes System ist das! 'Stille Post'-Effekt 🙄 und darauf soll eine ganze Behandlung basiert werden!

Schnell hatte Frau Doktor sich aufgrund der Darstellung des Jungen ein Bild von meiner Erkrankung gemacht, von dem sie nicht mehr abwich. Ein Bild, das völlig differiert mit den Diagnosen meiner Hausärztin und mit meinem eigenen Gefühl über meinen Körper.
Ihrer Ansicht steht fest: es handelt sich um eine Allergie, und klar.

Es ging schon schief, als Frau Doktor während der Erzählung des Jungarztes die Beipackzettel meiner beiden aktuellen Medikamente sah: "Nehmen Sie immer solche pflanzlichen Sachen?" Ich antwortete wahrheitsgemäß: ja meistens. "Davon können Sie auch Allergien bekommen!" – Da war er wieder, der Satz, den ich so liebe. Vor 50 Jahren hatte der dazu geführt, dass ich weiterhin Penicillin gegen eine Angina einnahm, obwohl ich nach dem ersten Tag bereits allergische Symptome hatte, und stattdessen das Meditonsin wegließ – "pflanzliche Medikamente machen oft Allergien" war die Aussage des HNO-Arztes, zu dem ich vertretungsweise gegangen war, weil 'mein' HNO-Arzt, der das Meditonsin veschrieben hatte, in Urlaub war. Zwei Tage später lag ich – vom Notarzt eingewiesen – mit einer saftigen Penicillin-Allergie in der Uni-Hautklinik, wo ich 14 Tage bleiben musste.

Und nun steuerte die Feldwebelin das ganze Gespräch in Richtung Allergie. Wieso ich wissen wolle, das mein Herpes Herpes war? War der durch eine Untersuchung richtig nachgewiesen?

Hier hätte ich sagen müssen: "weil ich seit mehr als 30 Jahren immer wieder mal Herpes habe und weiß, wie der aussieht und verläuft."
Tat ich nicht. Der Feldwebelton, die Vorverurteilung wegen meiner Vorliebe für menschenfreundliche Arzneien, die abwertende und alle meine Äußerungen wegwerfende Haltung hatten mich mit Stummheit geschlagen. Dumm gelaufen.

Trigger. Voll getroffen. Hier darf ich noch weiter lernen.

Wie ich den Herpes behandelt habe? Ich nannte meine Salbe – wieder eine pflanzliche. Sie runzelte die Brauen und fragte, ob der Herpes echt behandelt worden sei. Ich nahm an, sie meinte damit orale Medikamente und verneinte.
Woher ich denn dann wisse…? – Meine Hausärztin hatte das bestätigt. Der traute sie offenbar nicht mehr viel zu, nachdem diese mir pflanzliche Medikamente verschrieb, die Antwort wurde mit Augebrauenhochziehen quittiert.

Der langen Rede kurzer Sinn: angeblich deute alles auf Allergie. Am besten, ich mache einen Allergietest – dann werden 40 verschiedene Substanzen mit Pflastern auf den Rücken aufgebracht. Und – natürlich muss ich meine Salbe mitbringen zum Test, denn die könnte ja die böse Allergieauslöserin sein. (Dass ich die erst im späten Verlauf der Behandlung bekommen hatte, als die ganze Geschichte schon lange am Laufen war, interessierte hier niemand.) Ich dürfe dann eine Woche nicht duschen und am besten auch nicht sehr schwitzen. Na prima! Im Sommer! Bei aktuell um die 23-25° bei 75% bis 90% Luftfeuchtigkeit. Na herzlichen Dank!

Immerhin schaute sie sich noch die betroffenen Stellen an. Da war natürlich außer ein bisschen Rötung gerade nichts zu sehen.

Meine Salbe solle ich absetzen und statt dessen eine fette Basissalbe, die sie mir aufgeschrieben habe, verwenden. Das Rezept hatte sie an die Krankenhausapotheke geschickt, dort müsse ich die Salbe jetzt gleich noch abholen. Damit verschwand die Dame, rief eine Arzthelferin rein, die mir den weiteren Gang des Allergietests erklären sollte.

Völlig vor den Kopf geschlagen, verwirrt, ratlos verließ ich wenig später das Sprechzimmer.
Dieser Termin war mir voll unter die Haut gegangen.

Derart herabwürdigend und geringschätzig war mir seit langem kein Arzt, keine Ärztin mehr begegnet. Ich fühlte mich wie eine schlechte Schülerin, die vor der Tafel versagt hatte. Einerseits.
Andererseits kam ich mir komplett überrollt von etwas vor, das nichts mit mir zu tun hat und mir ganz sicher nicht helfen wird.

Zornig ging ich zum Auto.
Erst zuhause fiel mir auf, dass ich die Salbe vergessen hatte.

Donnerstag, 8. Juli 2021

Sik in Zuidbroek

Meine Mittagsruhe fiel heute aus. Und das kam so.

Kurz bevor ich mich in meinen Relaxsessel zurückziehen wollte, schaute ich noch schnell nach dem Sonnenschutz vorm Südfenster, wahrscheinlich konnte ich den wieder hochziehen. Sonne weg. Er ist nicht völlig blickdicht, und so schaute ich ganz automatisch nicht nur zum Himmel, sondern auch in Richtung Hirschgehege und dahinter gelegenem historischem Bahnhof.

Da stand was komisches, gelbes vor dem Eingang. Das dort befindliche Museum ist nur am Wochenende geöffnet, und so guckte ich genauer hin. Auf den ersten, durch den Sonnenschutz unscharfen Blick schien es eine Art Bagger oder so auf einem Tieflader zu sein. Was könnte es da zu baggern geben? Die Bahnsteige und Gleisanlagen des noch in Gebrauch befindlichen Haltepunktes waren gerade erst im Herbst völlig umgebaut, an den neuen Fahrplan angepasst worden.
Hm. Am besten mal den Sonnenschutz hochziehen.

Auf der Fensterbank steht immer ein Feldstecher, der Wasservögel und anderen Tiere in Park und Hirschgehege wegen. Der leistete jetzt gute Dienste. Das 'Ding' bzw. das, was ich erkennen konnte, schien einer Sik doch ziemlich ähnlich zu sehen.

Siks sind Lokomotoren,die in zwischen 1930 und 1951 gebaut wurden. Im Grunde sehen sie aus wie eine  Mini-Lokomotive und waren vor allem im Einsatz zum Rangieren auf kleineren Bahnhöfen, die nicht über eigene Dampfloks verfügten. Es waren keine sehr starken Maschinen, mehr als sechs Güterwagen konnten sie nicht gleichzeitig ziehen oder schieben.

Das musste ich mir genauer ansehen.
Adieu Mittagsschlaf, willkommen eiliger Spaziergang in Richtung Museumsbahnhof.

Und ja, ich hatte recht. Eine gelbe, sehr in die Jahre gekommene Sik stand auf einem Tieflader. Ein gigantischer Kran mit so einem Arm, wie sie einstmals zum Bungee-Jumping benutzt wurden, daneben.

Jetzt begriff ich auch, wieso gestern Abend die Museums-Kollegen vom Technischen Dienst seitlich vor dem Museum die beiden Stücke Gleis aufbauten, die seit Jahr und Tag im abgezäunten Bereich des Außengeländes vor sich hin dornröschenschliefen.

Komisch nur, dass niemand in der Ehrenamtlichen-App des Museums etwas davon erzählt hatte, dass dem Museum sowas ins Haus, bzw. vors Haus, stand.
Wie auch immer, es gab ordentlich was zu sehen:

 

Ich war nicht die einzige, die das fand. Für die Tatsache, dass über die gesamte Aktion vorher nichts publiziert worden war, hatten sich doch viele Leute eingefunden.





 

Sogar mit Drohnen wurde das Ganze aufgenommen. Ich sah mindestens zwei davon im Einsatz.



 Und dann ging's los mit der schwebenden Sik.





Hat auf den Fotos was von Modelleisenbahn...



Zwar gibt's den Bahnhof auch als Modell....

...aber die Arbeiter auf den Bildern sind echt, keine Duplo-Männchen
(Tip: Klick auf das Foto öffnet ein größeres Bild in neuem Fenster)



Drei Viertel des Weges sind geschafft.
Und auch hier Zuschauer mit Handys und Fotoapparaten...
das Dorf hat heute wirklich was zu bieten!





Fast geschafft.




Jetzt kommt es auf Präzision an.






...die letzten Zentimeter...






steht sie wirklich gut?










Yesss! Sie steht!


Leinen los!




 

Ui! Bremsen sind außer Betrieb.



 

 

Der Kran hat seine Schuldigkeit getan.
Der Kran darf gehen.




Und da steht sie dann vorm Noord-Nederlands Trein & Tram Museum und zieht hoffentlich viele Besucher an.
Auf die Ehrenamtlichen vom Technischen Dienst wartet nun viel, viel Arbeit. Denn natürlich soll die Sik völlig aufgearbeitet und in den originalen Farben lackiert werden. 

Ein bisschen Zukunftsmusik.

Aber .... der gesamte historische Bahnhof von 1868 war mal in einem vergleichbaren Zustand. Er  wurde mit unendlich viel Eigenleistung in 13 Jahren durch Ehrenamtliche komplett restauriert, teils wiederaufgebaut und so sein ursprünglicher Zustand rekonstruiert.




Montag, 5. Juli 2021

Nocebo

Eine handliche, englischsprachige Definition von Nocebo habe ich hier gefunden
Viele Ärzte, vor allem da, wo schwere Krankheiten behandelt werden, sind Meister im Nocebo. Das wurde mir kürzlich erneut bewusst, als ich über meine Gesundheit der letzten zehn Jahren sinnierte.

Nocebo-Effekt ist das negative Gegenstück zum Placebo-Effekt. Letzterer ist die Bezeichnung für stattfindende Heilung oder Besserung von Symptomen, die durch positive Vorstellungen und Erwartungen gefördert und beeinflusst wird. Mit Nocebo wird demzufolge ein Geschehen bezeichnet, bei dem Symptome und Erkrankungen entstehen aufgrund von negativen Erwartungen und Vorstellungen über die eigene Gesundheit.

Und so denke ich an zehn Jahre zurückliegenden Erfahrungen mit behandelnden Ärzten zurück. Interessanterweise waren es alles Ärzte, die mit der zweiten Stufe der Behandlung befasst waren, also mit dem, was nach dem akut notwendigen, chirurgischen Eingriff kam. Direkt im Umfeld des Eingriffs und der Nachsorge (ich war in einer deutschen Klinik und durfte damals noch so lange im Krankenhaus bleiben, bis die Wunde geschlossen war, und wurde wirklich menschenfreundlich behandelt und gepflegt) waren Ärzte und Schwestern sorgsam, mitfühlend und positiv-heilsam.
Aber dann. Begannen die negativen Programmierungen.
Die wieder loszuwerden ich mich seit dem bemühe.

Netzfund (Twitter)
Besonders unangenehm habe ich die Radiologin in Erinnerung, zu der ich noch vom deutschen Krankenhaus aus zwecks Information geschickt wurde, obwohl die eigentlichen Bestrahlungen dann in der Poliklinik in den Niederlanden stattfanden. Diese Ärztin war eine wahre Meisterin im Entmutigen und im Einpflanzen negativer Vorstellungen. Einzelne der damals von ihr drohend beschworenen Bilder drangsalieren mich noch heute, was natürlich kein Wunder ist. Ich war per sitzendem Krankentransport sozusagen vom Bett weg in die Praxis gebracht worden, hatte dort mehr als zwei Stunden im Rollstuhl mehr hängend als sitzend warten müssen, die eingreifende OP war vielleicht sechs oder acht Tage her. Entsprechend noch schwach und beeinflussbar war meine Verfassung.

Mit weiterer Bitterkeit gedenke ich des ersten Arztes, der mir für die vierteljährlichen Kontrolluntersuchungen zugeteilt worden war. Auch er war perfekt im Ent-Mutigen, anstatt mir Mut zu machen und positive Perspektiven aufzuzeigen. Bei meinem ersten oder zweiten Besuch erklärte er mir allen Ernstes, dass ich jetzt den kurativen Teil der Behandlungen – also den auf Heilung gerichteten – hinter mir habe. Sollte sich eine gleichartige Erkrankung irgendwann erneut zeigen (er nannte dann auch gleich mal Beispiele von Organen, um das negative Bild perfekt abzurunden), käme lediglich noch palliative Behandlung in Frage. Also eine Behandlung, die nicht auf Heilung, sondern nur noch auf Linderung abzielt.

Na prima. So startete ich also in den nächsten Teil meines Genesungsprozesses.

An der Universität Leiden ist aktuell eine Sozialwissenschaftlerin beschäftigt mit einer
Untersuchung des Placebo-Effektes und fordert die Leser ihrer Website dazu auf, ihre persönlichen
Selbstheilungs-(Placebo-)Geschichten mit ihr zu teilen.

Was hätte er besser statt dessen zu mir gesagt? – Das, was ich mir selbst dann immer wieder sagte, um seine Programmierung durch meine zu ersetzen:
Es wurde alles getan, was sinnvoll war, um das Störende zu entfernen. Jetzt heilt der Körper. Sorge für optimale Bedingungen: sei vor allem zuversichtlich! Iss gesund. Sei optimistisch, glücklich, dankbar, gelassen, freue dich am Leben. Genieße, was es zu genießen gibt. Sei kreativ, geh in die Natur, tu Dinge, die dir Freude machen.



Der Gegensatz kurativ – palliativ lag mir noch lange wie ein schweres Gewicht auf der Seele.
Ebenso wie die angstmachenden Bilder der Radiologin.
Beide Ärzte pflanzten, wahrscheinlich nicht einmal bewusst, Angst. Und taten damit das Gegenteil von dem, was sie eigentlich hätten tun müssen: Mut und Zuversicht säen und pflegen.
Angst ist der größte Stressor, den man sich vorstellen kann, Feind der Gesundheit und jeglicher Heilung.

Übrigens schlugen auch viele weitere, gut gemeinte Äußerungen und Ratschläge in dieselbe Kerbe: "Du musst jetzt auf dich aufpassen", "Leute, die solche Behandlungen (ersatzweise: Krankheiten) hatten, sind besonders empfindlich", "Streng dich nicht zu sehr an", "Schone dich", usw. Letzten Endes alles Aussagen und Bemühungen, die lieb gedacht waren. Die aber auf Dauer nicht helfen, nach der Krise wieder in die eigene Kraft und Macht zu kommen.

Es ist kein Zufall, dass mir das alles gerade nun wieder durch den Kopf geht. Seit eineinhalb Jahren erleben wir alle, dass um uns her vor allem Angst gesät und geschürt wird. Was für eine gigantische Aufgabe, in einem solchen Klima positiv, lebensgerichtet zu bleiben!

Die oben geschilderte Hypothek macht es nicht einfacher.
Und wie viele Menschen tragen dieser Art Hypotheken mit sich herum!


Mich selbst hat es angeregt, mich wieder einmal mehr mit der Auswirkung heilsamer und positiver Bilder, Gedanken, Vorstellungen auf die Gesundheit zu befassen. Mit der Auswirkung hoffnungsvoller Gedanken und angenehmer Gefühlen wie Freude und Erleichterung auf das Wohlbefinden.
Placebo.
"Ich werde gefallen" – so die Übersetzung des lateinischen Begriffs.

Wie viele von uns kann ich das gerade gut gebrauchen. 

 

 

Den nebenstehenden Buchtip dazu habe ich heute in meiner Gruppe in Groningen erhalten. 

Donnerstag, 1. Juli 2021

Einkaufsglück

Was für ein Gefühl!
Vergangenen Sonntag waren mein Mann und ich unterwegs auf unserer kleinen, täglichen Runde durchs Dorf, Minimal-Bewegungsprogramm. Nachdem wir beim Freizeithafen die historische Klappbrücke überquert hatten und wieder Richtung Hauptstraße gingen, kam automatisch der gegenüberliegende Coop ins Blickfeld. Dort herrschte leise Betriebsamkeit – hier haben die Supermärkte am Sonntag von 11 bis 17 Uhr geöffnet.
'Ich hab' keine Erdbeeren fürs Müsli morgen früh' schoss es mir durch den Kopf, 'dann kann ich doch auf dem Heimweg jetzt gleich ein Schälchen mit diesem Lieblingsobst mitnehmen.' – Gedacht, getan. Meine Bankkarte habe ich jetzt immer bei mir, sie steckt in einem Fach der Handy-Hülle. Da man hier so gut wie nicht mehr mit Bargeld zahlen kann, brauche ich nur noch selten mein Portemonnaie.

Jedenfalls – mit unbeschreiblichem Glücksgefühl machte ich mich auf zu meinem ersten Spontan-Einkauf seit ichweißnichtwievielen Monaten.
Letzten Samstag nämlich wurde in den Niederlanden die Maskenpflicht aufgehoben.
Das ewige Zurückzucken: 'achso, geht nicht, ich hab keine Maske dabei' hat ein Ende. Jedenfalls, wenn man nicht gerade mit der Eisenbahn oder dem Bus fahren will.

Einfach so, weil es mir gerade in den Sinn kommt, in einen Laden gehen! wie lange habe ich das nicht mehr getan!

Und drinnen lauter frohe, aufrecht und happy einkaufende Menschen, denen man richtig ins Gesicht schauen kann. Auch die Mitarbeiter im Laden – alle mit offenen Gesichtern.

Es ist unfassbar, wie anders die Atmosphäre im Laden dadurch ist!

Dieser ganze ängstliche Grauschleier, die Furcht vor dem anderen – jeder könnte der Böse sein, der mir das C anhängt – wie weggeblasen! Die Menschen kaufen wieder mit hocherhobenem Haupt ein, anstatt furchtsam und eilig durch den Laden zu huschen.

Bis Februar 2020, bis vor etwas mehr als einem Jahr, war eine solche Körpersprache beim Einkaufen der Normalfall, über den niemand besonders nachgedacht hat. Es gehörte dazu wie das tägliche Brot. Und jetzt, nach 16 Monaten C-Wahnsinn, wird auf einmal der alltägliche Einkauf im Supermarkt ein Ereignis, das Freude macht und gute Laune. Nur, weil wir wieder wie Menschen einander begegnen 'dürfen', einander ins Gesicht schauen können, frei atmen können, während wir durch den Laden gehen.

Ich werde jeden Tag dieser freien Sommermonate genießen. Freue mich schon auf den ersten Besuch im Fischrestaurant ganz ohne Maskenpflicht – auch wenn beim letzten Mal uns schon niemand mehr darauf ansprach. Auf den Besuch auf der Caféterrasse des Bürgerhauses, den Einkauf im Gartencenter – überall wieder Menschen mit freien Gesichtern, drinnen, draußen – SAGENHAFT!
Ich glaube, wenn ich das nächste Mal in der Stadt Groningen bin, werde ich einfach so durch den Hema, H&M, einen Drogeriemarkt bummeln. Schlicht, weil es jetzt wieder geht ohne so ein Ding im Gesicht.

Ein Stück Normalität ist mal eben ins Leben zurückgekehrt.
Ich werde jeden Tag, in dem ich das genießen darf, ganz bewusst wertschätzen.


 

Viel gelesen