Seit heute frage ich mich ernsthaft, ob es zwischen der Abteilung Dermatologie des Regionalkranken-hauses in Scheemda und mir noch jemals wieder gut wird. Nach meinem kuriosen Erlebnis miteiner enorm schamhaften Hautärztin hatte ich dort erneut ein Erlebnis der dritten Art. Diesmal war es eher das Modell Feldwebel, weiblich, Mitte 50, versteckt in einem hageren, sport-lichen Körper. Gesicht emotionslos, aschblond-grau-meliertes Halblang-haar, graue, abweisende Augen. Und fern jener ausgesuchten Höf-lichkeit, die ich sonst so oft hier in Polikliniken erlebt hatte.
Aber der Reihe nach.
Überwiesen hatte
mich die Hausärztin wegen akuter Beschwerden vor ca. einem Monat.
Facharzt-Termine werden einem
hierzulande zugeteilt. Blöd, wenn das Akute dann schon vorbei ist.
Im Sprechzimmer empfing mich ein etwas unsicherer, freundlicher, milchgesichtiger Jungmann, der sich als "Co-Assistent" vorstellte, namenlos, betraut damit, die Anamnese aufzunehmen und dann der eigentlichen Ärztin vorzutragen. "Co-Assistenten" – was für ein euphemistischer Begriff! - sind medizinstudierende Praktikanten im 10. Semester, die erste Krankenhaus- und poliklinische Praxiserfahrung machen.
Ich erzählte also meine Geschichte, die ihren Ursprung bereits im Februar hat. Er nickte eifrig, während ich sprach, und tippte irgendwas in den Computer. 'Prima', dachte ich, 'er begreift alles und kann sogar gleich mitschreiben, computererfahrene, fitte Generation halt', und erzählte munter weiter.
Doch das bestätigende Nicken war nur Attitude. Wahrscheinlich hatte irgendjemand ihm ins Praktikum mitgegeben, dass es wichtig sei, den Patienten das Gefühl zu geben, dass sie gehört würden.
Als er meinte 'jetzt muss ich das alles mal in eine Form bringen' und an seinen darauf folgenden Verständnisfragen merkte ich, dass er nix kapiert hatte. Ich erklärte nochmal die ganze verwickelte Geschichte, hoffend, dass es nun richtig angekommen sei.
Auftritt: die
Feldwebelin.
Jungchen erzählt,
was er aufgenommen hat. Halb- bis dreiviertelrichtig. Ich korrigiere an einer Stelle. Die Korrekturen anderer Fehler, u.a. Weglassen von wichtigen Symptomen und Beobachtungen, fielen
mir erst auf dem Heimweg wieder ein.
Was für ein bescheuertes System ist das! 'Stille
Post'-Effekt 🙄 und darauf soll eine ganze Behandlung basiert werden!
Ihrer Ansicht steht fest: es handelt sich um eine Allergie, und klar.
Es ging schon schief, als Frau Doktor während der Erzählung des Jungarztes die Beipackzettel meiner beiden aktuellen Medikamente sah: "Nehmen Sie immer solche pflanzlichen Sachen?" Ich antwortete wahrheitsgemäß: ja meistens. "Davon können Sie auch Allergien bekommen!" – Da war er wieder, der Satz, den ich so liebe. Vor 50 Jahren hatte der dazu geführt, dass ich weiterhin Penicillin gegen eine Angina einnahm, obwohl ich nach dem ersten Tag bereits allergische Symptome hatte, und stattdessen das Meditonsin wegließ – "pflanzliche Medikamente machen oft Allergien" war die Aussage des HNO-Arztes, zu dem ich vertretungsweise gegangen war, weil 'mein' HNO-Arzt, der das Meditonsin veschrieben hatte, in Urlaub war. Zwei Tage später lag ich – vom Notarzt eingewiesen – mit einer saftigen Penicillin-Allergie in der Uni-Hautklinik, wo ich 14 Tage bleiben musste.
Und nun steuerte die Feldwebelin das ganze Gespräch in Richtung Allergie. Wieso ich wissen wolle, das mein Herpes Herpes war? War der durch eine Untersuchung richtig nachgewiesen?
Hier hätte ich
sagen müssen: "weil ich seit mehr als 30 Jahren immer wieder mal Herpes
habe und weiß, wie der aussieht und verläuft."
Tat ich nicht. Der
Feldwebelton, die Vorverurteilung wegen meiner Vorliebe für menschenfreundliche
Arzneien, die abwertende und alle meine Äußerungen wegwerfende Haltung hatten
mich mit Stummheit geschlagen. Dumm gelaufen.
Trigger. Voll getroffen. Hier darf ich noch weiter lernen.
Wie ich den
Herpes behandelt habe? Ich nannte meine Salbe – wieder eine pflanzliche. Sie
runzelte die Brauen und fragte, ob der Herpes echt behandelt worden sei. Ich
nahm an, sie meinte damit orale Medikamente und verneinte.
Woher ich denn dann wisse…?
– Meine Hausärztin hatte das bestätigt. Der traute sie offenbar nicht mehr viel zu, nachdem diese
mir pflanzliche Medikamente verschrieb, die Antwort wurde mit
Augebrauenhochziehen quittiert.
Der langen Rede kurzer Sinn: angeblich deute alles auf Allergie. Am besten, ich mache einen Allergietest – dann werden 40 verschiedene Substanzen mit Pflastern auf den Rücken aufgebracht. Und – natürlich muss ich meine Salbe mitbringen zum Test, denn die könnte ja die böse Allergieauslöserin sein. (Dass ich die erst im späten Verlauf der Behandlung bekommen hatte, als die ganze Geschichte schon lange am Laufen war, interessierte hier niemand.) Ich dürfe dann eine Woche nicht duschen und am besten auch nicht sehr schwitzen. Na prima! Im Sommer! Bei aktuell um die 23-25° bei 75% bis 90% Luftfeuchtigkeit. Na herzlichen Dank!
Immerhin schaute sie sich noch die betroffenen Stellen an. Da war natürlich außer ein bisschen Rötung gerade nichts zu sehen.
Meine Salbe solle ich absetzen und statt dessen eine fette Basissalbe, die sie mir aufgeschrieben habe, verwenden. Das Rezept hatte sie an die Krankenhausapotheke geschickt, dort müsse ich die Salbe jetzt gleich noch abholen. Damit verschwand die Dame, rief eine Arzthelferin rein, die mir den weiteren Gang des Allergietests erklären sollte.
Völlig vor den
Kopf geschlagen, verwirrt, ratlos verließ ich wenig später das Sprechzimmer.
Dieser Termin war
mir voll unter die Haut gegangen.
Derart herabwürdigend
und geringschätzig war mir seit langem kein Arzt, keine Ärztin mehr begegnet.
Ich fühlte mich wie eine schlechte Schülerin, die vor der Tafel versagt hatte. Einerseits.
Andererseits kam ich mir komplett überrollt von etwas vor, das nichts mit mir zu
tun hat und mir ganz sicher nicht helfen wird.
Zornig ging ich zum
Auto.
Erst zuhause fiel
mir auf, dass ich die Salbe vergessen hatte.
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