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Donnerstag, 25. November 2021

Lächeln

Heute erhielt ich eine absolut neue Erfahrung ins Leben geschenkt: die Erfahrung in Anwesenheit einer anderen Person ins Selbstgespräch zu gehen. Laut reflektieren, die andere Person hört aufmerksam zu, es entsteht aber kein Dialog. So erstaunlich das klingen mag, es tat so unglaublich gut, ich sitze noch jetzt lächelnd an meinem PC. Denn lächelnd und ruhig bin ich aus diesen eineinhalb Stunden gekommen.

Die Gesprächsform, in der man das erleben darf, heißt Dyadenmeditation. Ich habe erstmals von ihr erfahren, weil eine Brieffreundin von mir so etwas regelmäßig, beinahe täglich macht, und zwar hier, sich sehr wohl damit fühlt und viel inneren Gewinn erlebt. Neugierig darauf war ich schon lange. Aber die Zeiten, in denen jene Dyaden stattfinden, liegen völlig quer zu meinem Lebensrhythmus.

Jetzt hatte ich die Chance, Dyadenmeditation im Rahmen der schon häufiger von mir erwähnten Plattform liebevoll.jetzt kennenzulernen.

Bei einer solchen Dyade sitzen zwei Menschen einander gegenüber (in diesem Fall virtuell). Die eigentlich Dyadenzeit dauert 40 Minuten, aber es gibt vorher ein gemeinsames Ankommen im virtuellen (Zoom-)Raum. Nach einem Moment Stille folgt ein kurzer Austausch darüber, welche Empfindungen und Gedanken gerade in einem anwesend sind. Danach werden die Teilnehmenden vom Zufallsgenerator des Programms zu zweit in "Break-out-Rooms" – virtuelle Nebenräume des Plenums – verteilt. Nach den Dyaden kommen alle wieder zurück ins Plenum. Diejenigen, denen es danach ist, tauschen sich noch mit anderen aus, erzählen etwas über das, was sie in der Dyade erlebt haben.

In den 40 Dyaden-Minuten wechseln die Partner alle 5 Minuten ihre Rolle im Gespräch. Einmal sind sie Zuhörende, während ihr Gegenüber spricht; einmal sind sie Sprechende und ihr Gegenüber hört zu. Als Zuhörerin bin ich still und anwesend, kommentiere aber nicht und reagiere auch nicht auf das Gesagte. Als Sprechende erforsche ich in einem Selbstgespräch, was in meinem Innern zu der Frage auftaucht, die der Meditiationsleiter uns mitgegeben hat. Alles was auftaucht, wird wahrgenommen und ausgesprochen – egal ob Gedanken, Gefühle oder Körperwahrnehmungen oder auch kürzere oder längere Momente der Stille, in denen vielleicht gerade gar nichts auftaucht. Wichtig ist, immer wieder zurückzukehren ins Jetzt, und dafür ist die Frage ein wunderbarer Anker.
Der Meditationsleiter hat sie in den Chat geschrieben, und wenn ich den parallel zum Gesprächsfenster offen stehen lasse, kann ich als Sprechende zwischendurch mit den Augen immer wieder zu der Frage zurückkehren.

Mit wem von den 16 Anwesenden ich wohl zusammengewürfelt werde?
"Alles liebevoll annehmend, was ist – was taucht da in mir auf?" war die Leitfrage für die heutige Dyade. Das passt gleich hier prima
😊 Würde ich mich am virtuellen Tisch mit einer derjenigen wiederfinden, die ich schon aus anderen Online-Veranstaltungen kenn? Oder etwa mit dieser Frau? oder jenem Mann?
Wie immer finde ich es hinreißend, zufällig zu jemand gruppiert zu werden und dadurch die Chance zu haben mich gänzlich annehmend auf wen auch immer einzulassen. Egal, ob ich mir diejenige, denjenigen selbst auch ausgewählt hätte oder nicht.  

Das Wunderbare, Schöne ist, so meine Erfahrung aus den Online-Cafés: es ist immer gut so, wie es ist. Es sind immer bereichernde Begegnungen, in denen ich (etwas von) Menschen kennenlerne.

Einfach unfassbar, was alles in diesen 8 mal 5 Minuten in mir, im Anderen entsteht. Welche Ideen, welche Bilder auftauchen, sich mir zeigen, was sich alles dabei in mir tut, wie viel sich verändert.
Mein Partner war fürs Würfeln, wer als erste/r mit dem Erforschen anfängt; der Würfel sprach sich für mich aus. Also war meine allererste Erfahrung mit einer Dyade die, in mich hineinzuhören, hineinzufühlen und zu sprechen. Ein ganz, ganz merkwürdiges Gefühl, zu reden, zu reden und zu reden – was können fünf Minuten lang sein!, aber kein Feed-Back vom Gegenüber zu bekommen, keine gesprochene, keine ausdrückliche mimische, keine gestische Reaktion. Und trotzdem zu fühlen, dass da jemand zuhört. Dennoch, ich fühlte mich ganz schnell frei, schloss oft beim Sprechen die Augen – ich muss ja keinen dialogischen Kontakt aufnehmen mit dem Gegenüber – ließ Gedanken- und Sprechpausen zu, wie sie entstanden – und übte: liebevoll annehmen.

Nach fünf Minuten wurde er zum erforschend Sprechenden und ich zur Zuhörerin. Wie fühlte sich das zunächst merkwürdig an, überhaupt nicht zu reagieren. Zwischenzeitlich stellten sich selbst Schuldgefühle ein darüber, nicht zu reagieren,  – so tief ist es in uns drin, das Gegenüber mit Empathie und Aufmerksamkeit zu spiegeln…

Auch diese Wahrnehmungen galt es, liebevoll anzunehmen – und beim Bewusstwerden dessen war schon das Lächeln in meinem Gesicht. Wie schön, wie einfach war das in diesem geschützten Raum, alles zu lassen, wie es sich äußert. Liebevoll anzunehmen, was ist.

"Alles liebevoll annehmend, was ist – was taucht da in mir auf?" stellt sich für mich als die Frage heraus, die ich über die vergangenen 21 Monate schreiben könnte. Was ist da nicht alles geschehen, das ich keinesfalls liebevoll annehmen konnte und wollte, gegen das ich mich mit Händen und Füßen innerlich gesträubt habe, ob ich daran etwas ändern kann oder nicht. Im Grunde steht ein "NEEIIIIIN!" über so Vielem, das mir begegnet (ist). Stell Dir eine Comicfigur vor, die sich mit Händen und Füßen gegenstemmt. Genau so.

Hier in der Dyade mache ich das Experiment, es einfach mal innerlich anzunehmen. Den ständigen, inneren Widerstand aufzugeben. Es stellt sich eine ganz, ganz große Entspannung ein. Uff! Da ist es wieder, das Lächeln. Die Dinge gelten lassen, weil.sie.sind. Menschen so zu lassen, so zu nehmen, wie sie sind. Alle! Jedes Urteil über diese Menschen einfach los zu lassen. Was für eine enorme innere Freiheit!

Aus dieser inneren Freiheit heraus kann ich wahrscheinlich besser als im ständigen inneren Nein nach meiner eigenen, inneren Stimme horchen und weiterhin der Wahrheit leben, die meine innere Wahrheit ist.
Das, was nun einmal da ist, als anwesend, als Seiend annehmen, heißt übrigens nicht, es gutzuheißen! Es heißt nur: ich nehme die Tatsache an, dass es nun einmal da ist.

In einer der nächsten Runden tauchten Erinnerungsbilder auf, in meinem Fall an bestimmte Situationen aus der Schulzeit. Ungute Erfahrungen mit einem bestimmten Lehrer. Situationen, die fünfzig Jahre zurückliegen. Fünfzig Jahre! Indem ich die Erinnerung heraufziehen ließ, wie sie kam, entsprechende Situationen im Zeitraffer noch einmal durchlebte und dann zurückkehrte zu der Frage: "Alles liebevoll annehmend, was ist – was taucht da in mir auf?" heilte sich die Situation von damals in mir. Sie zog sich ein Stück zurück, gewann Distanz zu mir, ich schaute danach und – es lächelte aus mir heraus.

Ich höre dem anderen Menschen, meinem Dyaden-Partner zu und nehme auch ihn einfach an. Eine wunderbare Übung: jedes aufkeimende Urteilenwollen gleich weckzuschicken und ganz beim Gegenüber zu bleiben, so.wie.er.ist. Welche Entspannung auch hier. Er ist. Punkt. Er.ist.er. Auch jedes Antwortenwollen, Nachfragenwollen schicke ich zunächst weg. Später taucht es gar nicht mehr auf. So schnell übt sich das Geltenlassen.

Ich kann mein Gegenüber einfach so aussprechen lassen. Ohne Ungeduld, selbst zu Wort kommen zu wollen. Ohne Unruhe, etwas sagen oder fragen zu müssen. 

Es gibt nur diese ein Frage, die jetzt eine Rolle spielt. Es gibt nur das, was mein Gegenüber in sich findet zu dieser Frage, was jetzt eine Rolle spielt.

Es lächelt wieder aus mir.

Insgesamt vier Mal kommt jeder von uns zu Wort, insgesamt vier Mal hörte jeder von uns zu. Erstaunlich, was alles auftaucht. Ein Mal während meiner Sprech-Phase fällt mein Blick auf mein Bild, wie es die Kamera in die Welt hinaus sendet. Liebevoll annehmen….. liebevoll annehmen, was ich sehe. Und schon habe ich es ausgesprochen, und schon ändert sich meine eigene innere Einstellung. Die innere Kritikerin ist still, zieht sich zurück oder löst sich auf, jedenfalls – ich.bin.die.ich.bin. Punkt.

Erstaunlich auch, wie sich mit jedem Mal, in dem ich dran bin, immer wieder andere Inhalte zeigen und es dann mit der Zeit ruhiger wird. Ganz lange, jedenfalls subjektiv so wahrgenommene, Phasen der Stille. Auch diese sind gut. Und es lächelt wieder aus mir.

 

 

Innerlich ruhig und ent-spannt sitze ich noch immer an meinem PC, auch jetzt am Ende des Niederschreibens meiner Erfahrungen.
Ich freue mich auf die nächste Dyade bei liebevoll.jetzt, in zwei Wochen. 

Übrigens:
ohne 👑 hätte ich das alles wahrscheinlich nie kennengelernt. 

 

Grafiken: https://de.cleanpng.com 

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