Mitte März bis 10. April 2020 täglich. Ab 11. April 2020 erscheinen die Beiträge jeden zweiten Tag. Ab Montag, 22. Juni 2020 immer Montag und Donnerstag abends. Ab Montag, 13. Dezember 2021 am Montagabend nach 22 Uhr.


Montag, 7. Februar 2022

Danke - ja

Dünenlandschaft auf Borkum, Foto 2007
 

 

 

 




 "...noch weht mir der Wind von der See her entgegen,
noch finde ich Sand in meinen Hosenumschlägen
und Dünengras in meinem Haar…" *)

Heute ist einer dieser Tage, an denen mir diese Zeilen aus einem Lied von Reinhard Mey in den Kopf kommen, während ich meinen täglichen Spaziergang durch das Pärkchen und unser Dorf mache. Es weht ein sehr kräftiger, fast stürmischer Nordwestwind, Wind aus jener Richtung also, in der das Meer liegt. Er bringt diese Frische mit, die auch hier, ein ganzes Stück entfernt von der Küste, noch an die See erinnert und eben die oben zitierten Empfindungen heraufbeschwört. Dazu diese einmalig klare Luft, kalt zwar, aber herrlich. Am Himmel jagen dicke weiße Wolken, auch manchmal große, schwere Dunkle, zwischendurch große Fetzen oder auch weite Stücke herrlichen Blaus; kaum vernebelt von den seit dem Frühling 2021 beinahe allgegenwärtigen hohen Schleierwolken, die im gesamten letzten Jahr der Sonne ihre Kraft geraubt haben. Heute hat die Sonne Kraft, schon deutlich erahnbare Frühjahrskraft, die in der diesen Winter bislang nur oberflächlich im Winterschlaf liegenden Natur neues Leben wecken wird. Von diesem Leben ist jetzt, Anfang Februar, schon viel zu sehen. **) Auch zu hören, denn seit einigen Tagen bereits sind wieder Vogelgesänge zu hören. Noch nicht üppig, aber doch nachdrücklich anwesend.
Das Leben fühlt sich – normal an.

Bis mir unterwegs, vom Bahnhof her - gerade hat ein Zug den Haltepunkt in Richtung Groningen verlassen -  ein Jugendlicher kräftig gegen den Wind tretend auf dem Rad entgegenkommt, seine schwarze Stoffmaske noch im Gesicht. Was ihm eine Art Schimpansenmundnasenpartie verleiht. Kurze Erinnerung an die Absurdität dessen, was das "Neue Normal" angeblich sei. Mein "Neues Normal" wird ein anderes sein; jenes das sich als Vision entwickelt, wenn ich über die "neue Erde" träume.
Das nur nebenbei.

Narzissenblüte im Februar
Nachdem ich mich später zuhause mit dem Lunch und der begleitenden Tasse Suppe aufgewärmt habe
und eigentlich nach oben zum Ruhen gehen will, lockt mich die Sonne noch einmal nach draußen auf die Terrasse. Dort kann ich in der Ecke zwischen Haus- und Wirtschaftsraumwand herrlich windgeschützt in der Sonne stehen. Jetzt erst spüre ich die Volle Vorfrühlingskraft unseres Zentralsterns. Ich krempele die Ärmel hoch, ziehe meinen Kragen ein Stück nach unten, will ohne es kalt zu kriegen so viel Sonne wie möglich tanken. In meinem Gesicht genieße ich die wohltuende, heilende Kraft des Sonnenlichts.

Wie von selbst stellt sich die Erinnerung an eine Übung ein, die ich vor ein paar Tagen im Interview eines bereits abgelaufenen Online-Kongresses von Udo Grube gehört habe. An sich ist sein Tip dazu gedacht, sich selbst zu helfen, wenn es einem mal gerade ganz und gar nicht gut geht. Das habe ich die letzten zwei Tage ein paar Mal ausprobiert, und obwohl ich erst das Gefühl hatte, dass sich gar nichts tue, hatte ich irgendwann später festgestellt, dass sich doch irgendwie innere Ruhe eingestellt hatte. Warum es nun nicht tun, um mich mit einem guten Gefühl noch besser zu fühlen?

Die Übung ist ganz einfach:
Tief einatmen, dabei innerlich "Danke" sagen
3 Sek Pause
Ausatmen, dabei innerlich "ja" sagen
Das ganze 10 bis 15 Mal wiederholen bzw. bis zu vier Minuten lang.

Und – tatsächlich, das wunderbar entspannte Glücksgefühl beim Sonnen verstärkt sich noch. Und meine Wahrnehmung verändert sich. Ich höre auf einmal ganz bewusst alle Geräusche um mich herum. Was für ein Konglomerat aus menschengemachtem Lärm und Naturklängen. Beim Getreide-, Saatgut-, und Düngemittelhändler hinterm Bahnhof mit seiner inzwischen enorm gewachsenen Anzahl von riesigen Silos rauscht, rumpelt, bläst alles Mögliche. Irgendwo pumpt eine Pumpe.
Der Verkehr von der Autobahn ist vergleichsweise schwach zu hören. Der Wind tost in den Ästen der Parkbäume. Vögel tirilieren. Irgendwo wird gehämmert. Die Efeublätter der Hecke rascheln windbewegt. Ich spüre der Wärme auf meiner Haut nach. Und dem Licht hinter den geschlossenen Lidern. Ich bewege meinen Kopf, so fällt das lidgedämpfte Licht mal von der rechten, mal von der linken Seite aufs Auge. Ein nicht zu definierender, sicher aus irgendeinem Haus nach draußen gewehter Geruch hängt in der Luft, irgendwas Gebäck-artiges, ich kann es nicht näher deuten.

Ab und zu blinzle ich, wenn es plötzlich kühl wird. Kleine Wölkchen, die wieder vorbeiziehen, verdunkeln kurz die Sonne. Lange werde ich hier nicht mehr stehen können, aus dem Nordwesten kommt eine große, schwarze Wolke angezogen. Als ihre Spitze die Sonne erreicht, gehe ich nach drinnen. Kurz darauf regnet es.

Während ich nach oben gehe, fällt mir das kurze Video von Tijn Touber ein, das ich heute Morgen angehört habe. Kluge Gedanken zur ganz aktuellen Situation. Er befasst sich mit den Hoffnungen, die jetzt allerorten aufkeimen bei den Menschen, auf jeden Fall hier im Land. Ganz, ganz viele hoffen, dass die Niederlande es bald Großbritannien und Dänemark u.a. nachtun und alle Maßnahmen fallen lassen. Um hoffentlich schnell zum "alten Normal" zurückkehren zu können. Touber macht auf die Gefahr aufmerksam, die in dieser Hoffnung verborgen ist: sollte diese Rückkehr zu der Art Leben möglich sein, die wir vor der Krönchenzeit gelebt haben – und jenes Leben (gesamtgesellschaftlich und global betrachtet) war ja weder wirklich schön in einem tieferen Sinn und wirklich lebendig, noch freundlich zu den lebenden Mit-Wesen - , dann könnte es passieren, das Viele ganz viel von dem vergessen und wieder wegsinken lassen, was sie in den letzten zwei Jahren gelernt, praktiziert und über die Zusammenhänge in unseren herrschenden Gesellschaftssystemen begriffen haben.

Das wäre sehr, sehr, sehr schade. Und für die tatsächliche Weiter-Entwicklung der Menschheit mehr als nachteilig. Wach bleiben und die Art von Leben als Vision und Ziel im Auge behalten, die ich wirklich, wirklich leben will – das ist gerade, wenn die Lage sich zu ent-spannen scheint, besonders wichtig.

Ausschnitt der Titelseite des New Earth Manifesto
Danke Tijn, dass Du das bewusstgemacht hast.

 *) Reinhard Mey, "Wirklich schon wieder ein Jahr"
**) Die meisten Fotos in diesem Blog sind gestern und heute entstanden. Liebe Stammleserin, Deinen Wunsch zu erfüllen war mir eine Freude.

1 Kommentar:

  1. Genauso habe ich mir das vorgestellt, den Frühlingsboten auf der Spur, im Foto festgehalten und in den Blog gestellt, danke!

    Und es passt zudem so schön zu der Aufforderung von Rafael Bonelli ... wir müssen jetzt den Frühling in unsere Herzen holen.

    ja, dringlich

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