Mitte März bis 10. April 2020 täglich. Ab 11. April 2020 erscheinen die Beiträge jeden zweiten Tag. Ab Montag, 22. Juni 2020 immer Montag und Donnerstag abends. Ab Montag, 13. Dezember 2021 am Montagabend nach 22 Uhr.


Montag, 6. April 2020

Wurzeln schlagen



Diese C-Krise zwingt mich, endgültig in meinem Gastland anzukommen. Schnell eben über die Grenze hüpfen und in Deutschland einkaufen – Fehlanzeige. Obwohl die Grenzen nicht geschlossen sind und obwohl – bei Licht besehen – es wahrscheinlich nicht so viel ausmacht, obe ich in Bunde im Aldi bin, im Multi in Leer oder im Coop in Zuidbroek, fahren wir nicht mehr nach Deutschland zum Einkaufen. Und so beginne ich einige Lebensmittel und Drogeriewaren echt zu vermissen. Ein paar Beispiele:
 
Süßrahmbutter. In den Niederlanden wird nur Sauerrahmbutter gegessen. Irgendwann hab ich mal in einem Buch über kulturelle Unterschiede zwischen Hier und Da gelesen, dass den Niederländern Süßrahmbutter zu flach im Geschmack ist. Ich hingegen finde, das Sauerrahmbutter immer ein bisschen ranzig oder käsig schmeckt. (Also bitte! egal aus welchem Land sie kommt natürlich.)


Quark. In Deutschland ist Quark fest und trocken. Wenn ich ihn aus dem Becher stülpe, behält er seine Form, bis ich Milch oder Leinöl oder was immer unterrühre. Quark in den Niederlanden läuft aus dem Becher wie gerührter Yoghurt. Enthält also viel, viel mehr Molke.

Vitam vegetarische Pastete im Gläschen. Unglaublich lecker die beiden Sorten "Wie feine Leberwurst" und "Wie Pfälzer Leberwurst". Gerade letztere könnte man vermutlich problemlos eingefleischten Wurstessern unterjubeln. Gibt’s nur im Reformhaus. Oder in manchen Rewes. Beides wiederum gibt’s nur in Deutschland.

Brot. Darüber zu schreiben, ist einen eigenen Blogeintrag wert. Mein Partner und ich finden wechselweise das Brot des je anderen Landes wenig ansprechend (um es höflich auszudrücken). Mir ist das hiesige Brot viel zu weich und luftig. Ihm ist 'Deutsches Brot' viel zu kompakt und schwer.
Glücklicherweise kann ich über den Bioladen in Winschoten Brot von einem deutschen Bäcker bestellen *erleichtertseufz*

Klopapier. Jaha, Klopapier! Nämlich solches, das nicht beim ersten scharfen Blick schon in seine Bestandteile zerfällt. Gibt’s nur beim Rewe, eine bestimmte Öko-Sorte. (Nein, wir haben nicht gehamstert beim letzten Frankfurt-Besuch Anfang März. Hätten wir mal!)

Waschmittel. Davon habe ich noch einen Vorrat. Aber dann? Die Duft-Präferenzen hiesiger Hausfrauen und Hausmänner sind offenbar anders als die derjenigen in Deutschland. Mir behagen die Duftstoffe, die den Waschmitteln hier zugesetzt werden, üb-ber-haupt nicht.

Öko-Küchentücher im halben Format. Gibt’s hier nicht. Dumm genug, haben wir auch nicht gehamstert.

Andere Dinge bestelle ich mit innerlichem Grummeln bei Amazon, dem einzigen Onlinehändler, der dies ins Ausland liefert: mein Lieblingsleinöl, das besser schmeckt als jede andere Sorte; Kardamom-Samen von Lebensbaum, denn hier gibt’s nur Kardamom in der Schale, was bei den Mengen, die ich aus Gesundheitsgründen verbrauche, ein mühsames Geschäft ist; Linomel, ein Honig-Leinsaat-Granulat für den Budwig-Quark, den ich als Frühstück esse, gibt es nur in Deutschland.

Wieder anderes ist hier viel teurer, wenn in Bioqualit: 
Basmatireis. Nudeln. (Aber ob die in Leer überhaupt zu bekommen gewesen wären?) Räucherlachs. Mozzarella. Honig. Stevia. Dass NL-Biotomaten in Deutschland im Supermarikt billiger sind als im Supermarkt in den Niederlanden – auch so ein unverständlicher Irrsinn. Meist gibt es sie hier nicht einmal zu kaufen.

Und dann sind da noch Leckereien wie "Kaviarcreme" aus Dorschrogen, gibt’s in Tuben bei Multi oder Combi. Vegetarischer Aufschnitt von Rügenwalder, zwar kein Bio, aber unübertroffen lecker und auch nicht auf Basis des für mich schwer verdaulichen Sojas.

Soll ich mich dann mal auf hiesige Genüsse stürzen? 
Hm. Jenever – nicht mein Ding. Klosterbier – auch nicht. 
 
Aber: 
"Groninger Notenkoek". Oh, so lecker. Eine Art "Honigkuchen" gespickt mit Cashewnüssen, Mandeln, Walnüssen. Darauf – Süßrahmbutter! mmmmmmhhhhhhh!

Speculaas. Sowas wie Spekulatius, aber stärker gewürzt, etwas süßer und weniger trocken und das ganze Jahr hindurch zu kaufen. Es gibt auch eine Brotaufstrichcreme mit diesem Geschmack – immer gern gesehenes Mitbringsel. Falls ich irgendwann mal wieder nach Deutschland kann.

Hagelslag. Unübertroffen wohlschmeckende Schokostreusel für aufs Brot. Nicht, aber auch wirklich nicht zu vergleichen mit dem, was in Deutschland unter dem Namen Schokostreusel in den Regalen liegt.



Matjes, hier schlicht "haring" genannt. So fantastisch wie hier schmecken sie nirgends.

Käse. Und das meine ich ernst. Eine unglaubliche Vielfalt an Sorten. Gouda(artige) nicht nur "jung" "mittelalt" und "alt", auch "jung gereift" und "ganz alt", solchen aus der ersten Milch nach dem ersten Weidegang, und dann natürlich mit Gewürzen und Kräutern drin: Bockshornklee, Nelken, Cumin, um nur einige wenige zu nennen. Und dann noch all die anderen Sorten. Wahnsinn!




Wem beim Lesen jetzt das Wasser im Mund zusammengelaufen ist – irgendwann dürfen wir hoffentlich alle wieder reisen. Und hierher kann man – ganz, wie es sich fraglos gehören wird nach der C-Krise – relativ umweltfreundlich kommen. Völlig ohne Flugzeug.

Sonntag, 5. April 2020

Sprachverwirrung (3)



 "Auch am kommenden Wochenende gehen wir alle NICHT massenhaft an den Strand, in die Wälder oder mal eben zum Vergnügen ins Gartencenter oder den Baumarkt. Bleibt zuhause!"

Welche inneren Bilder entstehen beim Lesen dieses Textes?


Es wundert mich, dass bestimmte Fehler bei den Formulierungen öffentlicher Aufrufe noch immer gemacht werden. Schon vor Jahrzehnten haben Angehörige der Psychologischen bzw. Pädagogischen Zunft  und anderer Sozialwissenschaften darauf hingewiesen: wenn Du möchtest, dass Kinder, Jugendliche, Erwachsene… bestimmte Verhaltensweisen annehmen, formuliere dann so, dass die Verhaltensweise bejahend vor Augen geführt wird. Das Unbewusste ignoriert Wörter wie "nicht" oder "keine" und bezieht sich bejahend ausschließlich auf den genannten Gegenstand oder die genannte Aktivität.

Dazu das uraltbekannte Beispiel: "Denken Sie nicht ein einen rosa Elefanten!"
Was passiert? Ja, genau! Das Tier taucht in voller Größe, wunderbarer Gestalt und fantastischem Rosa vor dem inneren Auge auf.
 
Noch immer staune ich auch über den Programmierer, der auf dem Bildschirm eines Buchhaltungsprogrammes, mit dem ich in den 1980er Jahren arbeitete, während der Rechenprozedur "Jahresabschluss" auf dem Bildschirm folgenden Text erscheinen ließ: Drücken Sie auf keinen Fall die Taste 'Esc'! 
Die Prozedur konnte mehr als eine Stunde dauern, - es war die Zeit, in der externe Datenträger noch Magnetplatte hießen und Fernwartung vom Software-Betreuer mittels Akustikkoppler und Telefonhörer ausgeführt wurde – musste aber durch gelegentliche Blicke auf den Bildschirm überwacht werden.
Nicht im Traum wäre mir je eingefallen, diese Taste zu betätigen, sie hatte innerhalb des Programmes nur in gaaaaaaaanz besonderen Ausnahmefälle eine Funktion. Aber jetzt…. eine Stunde lang diesen Text auf dem Bildschirm…. was für eine Versuchung!
Nur die Tatsache, dass die Reparatur des entstandenen Schadens meinen Auftraggeber wahrscheinlich 1500 bis 2000 DM an Software-Betreuer-Stunden gekostet hätte, hielt mich letztlich davon ab.

Also, wenn ich will, dass die Leute auch an verführerisch schönen, angenehm warmen Frühlingstagen wie heute in ihrer gewohnten Wohnumgebung bleiben, wenn ich Menschenansammlungen (sofort taucht das Bild übervoller Parks, Strände oder IKEA-Parkplätze auf) vermeiden will, sieht mein Aufruf so oder ähnlich aus:

 
"Auch an diesem schönen, sonnigen Wochenende gehen wir nur zum gesundheitsfördernden Spaziergehen oder Fahrradfahren nach draußen.
Auch an diesem schönen, sonnigen Wochenende erkunden wir dabei unsere Wohnumgebung.
Wir gehen spazieren in unseren Stadtteilen oder Dörfern oder starten mit dem Fahrrad direkt von zuhause aus.
Nur so tragen wir zum Gesundbleiben von uns allen bei!"


Macht Euch einen Knoten ins Taschentuch, ins Ohrläppchen oder sonstwohin, Ihr Redenschreiber*innen und Sloganerfinder*innen dieser Welt! Denkt 2x nach, ehe ihr etwas in die Tasten Eures Apple hackt!
Und…..

Bleibt gesund!

Samstag, 4. April 2020

Das Abnorme beginnt alltäglich zu werden

Irgendwas muss dran sein an dem Spruch mit dem Menschen als Gewohnheitstier.
Bei mir selbst beobachte ich, dass ich Verhaltensweisen als 'normal' beginne zu erfahren, bei denen ich mir vor zwei Monaten noch selbst einen Vogel gezeigt hätte:

Wann immer ich von draußen zurückkomme, ist der erste Gang, noch mit Jacke an, zum Händewaschen mit warmem Wasser und Seife. 20-30 Sekunden lang einseifen, nicht zu vergessen!

Einkäufe werde nur noch mit Handschuhen an erledigt, Die Handschuhe selbst nach vollbrachtem Einkauf mit feuchten Tüchern gereinigt und dann so nebeneinander auf dem Rücksitz deponiert, dass die Handflächen nach oben weisen, einander und auch sonst weiter nichts berühren. Oh ja, und wir fahren jetzt Einkaufen, weil immer für eine ganze Woche im Voraus gekauft wird. Zwischendurch keine weiteren Besuche im Supermarkt; ist irgendwas alle, behelfen wir uns.
Die eingekauften Lebensmittel kommen zuhause erst einmal in 'Quarantäne' in die Beiküche und werden erst am nächsten Tag an ihren Platz gestellt. Ausgenommen zu Kühlendes, das wird nach zweistündigem 'Ausruhen' (man weiß schon, hier sollte eigentlich das Wort mit "Qu.." stehen) in der kühlen Beiküche in den Kühlschrank geräumt. Danach: wieder Händewaschen! Obst und Gemüse, lose gekauft, weil aus dem Bio-Laden, wird vor dem Verzehr immer sehr warm gewaschen, und gründlich! Extra gründlich, wenn es roh und ungeschält gegessen werden soll.

Briefe und Pakete kommen erst einmal mindestens einen Tag - Achtung, Qu...-Wort! - auf der Treppe zum Dachgeschoss zu liegen. Wer weiß, wer alles die Poststücke in den Händen gehalten hat?! Auf Papier soll das Virus ja nur wenige Stunden überleben können, heißt es. Auf Plastik länger; darum werden die Plastikversandtüten um Zeitschriften erst noch mit einem Alkoholtüchlein gereinigt, ehe mit spitzen Fingern das Plastik entfernt und sofort weggeworfen wird. Danach wiederum: Händewaschen! Pakete dürfen ebenfalls erst ausführlich Bekanntschaft mit einem Reinigungstuch machen, bevor sie geöffnet werden.

Auch anderes Verhalten, das einer im Februar übelgenommen worden wäre, gilt nun als höflich und vorsichtig: beim Spazierengehen sehe ich in der Ferne jemand auf dem Fußgängerweg auf mich zukommen. Anstatt freundlich-neugierig auf diese Person zu zu gehen, könnte ja jemand sein, den oder die ich kenne, wechselt eine/r von uns die Straßenseite oder geht auf der Fahrbahn weiter. Man nickt sich zum Gruß mehr zu, als dass man einen Gruß ausspricht, auch wenn die 1,50 m Abstand weit überschritten sind.
Früher - früher??? vor wenigen Wochen! - hätte mensch in dieser Situation kopfschüttelnd oder verärgert sich gefragt: was hab ich dem oder der den getan???

All das ist auf einmal "normal" geworden.


Eine Bekannte berichtete, dass sie inzwischen Beklemmungen kriegt, wenn sie in einem Film Leute in einer vollen Disco oder im Konzertsaal, dichtgedrängt in der U-Bahn oder im einstmals alltäglichen Großstadtgewimmel sieht.

Ich fasse mir an den Kopf! Was um Himmels willen passiert hier eigentlich?

Wie wird es sein, wenn dieser Wahnsinn irgendwann mal vorbei ist?
Werde ich jemals wieder unbefangen öffentliche Verkehrsmittel benutzen können?
Werde ich jemals wieder jemand arglos die Hand geben?
Eine gute Freundin, meine Schwester, meine Nichte zur Begrüßung unbeschwert umarmen?

Ich weiß es nicht.
Ich. Weiß. Es. Einfach. Nicht.

Freitag, 3. April 2020

HB-Männchen

Als die Sommer noch nicht so heiß waren wie die letzten beiden, mussten wir eines Winters von einigen Eschen im Park hinter unserem Garten Abschied nehmen. Eschentriebsterb
en.


Monate später, zur Pflanzzeit, kreuzte unerwartet eine Mannschaft vom hiesigen Gartenbauamt-Äquivalent auf und begann, im Park bestimmte Stellen zu markieren. Tags darauf rückten die Männer mit einem Hänger voll junger Bäumchen an. Und begannen zu pflanzen. Manche davon ungefähr in der Nähe der Stelle, wo die Eschen gestanden hatten, andere ganz woanders.

Es war schön anzusehen, wie überall die neuen Bäumchen ihren Standplatz bekamen. Verschiedene Arten, so wie es aussah. Eine große, bislang eher langweilige Wiese bekam eine Dreiecksanpflanzung besonders junger Bäume verpasst, ein Stück weiter einen jungen Solitär. Einen Gingko, wie ich mit Freude feststellte.

Direkt hinter den Gärten unserer Häuserzeile, ein Stück links von uns, beinahe mittig vor dem nächsten Doppelhaus, hatte auch eine solche alte Esche gestanden. Ihre Sämlinge hatten wir jedes Jahr aufs Neue
überall in unseren Beeten gefunden. Dorthin kam kein neuer Baum. Statt dessen sah ich zwei der Gärtner eine Fläche am Teich, hinter unserem Garten erkunden. War da auch eine Markierung gewesen? War mir gar nicht aufgefallen. Je.den.falls! Sie musterten mich, die ich vom Garten aus dem Treiben zusah, noch - und begannen dann das Pflanzloch zu graben, um dann einem jungen Baum dort seinen Platz zu geben. Eine Eiche, wie sich später zeigen sollte.

In mir brach eine ungeahnte Empörung aus. Was für eine Unverschämtheit! Direkt mittig hinter unseren Garten! Wenn der Baum größer wurde, würde er unserem Pflaumenbäumchen und unserem Weinstock die Sonne nehmen! Vorbei mit den leckeren Pflaumen und den süßen, blauen Trauben! Wie konnten die Gärtner es wagen ?! Ohne uns zu fragen, was wir davon halten! Frechheit!
Wie ein Rumpelstilzchen tobte ich innerlich.

Einige Jahre und zwei heiße Sommer mit einem beinahe vertrockneten Garten später, schaue ich mit ganz anderen Empfindungen zur inzwischen gewachsenen, aber noch immer jungen Eiche.
Nun bin ich nicht nur froh, dass es ein Laubbaum mit nicht ganz kleinen Blättern ist, sondern auch darum, dass er überhaupt dort steht. An seinem Standort zwischen Schloot und Teich, die beide bislang auch sommers noch ziemlich gut gefüllt waren, wird er keine Trockenheitsproblem bekommen.
Plötzlich kann sein Wachstum mir nicht schnell genug gehen. Wird er doch einstmals mit seinem Schatten helfen, das Klima in unserem nach Süden gelegenen Garten erträglicher zu machen. Über die Pflaumen und Trauben mache ich mir schon lange keine Sorgen mehr. Die bekomme zu anderen Tageszeiten genug Sonne ab, weder rechts noch links stehen in den Gärten hohe Bäume.
Voll Dankbarkeit und Scham habe ich inzwischen Abbitte geleistet bei der kleinen Eiche und ein freundschaftliches Band zu ihr geknüpft.






Soviel zum Thema HB-Männchen in der Frau!

Donnerstag, 2. April 2020

Ent-Angsten

Quelle: https://christinavondreien.ch/news, 31.03.2020
In den letzten 14 Tagen ist es mir ganz gut gelungen, optimistisch, innerlich positiv gestimmt, das Leben zu nehmen, wie es ist und Freude zu erleben, trotz allem.
Und dann gibt es so Tage wie diesen, voller Momente, in denen plötzlich Angst in mir auftaucht und am liebsten ganz schnell zu Panik werden möchte.

Es hustet noch immer ab und zu aus mir. [Von der schweren Erkältung im Februar ist ein Hüsteln übrig geblieben.] Ist das jetzt etwa trockener Husten oder doch nicht??? Meine Nase ist wieder mal ein bisschen zu. Muss ich mir jetzt Sorgen machen??? ['Eigentlich' habe ich seit Jahrzehnten chronisch damit zu tun.] - "Was willst Du, bei knapp über 30% Luftfeuchtigkeit im Haus, Heizung und ständigem Wind, der durch die Lüftungsgitter an den Fenstern weht und die Luft auch noch trocken macht?" hält die Innere Stimme dagegen. - "Ja, aber....."

Noch nie in meinem Leben habe ich so darauf geachtet, wie das Befinden meiner Atemwege ist. Das Gefühl, wie es 'normalerweise' ist, ist mir vollkommen abhanden gekommen, weil ich das Normale bislang nicht beachtet habe. Aber jetzt! "Es fühlt sich belegt auf den Bronchien an, jetzt wo ich zu Bett gegangen bin und einschlafen will. Hiiilfeee!" - "Erinner' Dich an die Zeit vor vielen Jahren, in der Du jeden Abend in der Einschlafphase einen Hustenanfall bekamst! Da war weiter nichts, nur das. Damals gab Dein Hausarzt Dir Tropfen mit Codein mit und die Anweisung: nimm 5 Tropfen vor dem Einschlafen. Es half!  ... Erst viel später dann hast du Du die Dosierungsanweisung auf dem Etikett der Flasche gelesen; die 5 Tropfen waren die Dosis für Babies!"

Und so würde das Gezeter stundenlang weitergehen in meinen Gedanken, wenn ich dem keinen Einhalt geböte. Ja, aber; ja, aber; ja, aber.
Das Beharrungsvermögen des inneren Panikmachers ist groß. Und schleicht sich immer wieder neu an.

Und was hab ich davon? Es frisst Energie, die Welt um mich herum verschwindet in einem Grauschleier, mein Blutdruck erreicht ungewünschte Höhen, und meinem Immunsystem tut es nicht gut.

In diesen Momenten ist Disziplin gefragt. Wahrlich nicht meine starke Seite.

Aber ich hatte ja gesagt: diese Zeit der Stille nehme ich als Chance für inneres Wachstum.

Zurück ins "Jetzt" also, ist die Devise. Zurück in die Freude. Wenn's sein muss, üben wir das mehrfach am Tag.
Zum Beispiel so:

Wieder ist es ein wunderbarer, sonniger Frühlingstag (halt die Klappe, innerer Kritikaster! der Wind spielt jetzt keine Rolle!)
Es ist schön, vom Frühstückstisch aus in den Garten zu schauen. Dank meines fleißigen Partners sind die Beete perfekt gejätet.

Die Hyazinthen blühen so enthusiastisch und voll wie noch nie.
Der kleinbleibende Fächerahorn ist plötzlich voller junger Blättchen.
Der Birnbaum wird dies Jahr üppig blühen, die Knospen werden sich bald öffnen. Die Pflaume treibt auch ihre Blüten. Sparsamer als im vergangenen Jahr, vielleicht hat sie das Zurückschneiden übelgenommen?

Die Kronenanemonen erfreuen uns, wie die letzten Tage schon, mit ihrem unglaublich kräftigen Rot. Sorry, Mohn, aber gegen dies Rot kannst auch Du nicht anleuchten!






Je mehr ich mich auf diese Zeichen der erwachenden Natur einlasse, um so glücklicher fühle ich mich. Ich kann fühlen, wie Freude allmählich jeden Winkel in mir ausfüllt, jede Falte glättet.

Wenn ich genau hinschaue, hinfühle, kann ich beinahe wahrnehmen, wie die großen, alten Bäume im Park, wie auch die junge Eiche, die sie uns im Pärkchen direkt mitten vor den Garten gepflanzt haben, wie die Efeuhecke und der Wacholderbaum ihre nährenden Säfte allmählich bis in die feinsten Verästelungen saugen und alles sich freut auf das neue Leben und wachsen.

Und ich - bin mit angekommen in dieser Freude und gehe lächelnd in diesen neuen Tag, gefüllt mit lebendigen "Jetzten". Hoffentlich.
Sonst üben wir weiter.

Mittwoch, 1. April 2020

Sprachverwirrung (2)

#stayathome #drinnenbleiben

Noch so ein Slogan, der für totale Verwirrung sorgt und vielleicht sogar ihm entgegengesetztes Verhalten provoziert hat.

Was darf man denn nun?  Was darf man nicht? Muss ich mich nun sicherheitshalber so verhalten, als ob ich in Quarantäne wäre?
Die beiden Slogans suggerieren, dass mensch absolut strikt in den eigenen vier Wänden bleiben soll, bleiben muss, will er oder sie sich selbst und andere nicht in Gefahr bringen.

Aber: Es gibt nichts Ungesünderes als den ganzen Tag in der Bude zu hocken.
Was, bitte, passierte mit meinen Abwehrkräften, wenn ich nicht mehr an die frische Luft käme? Bzw. diese nur noch am geöffnete Fenster, auf dem Balkon oder meiner eigenen Terrasse atmete? Was passierte dann mit meiner Kondition? Wie wäre das für den Blutdruck, den Blutzucker, die Verdauung, wenn ich mich nicht mehr draußen bewegte, nicht mehr wenigstens regelmäßig spazieren ginge?

Ach so! Spazieren gehen fällt da nicht drunter?! Und Fahrradfahren auch nicht?! Und warum rufen dann alle dauernd #drinnenbleiben oder #stayathome?

Ich habe mir ein paar der in unseren Breiten geltenden Ausgangsbeschrän-kungen angeschaut. Spazieren gehen, sofern allein oder mit Menschen aus der eigenen Lebensgemeinschaft und unter Beachtung des Abstandes von 1,5 bis 2 m zu anderen gehört überall zu den "dringenden Anlässen" und ist daher zugelassen. Dito Fahrradfahren.

Gemeint mit dem 'Zuhausebleiben' ist also etwas ganz anderes. Wieder geht es um den Abstand zu anderen Menschen. Um das Vermeiden von Aufeinanderglucken. Nicht die Außenluft an sich ist ansteckend, sondern nur die von infizierten Menschen ausgeatmete, ausgenieste, ausgehustete Luft. Da will man natürlich nicht in der Nähe stehen! Aber, wenn ich einem Virologen glauben mag, von dem ich ein kurzes Stück Interview im Radio mitbekam, die Virenkonzentration verdünnt sich ganz schnell enorm, mit zunehmendem Abstand immer mehr. Wie lange das Virus so vereinzelt in der Luft überlebt, wäre noch herauszusuchen.

Das Virus könnte sich übrigens auch an Staub heften. Der ist jedoch allgegenwärtig und dringt durch Lüftungsschlitze in den Fenstern, jede Ritze oder geöffnete Fenster nach drinnen. Und lüften muss man nun wahrlich, dazu wird dann ja auch wieder aufgefordert. Ach ja, und auf dem Balkon (beim Balkonsingen zum Beispiel) entkäme mensch ihm auch nicht.

Die Wahrheit ist also ein gutes Stück differenzierter als #stayathome.
Nur lässt sie sich, wie alles differenzierte, nicht so praktisch in ein Wort zwängen. Mir ist jedenfalls noch keines eingefallen.
#nurrausbeiwichtigemgrund ist vielleicht doch ein bisschen langatmig. Jedenfalls aber treffender.
Bessere Vorschläge sind sehr willkommen! Wofür sonst gibt es denn eine Kommentarfunktion?

Wahr bleibt: Bewegen an der frischen Luft ist noch immer gesundheitsfördernd und wenig gefährdend, wenn man Abstand von anderen hält.

Wie jemand in einem Kommentar zu einem Bericht zum C-Kontaktverbot auf rbb24 schrieb:

Von Corona bedrohte Lungen brauchen frische Luft, Sonne hilft Vitamin D zu produzieren, und das Wichtigste, was Leute jetzt machen sollten: Ihr Immunsystem stärken.


Um Missverständnisse zu vermeiden: beim obersten Foto handelt es sich nicht um Interieur und Ausblick meiner Wohnung. Es ist im Februar diesen Jahres aufgenommen im Museum für Kommunikation in Frankfurt, in der Ausstellung über "Das Geheimnis. Ein gesellschaftliches Phänomen".
Die Landschaftsaufnahmen wurden vor exakt sieben Jahren im Heemtuin in Muntendam gemacht. Noch immer ein Ort, an dem Abstand halten zu anderen extrem einfach ist. Es sind niemals viele Menschen zugleich dort unterwegs.

Viel gelesen