Mitte März bis 10. April 2020 täglich. Ab 11. April 2020 erscheinen die Beiträge jeden zweiten Tag. Ab Montag, 22. Juni 2020 immer Montag und Donnerstag abends. Ab Montag, 13. Dezember 2021 am Montagabend nach 22 Uhr.


Montag, 6. April 2020

Wurzeln schlagen



Diese C-Krise zwingt mich, endgültig in meinem Gastland anzukommen. Schnell eben über die Grenze hüpfen und in Deutschland einkaufen – Fehlanzeige. Obwohl die Grenzen nicht geschlossen sind und obwohl – bei Licht besehen – es wahrscheinlich nicht so viel ausmacht, obe ich in Bunde im Aldi bin, im Multi in Leer oder im Coop in Zuidbroek, fahren wir nicht mehr nach Deutschland zum Einkaufen. Und so beginne ich einige Lebensmittel und Drogeriewaren echt zu vermissen. Ein paar Beispiele:
 
Süßrahmbutter. In den Niederlanden wird nur Sauerrahmbutter gegessen. Irgendwann hab ich mal in einem Buch über kulturelle Unterschiede zwischen Hier und Da gelesen, dass den Niederländern Süßrahmbutter zu flach im Geschmack ist. Ich hingegen finde, das Sauerrahmbutter immer ein bisschen ranzig oder käsig schmeckt. (Also bitte! egal aus welchem Land sie kommt natürlich.)


Quark. In Deutschland ist Quark fest und trocken. Wenn ich ihn aus dem Becher stülpe, behält er seine Form, bis ich Milch oder Leinöl oder was immer unterrühre. Quark in den Niederlanden läuft aus dem Becher wie gerührter Yoghurt. Enthält also viel, viel mehr Molke.

Vitam vegetarische Pastete im Gläschen. Unglaublich lecker die beiden Sorten "Wie feine Leberwurst" und "Wie Pfälzer Leberwurst". Gerade letztere könnte man vermutlich problemlos eingefleischten Wurstessern unterjubeln. Gibt’s nur im Reformhaus. Oder in manchen Rewes. Beides wiederum gibt’s nur in Deutschland.

Brot. Darüber zu schreiben, ist einen eigenen Blogeintrag wert. Mein Partner und ich finden wechselweise das Brot des je anderen Landes wenig ansprechend (um es höflich auszudrücken). Mir ist das hiesige Brot viel zu weich und luftig. Ihm ist 'Deutsches Brot' viel zu kompakt und schwer.
Glücklicherweise kann ich über den Bioladen in Winschoten Brot von einem deutschen Bäcker bestellen *erleichtertseufz*

Klopapier. Jaha, Klopapier! Nämlich solches, das nicht beim ersten scharfen Blick schon in seine Bestandteile zerfällt. Gibt’s nur beim Rewe, eine bestimmte Öko-Sorte. (Nein, wir haben nicht gehamstert beim letzten Frankfurt-Besuch Anfang März. Hätten wir mal!)

Waschmittel. Davon habe ich noch einen Vorrat. Aber dann? Die Duft-Präferenzen hiesiger Hausfrauen und Hausmänner sind offenbar anders als die derjenigen in Deutschland. Mir behagen die Duftstoffe, die den Waschmitteln hier zugesetzt werden, üb-ber-haupt nicht.

Öko-Küchentücher im halben Format. Gibt’s hier nicht. Dumm genug, haben wir auch nicht gehamstert.

Andere Dinge bestelle ich mit innerlichem Grummeln bei Amazon, dem einzigen Onlinehändler, der dies ins Ausland liefert: mein Lieblingsleinöl, das besser schmeckt als jede andere Sorte; Kardamom-Samen von Lebensbaum, denn hier gibt’s nur Kardamom in der Schale, was bei den Mengen, die ich aus Gesundheitsgründen verbrauche, ein mühsames Geschäft ist; Linomel, ein Honig-Leinsaat-Granulat für den Budwig-Quark, den ich als Frühstück esse, gibt es nur in Deutschland.

Wieder anderes ist hier viel teurer, wenn in Bioqualit: 
Basmatireis. Nudeln. (Aber ob die in Leer überhaupt zu bekommen gewesen wären?) Räucherlachs. Mozzarella. Honig. Stevia. Dass NL-Biotomaten in Deutschland im Supermarikt billiger sind als im Supermarkt in den Niederlanden – auch so ein unverständlicher Irrsinn. Meist gibt es sie hier nicht einmal zu kaufen.

Und dann sind da noch Leckereien wie "Kaviarcreme" aus Dorschrogen, gibt’s in Tuben bei Multi oder Combi. Vegetarischer Aufschnitt von Rügenwalder, zwar kein Bio, aber unübertroffen lecker und auch nicht auf Basis des für mich schwer verdaulichen Sojas.

Soll ich mich dann mal auf hiesige Genüsse stürzen? 
Hm. Jenever – nicht mein Ding. Klosterbier – auch nicht. 
 
Aber: 
"Groninger Notenkoek". Oh, so lecker. Eine Art "Honigkuchen" gespickt mit Cashewnüssen, Mandeln, Walnüssen. Darauf – Süßrahmbutter! mmmmmmhhhhhhh!

Speculaas. Sowas wie Spekulatius, aber stärker gewürzt, etwas süßer und weniger trocken und das ganze Jahr hindurch zu kaufen. Es gibt auch eine Brotaufstrichcreme mit diesem Geschmack – immer gern gesehenes Mitbringsel. Falls ich irgendwann mal wieder nach Deutschland kann.

Hagelslag. Unübertroffen wohlschmeckende Schokostreusel für aufs Brot. Nicht, aber auch wirklich nicht zu vergleichen mit dem, was in Deutschland unter dem Namen Schokostreusel in den Regalen liegt.



Matjes, hier schlicht "haring" genannt. So fantastisch wie hier schmecken sie nirgends.

Käse. Und das meine ich ernst. Eine unglaubliche Vielfalt an Sorten. Gouda(artige) nicht nur "jung" "mittelalt" und "alt", auch "jung gereift" und "ganz alt", solchen aus der ersten Milch nach dem ersten Weidegang, und dann natürlich mit Gewürzen und Kräutern drin: Bockshornklee, Nelken, Cumin, um nur einige wenige zu nennen. Und dann noch all die anderen Sorten. Wahnsinn!




Wem beim Lesen jetzt das Wasser im Mund zusammengelaufen ist – irgendwann dürfen wir hoffentlich alle wieder reisen. Und hierher kann man – ganz, wie es sich fraglos gehören wird nach der C-Krise – relativ umweltfreundlich kommen. Völlig ohne Flugzeug.

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