Mitte März bis 10. April 2020 täglich. Ab 11. April 2020 erscheinen die Beiträge jeden zweiten Tag. Ab Montag, 22. Juni 2020 immer Montag und Donnerstag abends. Ab Montag, 13. Dezember 2021 am Montagabend nach 22 Uhr.


Montag, 8. Juni 2020

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Foto Wikimedia Commons
Beim Gemüsebauern sehe ich eine Frau ihr Portemonnaie zücken und mit Bargeld bezahlen. Richtiges, echtes Geld wechselt hier von Hand zu Hand den Besitzer.

Ich staune.
Dass es das noch gibt!

Nachdem unser Wocheneinkauf gewogen, mit Preisen versehen und in die Kasse getippt, in der Tasche verstaut und mit EC-Karte mittels RFID-Chip kontaktlos bezahlt ist – alles, wie es sich gehört, mit den berühmten 1,5 m Abstand und außerdem an der frischen Luft, denn der Hofladen wurde vor ein paar Wochen kurzerhand nach draußen verlegt – kann ich mir doch nicht verkneifen zu fragen: "Man kann hier auch bar bezahlen???"
"Ja, 'türlich" antwortet die Inhaberin. "Warum nicht?"

Naja, niemand sonst hier in den Niederlanden will noch, dass bar bezahlt wird. Barzahlung war eines der ersten Dinge, das von der Regierung zu Beginn der C-Virus-Krise entmutigt wurde. Die meisten Läden nehmen schlicht kein Bargeld mehr an. Auch Imbisse, Restaurants, Friseure – alles kontaktlos mit EC-Karte. Wie ich die Niederländer so kenne, sogar der Stand mit italienischem Eis, der vor drei Wochen auf dem kleinen Platz in der Mitte des Dorfes aufgeschlagen wurde. Denn schon vor dem C-Virus-Wahnsinn waren die Menschen hier enthusiastische Nutzer des "Pinnens"  - Bezahlen mit EC-Karte. Selbst auf dem Markt, selbst, wenn ich nur 1 Zitrone kaufte oder beim Fischhändler ein Fischbrötchen bestellte, hatte man lieber, dass ich die EC-Karte zückte statt Münzen zu geben.

Seit ich Anfang März, gerade noch vor Beginn des Lockdown-Zirkus, aus Frankfurt zurückgekommen bin, habe ich mein
Portemonnaie nur noch in der Hand gehabt, wenn ich meine Kreditkarte zum Bezahlen von Internet-Einkäufen brauchte.
Meine EC-Karte, Personalausweis und Kundenkarte der Bioladen-Kette stecken in entsprechenden Fächern meiner Handy-Hülle.
Auch meinen Rucksack habe ich nicht mehr benutzt, seit ich aus Frankfurt zurück bin. Einkaufen fahren wir mit dem Auto, und ausschließlich Einkaufen. Zielgerichtet. Dafür brauche ich meinen Einkaufskorb und -tasche sowie mein Handy mit den Karten. Taschentuch in der Hosentasche. Schlüssel in der einen Jackentasche und Sterillium-Fläschchen zum Desinfizieren der Hände nach dem Verlassen des Ladens in der anderen. So gerüstet geht's auf in den Bioladen. Maskieren müssen wir uns hier nicht.

Keine Handtasche. Kein Portemonnaie.

Die Kundin beim Gemüseanbauer ging ganz selbstverständlich um mit dem Bargeld. Etwas, das bei mir auch mal so war. Vor drei Monaten. Inzwischen habe ich schon beinahe vergessen, wie unser Geld aussieht, wie es sich anfühlt. Und, wenn ich so darüber nachdenke, muss ich sagen, ich vermisse das: das Gefühl, tatsächlich gegenständlich eine Art Gegenwert zu tauschen gegen die Lebensmittel, die ich im Laden zusammengetragen habe und nun mein Eigen nennen möchte. Diese Wahrnehmung von etwas Stofflichem, das ich im Tausch gegen das, was mich die nächsten Tage nähren wird, weggebe.

In Frankfurt hatte ich noch extra einen Betrag von meinem Konto abgehoben, weil Geldtanken am Automaten im Ausland ja schweineteuer ist.
Das hätte ich mir sparen können.
Die Scheine liegen noch so unberührt im Sparstrumpf in meinem Schreibtisch, wie ich sie am 3. März hineingelegt habe.

Das Ganze ist eigentlich um  sich an den Kopf zu greifen.
Bargeld ist ein gesetzliches Zahlungsmittel.
Die gesundheitliche Gefährdung (Übertragung durch Schmierinfektion) ist, wird in Deutschland gesagt, nihil.

Bild gefunden im www
 
Hier stimmt doch was nicht.










Bei nebenstehendem Bild stimmt auch etwas nicht. Anders als bei unsererm Bio-Gemüsebauern versteckt sich hier zwischen dem Gemüse eine Raupe, die auch an allem schon ein bisschen herumgefressen hat.
Wer findet sie?


Samstag, 6. Juni 2020

Guten Morgen, du Schöne



Und dann sind da diese anderen Tage. An denen stehe ich auf, und die Welt ist in Ordnung. Dann schaut mir aus dem Spiegel eine heitere Frau entgegen, die auf dem Weg ist, den Archetyp der Weisen Alten mit Leben zu füllen. Die silberweiße Lockdown-Frisur umrahmt üppig in sanften Schwüngen ein schmales, erstaunlich glattes Gesicht, und es blicken mich warmherzige, tiefgründige, seelenvolle Augen an.

Diese Frau hat viel gehört, gesehen, begriffen – muss es nicht einmal selbst mitgemacht haben – und schaut mit traurig-liebevoller Aufmerksamkeit auf all dies Elend, das Menschen untereinander und in der Welt anrichten. "Einfach so" glücklich in den Tag hineinleben – das war das Vorrecht der Jugend in der ihr eigenen, vorwärtsstrebenden Aktivität. 
Darum geht es heute nicht mehr. Es geht um eine tiefere Art Glücklichsein. Herzenswarme Anwesen-heit. Die ist es, die sich zusehends ent-wickelt, aus dem Inneren heraus gemeinsam mit dem Begreifen ent-faltet. Allmählich entsteht eine Art heitere Gelassenheit. Vertrauen in das Leben an sich kommt zurück.

Tatsächlich, bei einem Ding, das passiert, werden sofort alle Konsequenzen bewusst, die das haben könnte für … im Zweifelsfall das globale Leben. Aber eben alle. Denn immer gibt es auch Möglichkeiten, dass aus im ersten Erleben Negativem etwas Konstruktiv-Lebensfreundliches entsteht.
Nicht umsonst lässt Goethe in Faust I (Zeile1336) Mephisto sagen, er sei: "Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft."

Diese anderen Tage sind es, an denen ich wahrnehme, wie überall Menschen sich nicht vom C-Virus-Wahnsinn absorbieren lassen. Wahrnehme, wie überall Menschen damit beschäftigt sind, sich gerade aus diesem Bann zu befreien oder sich schon aus dem Bann befreit haben und auf ihre je eigene Weise an einem menschlichen, menschenwürdigen Zusammen-Leben auf und mit diesem Planeten aus der Krise heraus und nach der Krise zu arbeiten.
In kreativen Zirkeln, Online-Kongressen, gemeinsamen Meditationen, Umwelt-Organisationen, spirituell-philosophischen Gruppen, Reiki-Kreisen, Heil-Gruppen, und, und, und.

Es sind diese Tage, an denen ich wirklich anwesend bin in meinem Leben und tatsächlich die dinge tue, die an diesem Tag getan werden wollen.

Das sind diese Tage, an denen ich dankbar für all das Gute und Wohltuende in meinem Leben,  dankbar für die Menschen, mit denen ich auf vielfältige Weise liebevoll verbunden bin, mein eigenes 'kleines' Jetzt lebe.

Ich wünsche mir, dass es so viele Tage wie irgend möglich sind. 

Donnerstag, 4. Juni 2020

Böse Alte

Als Kind begegnete ich in meiner Umgebung manch einer “bösen Alten”.  Das waren ältere Frauen, denen wir lieber aus dem Weg gingen oder die wir auch, glücklicherweise selten (sage ich heute), zusammen mit anderen Kindern ärgerten. Unsere Mutter versuchte, uns begreiflich zu machen, dass es für dies ‘Bösesein’ einen Grund geben musste. Vielleicht seien diese Frauen sehr einsam. Oder sie hätten im Krieg viel mitgemacht.

Heute schaut mir aus dem Spiegel oft genau solch eine böse Alte ins Gesicht. Ich blicke in ihre traurigen, zutiefst ernüchterten, auch ängstlichen Augen und verstehe.

Es gibt einen Moment im Leben, ab dem hat man zu viel gehört, gesehen, kapiert – braucht es nicht einmal selbst mitgemacht zu haben – und kann nicht mehr einfach so, 'glücklich und zufrieden' in den Tag hineinleben. Es sind zu viele Zusammenhänge klar und bewusst, und bei einem Ding, das passiert, sieht man sofort alle möglichen Konsequenzen vor sich, die das haben könnte für.... im Zweifelsfall das globale Leben. Der C-Virus-Wahnsinn hat dem allem einen zusätzlichen Schub gegeben.

Ab jenem Moment wird es innerlich anstrengend.
Jedes Mal, wenn ich mir der bösen Alte bewusst werde, die mich da anschaut, beginne ich, gegen zu steuern. Gar nicht so einfach, wenn es heute hier zwickt, morgen dort zwackt und übermorgen ein anderer Teil des Körpers nicht so will, wie er soll. Und man sich aufgrund der eigenen Geschichte fragt, wie ernst das nun sei.
Dazu kommt die ständig von außen geschürte Angst, dass man sich noch immer überall anstecken könne, und jeder Nieser und jedes belegte Gefühl auf den Bronchien – eigentlich meine chronischen Begleiter – löst Panikanfälle aus. Trotz aller Meditationen und Übungen.

Und so kann ich aus tiefster Seele nachvollziehen, was in unserer schon lange verstorbenen, ehemaligen Nachbarin aus dem 2. Stock des gegenüberliegenden Hauses im 2. Stock umgegangen sein mag, die immer wieder mal ihren schimpfenden Kopf aus dem Fenster steckte, wenn erneut jemand Schellekloppen bei ihr gemacht hatte. Ab einer bestimmten Phase im Leben ist alles einfach nur viel, und das Schlimme ist, dass man sich manchmal nur mühsam noch Schönes vorstellen kann, das einen überrascht und dem Leben Glanz und Strahlen verleiht.

Das ist alles andere als spirituell erleuchtet.
Aber ein Fakt in der Empfindungswelt einer "bösen Alten".


Frau Fischer hatte zwei Katzen, die ihr Ein und Alles waren und die stillsitzend in der Einkaufstasche auf Rädern mit spazierengingen.

Ich kann gut begreifen, was in dieser Frau vorging.

Dienstag, 2. Juni 2020

Luthers Apfelbäumchen




Zinaida Serebriakova, "Apfelbaum", um 1900
 "Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt zugrunde geht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.”   

Dieser Martin Luther zugeschriebene Ausspruch hat in der Zeit direkt nach dem Zweiten Weltkrieg, lanciert durch verschiedene Amtsträger der Evan-gelischen Kirche, große Popularität erreicht. Eine derartige Aussage ist in Luthers ganzem Werk nicht zu finden; schriftlich taucht sie erstmals 1944 in einem Rundbrief der Bekennenden Kirche in Hessen auf. Nach Kriegsende und in den ersten Nachkriegsjahrzehnten haben dann Viele daraus Stärke und Trost bezogen. Und auch mir kann dies Wort in manchem Moment in der derzeitigen Situation eine Hilfe sein. Ob es nun von Luther ist oder nicht.

Die Allgegenwart der Bedrohung – dazu reichen die sporadischen Nachrichten, die ich mithöre, wenn mein Partner das Radio laufen hat bzw. das, was bruchstückhaft von der Übersichtsseite meines Webmailers bzw. von Facebook-Bekannten geteilt aus dem News-Feed in mein Bewusstsein dringt – kann schon mal Hoffnungslosigkeit aufkommen lassen.

Welch ein Vertrauen in das Leben, die Natur, welch ein Gottvertrauen auch setzt dieser Satz dagegen. Es ist dieses große 'Dennoch', das immer wieder die Scheidelinie markiert zwischen sich von der Welle überspülen lassen und untergehen – oder alle Kraft zusammen nehmen, kämpfen und leben.

Ich gebe zu, mir fällt dies 'Dennoch' nicht immer leicht. Von Natur aus bin ich wohl keine sehr enthu-siastische Kämpfernatur. 

Aber ich weiß, dass darin die einzige Möglichkeit besteht, einigermaßen unbeschädigt aus diesem Wahnsinn heraus zu kommen. Den Irrsinn an mir ablaufen lassen, so dass er in der trockenen Erde versickert, von ihr aufgesogen wird. Weg.

Mich jeden Tag erneut dem Leben öffnen. Anschauen, was es mir heute präsentiert, was er heute von mir will und daraus meinen Tag gestalten.

Das kann eine Kombination verschiedener Aufgaben im Haushalt sein, abgewechselt mit Lektüre eines Buches, Herumstromern im Internet, einem Gang durch den Garten mit hier was zupfen und da was richten, nicht zu vergessen der tägliche Spaziergang.

Das kann einer der Tage sein, da liegen 4 Briefe von Brieffreundinnen auf einmal im Briefkasten, der Blog will noch geschrieben und online gestellt werden, und die Bilder dazu habe ich auch noch nicht herausgesucht. Oder die Runde durchs Haus ist dran, bei der alle auf 3 Etagen verteilten Pflanzen Wasser bekommen. Und dann waren da noch die 2 Blockflöten, die gespielt werden wollen. Oder es ist Einkaufstag im Bioladen. Das Meditieren will seinen Platz im Tag bekommen, und dann gibt es auch noch allerlei hochinteressante Interviews von einem Online-Kongress anzuhören. Und am angefangenen Pulli fehlt noch immer das Halsbündchen. Hinterm Zaun oben am Ufer zum Schloot müssen Riedgras, Ackerschachtelhalm, Efeu, Jakobskreuzkraut und vereinzelte Löwenzähner in die Schranken verwiesen werden.

So ergeben sich immer Dinge, die an einem Tag getan werden wollen.Das klingt alles andere als aufregend, und es hält keinen Vergleich aus mit der Freiheit, jederzeit in einen Zug steigen und in die Stadt fahren zu können, um ein Museum zu besuchen, um Einkaufen zu gehen, um die Schönheit Groningens zu genießen und vielleicht noch friet oder ein ‚broodje haring‘ zu schnabulieren. Oder schnell eben mit der Bahn nach Scheemda zu fahren auf eine Tasse Kaffee mit der Freundin dort. Oder mit der Freiheit, immer dann nach Frankfurt zu reisen, im Zug, wann ich innerlich wieder so weit bin, Großstadtluft schnuppern zu müssen.
Es kann auch nicht heranreichen an Tref-fen mit gleichgesinnten Menschen in einer meiner spirituell-philosophischen Gruppen.
 
Aber es ist auch nicht nichts.
 
Ein Apfelbäumchen habe ich nicht gepflanzt. Aber Tomaten. Da sind schon die ersten Blüten zu sehen. Und die ersten Monatserdbeeren habe ich auch schon geerntet.

Montag, 1. Juni 2020

SpaceX


Ein guter Freund hat mir dieses Foto zugespielt.


Offenbar hat Teddy hinter meinem Rücken zuviel fern gesehen und sich heimlich den ganzen Livestream von SpaceX und der Reise  der amerikanischen Astronauten zur Raumstation ISS reingezogen.
Das hat ihm scheinbar keine Ruhe gelassen und ihn angestachelt, in der Nacht, während ich schlief, auf Achse zu gehen.
Ich habe von der ganzen Sache nichts, aber auch gar nichts mitbekommen.


 



Als ich morgens wach wurde, saß er wie immer auf seinem Platz und schien getreulich meinen Schlaf bewacht zu haben.

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