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Montag, 31. August 2020

Demonstrieren in Zeiten der ...


... nein, nicht Cholera.

Nach einem Wochenende, das ich mit viel Meditation für Frieden und Licht verbracht habe, gemein-sam mit der einen oder anderen der zahlreichen online-Meditationsgruppen, melde ich mich an diesem sonnigen Montag zurück im Blog. An sich sollte hier heute eine Teddygeschichte stehen. Die hebe ich mir nun auf für kommenden Montag. 

Mich beschäftigen noch zu sehr die Ereignisse in Berlin vom vergangenen Wochenende, 29./30. August 2020, die Versammlungen und Umzüge für Freiheit und Gerechtigkeit. Das nämlich ist der Nenner, unter dem Veranstalter und Menschen, die dort waren, sich zusammengefunden haben.
Nicht 'Anti-Corona' oder Ähnliches. 

Luftbild Großer Stern am 29.08.2020
Man kann zu den Hunderttausenden von Menschen, die nach Berlin gekommen waren, stehen, wie man will. Inhaltlich gesehen. Was ihnen aber durch die Zeitungen, Fernsehsender und Rundfunkanstalten geschieht, und wie Teile der Polizei mit ihnen umgegangen sind, kann niemanden kalt lassen. 

Auf youtube gibt es von einer Vielzahl Menschen gemachte, teils Stunden dauernde, aufgezeichnete Livestreams, auf denen man in epischer Breite sehen und nacherleben kann (z.B. hier ), dass auch diesmal, wie schon am 1. August, Leute 'wie Du und ich' sich aufgemacht haben, um für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit einzustehen und für ihre Sicht auf die aktuelle Situation 'ihr Gesicht sehen zu lassen'. Darunter eine enorm große Anzahl von Menschen jenseits der 55, 60 Jahre.

All die Schimpfworte und Etiketten, die ihnen aufgeklebt werden, haben nichts, aber auch gar nichts mit der Lebenswirklichkeit der übergroßen Mehrheit dieser Menschen zu tun.

Was mich – auch und gerade an Menschen in meinem Bekannten- und Freundeskreis – am meisten erschüttert, ist, dass diese erniedrigenden Etikettierungen, wenn nicht explizit, so doch zwischen den Zeilen, innerlich, im Gefühl, übernommen werden.
Liebe Leute, schaut doch bitte genau hin.

Und: erinnert Euch!
1981 - Startbahn West - Rund um die Räumung des Hüttendorfs
Artikel: Frankfurt - Stadt des Aufruhrs und der Proteste
Wie war das damals bei der Startbahn West? In Brokdorf? Bei anderen Anti-Atomkraft-Demos? Bei den Aktionen gegen SS 20? "Damals", als Ihr selbst auf die Straße gegangen seid für Eure Meinung. Auch Ihr (wir) hattet/hatten damals Ansichten, die vom übergroßen Teil der Bevölkerung nicht geteilt wurden. Und von den Regierenden und der Staatsgewalt schon gar nicht.
Stolz waren viele der Aktivistinnen und Aktivisten damals, Teil einer "eine kleinen, radikalen Minderheit" zu sein.

Erinnert Euch:
Daran, wie viele Ihr wart, wie viele wir waren, und was dann daraus in den Medien gemacht wurde.

Erinnert Euch:
Immer, auf jeder Demo, gab es die unvermeidlichen "Putz"-Macher, gab es Leute vom "schwarzen Block", "Autonome". Ihr wolltet, wir wollten gewaltfrei Widerstand leisten. Aber auch damals gelang es nie, diejenigen, die unbedingt Straßenschlachten wollten, dauerhaft von ihrem Tun abzuhalten.

Erinnert Euch:
Ihr/wir erlebten die Demos weitgehend friedlich und fröhlich, liefen untergehakt, sangen, skandierten und waren doch auch gleichzeitig angespannt und angstvoll.
Alles ging so lange gut, bis die Polizei eingriff. "Auflöste", weil irgendwo seitlich oder am Ende des Demo-Zuges, oder auch an der Spitze, zu der sie sich vorgearbeitete hatten, ein paar schwarzgewandete und maskierte Provokateure wie ungezügelte Pferde durchgegangen waren und ihrer eigenen Agenda folgten.
Aus war's mit dem Friedlichen.
(Was für eine Ironie der Geschichte, damals waren schützende Tücher vor dem Gesicht, war 'Maskieren' verboten. Heute will man es am liebsten verpflichten.)

Erinnert Euch:
Was stand hinterher in der Zeitung, mit welchen Fotos illustriert?
Welche Bilder wurden im Fernsehen gezeigt?
Man beschimpfte Euch, uns, als "einen Haufen Chaoten", der nichts anderes im  Sinn habe, als die  Freiheitlich Demokratische Grundordnung zerstören zu wollen. Mehr als einer wollte uns am liebsten in KZs stecken oder hinter den Eisernen Vorhang schicken, mindestens aber hinter Schwedische Gardinen.

Und lest die Geschichten über Günter Sare und Benno Ohnesorg noch einmal nach.
Und erinnert Euch an das, was direkt und in den Wochen danach darüber in den Zeitungen stand.

Mit diesen Erinnerungen in Kopf und Bauch schaut Euch die Videos auf youtube*) und die offiziellen Nachrichten noch einmal an.

Ach so? Damals ging es um die 'richtigen ' Anliegen? Man konnte doch gar nicht anders, als gegen Atomkraft, gegen Mittelstrecken, gegen die Startbahn West, gegen die Notstandsgesetze, gegen den Schah-Besuch, gegen Faschisten und gegen Fahrpreiserhöhungen beim FVV sein?
Aber heute - das sind ja "Corona-Leugner" oder "Covidioten", die durch ihr 'unverantwortliches Handeln' Eure Gesundheit bedrohen?
Das sind doch alles Rechte, Nazis, Reichsbürger?

Und wir –
waren damals alle vom Schwarzen Block. Autonome. Von der "Putz"-Gruppe. Oder RAF-Sympathisanten...   ???

Standbild vom 30.08.2020 aus einem Film von Roger Bittel Zeitpunkt siehe Foto

*) Videolinks stellvertretend für eine Riesenanzahl gestreamter Videos: hier, hier, hier, hier
 Ansonsten einfach mit der Suchmaschine Eurer Wahl suchen

Nachbemerkungen:
1. Auch diesmal wurde wieder ein  Arzt am Versorgen einermutmaßlich verletzten Person durch die Polizei gehindert ab Minute 2:14. Ein ausgebildeter Notfallmediziner, der aufgabengemäß häufig mit der Polizei zusammengearbeitet hatte…

2. Normalerweise teile ich keine Gewalt-Videos. Aber diese beiden (achtung, es ist sehr schwere Gewalt, hier werden Menschen absichtlich verletzt!) machen deutlich, mit welcher Wut von manchen Staatsdienern gegen Menschen vorgegangen wurde, die schon hilflos amBoden liegen.
Beides Frauen, eine davon deutlich sichtbar schwanger!
Hierzu fällt mir, außer haltlosem Schrecken und haltloser Trauer, nichts mehr ein.

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