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Montag, 25. Oktober 2021

Eremitin

Heute Vormittag ging mir seit langer Zeit wieder einmal der Untertitel dieses Blogs durch den Kopf. Über den durch das "C-Paradoxon" (Günter Kerschbaummayr) veränderten Alltag wollte ich damals, zu Beginn des Elends berichten. Und will ich noch immer. Wahrnehmen was geschieht und das Bewusstsein wach halten. Jedoch: Inzwischen ist alles so durchgreifend anders geworden als im echten Leben, jenem Leben, das wir bis einschließlich Februar 2020 gelebt haben, dass ich es oft nicht mehr direkt thematisiere.
Daran gewöhnt habe ich mich nicht.
Und darum will ich heute wieder einmal einen schon hin und wieder en passant erwähnten
Aspekt ansprechen, der sich mir vorgestern sozusagen auf dem Silbertablett angedient hat.

Die berühmte Karte "Der Eremit" aus dem Rider Waite Tarot
Es lohnt sich, die Bedeutung nachzulesen

Online-Café von liebevoll.jetzt. Via Zoom virtuell Zusammensitzen mit Menschen, die auf mehr oder weniger einem ähnlichen lebensphilosophischen Hintergrund ihr Leben leben. Beinahe jedes Mal verlasse ich meinen Schreibtisch mit einem angenehmeren, froheren Gefühl als ich mich vor Beginn des Live-Treffens dort niedergelassen hatte. Selbst nach jenem Mal, über das ich jetzt berichte.

Vergangenen Samstag, aber auch schon früher bei anderen Online-Cafés im Gespräch mit anderen Menschen, kam es wiederholt zur Sprache: wir sind in einer gewissen Art und Weise menschenscheu geworden. Direkte Kontakte, Nähe zu anderen, besonders zu jenen, die uns nicht so nahe stehen, sind mühsam bis unangenehm geworden.

19 Monate C-Wahnsinn haben ihre Spuren hinterlassen. Auch bei bewussten Menschen. Auch bei Menschen, die die viele Alleine-Zeit nutzen für innere Arbeit. Die Einmeterfünfzig-Gesellschaft; das ständig wiederholte Drohszenario; das Bewusstsein, dass auch Geimpfte Überträger sein können und erkranken können; in Deutschland auch die allgegenwärtige Maskenpflicht; die allgegenwärtige Testerei und das Herumhämmern auf dem Vorzeigen der QR-Codes (in den Niederlanden lediglich bei bestimmten Gelegenheiten, in Deutschland wohl beinahe überall im öffentlichen Leben) – alles das hat unser Lebensgefühl beeinträchtigt.

Vor allem das Leben derjenigen, die nicht mehr in einen Arbeitsprozess, ins Berufsleben eingebunden sind; das Leben derjenigen, deren erwachsene Kinder oder deren Geschwister weiter weg von ihnen leben; das Leben derjenigen, die vor Ort keinen ausgedehnten Freundeskreis haben; das Leben derjenigen, die ohne Partner leben und/oder die keine Familie mehr haben, hat sich in dieser Hinsicht offenbar sehr verändert. Schwieriger noch gestaltet es sich für die, die sich gegen die Impfung entschieden haben. In den Zoom-Gesprächen kommt das immer wieder zum Ausdruck. Manchen geht es mit der zunehmenden Spaltung und Isoliertheit richtig schlecht.

Auffällig ist, dass von dieser neu in ihren Leben entstandenen Menschenscheu selbst Menschen berichten, die ehrenamtlich tätig sind oder die selbständig Erwerbstätige sind. Es hat nicht nur solch zurückgezogen Lebende erwischt, wie ich eine bin.

Allen gemeinsam ist, dass sie sich in Menschengruppen sowieso nicht mehr wohlfühlen. Auch beim
Einkaufen, egal ob in einem Supermarkt, Laden, oder auf einem Markt. Das ganze Gewusel ist einfach zu viel. Die räumliche Nähe auch. Jemand drückte es im Gespräch so aus: "was machen die alle da?"
Es ist einem – schwer gegen die eigentliche Natur des Menschen - zur zweiten Natur geworden, anderen aus dem Weg zu gehen.

Da wir alle wissen, dass das hochgradig ungesund ist, versucht jede und jeder, einen eigenen Weg zu finden, um nicht vollständig zum Sonderling zu werden und in Einsamkeit zu versinken. Kreativ sein, schöpferisch sein ist eine gute Strategie. Eisern die ehrenamtliche oder selbständige Arbeit weitermachen eine andere. Die vorhandenen Kontakte pflegen eine wichtige dritte. Wobei - aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass einer da die entstandene Menschenscheu auch ziemlich im Weg stehen kann.

Auf irgendeine Weise hat man sich eingerichtet in der eigenen Zurückgezogenheit. Es kostet oft wirklich Überwindung, aus dem Mauseloch oder Schneckenhaus herauszukommen um auch nur einen Anruf zu tätigen. Erst recht, wenn die andere Person in Sachen "C" 'dem anderen Lager' angehört. Dann ist ein wesentlicher Teil der aktuellen Lebens-Erfahrung von vorneherin von der Kommunikation ausgeschlossen.

Übrigens, nicht bei allen wirkt die aktuelle Situation sich wie oben beschrieben aus. Es gibt Leute, die offenbar wieder 'ganz normal' leben, oder jedenfalls fast. Klar, großenteils diejenigen, die berufstätig sind und für die Homeoffice der Vergangenheit angehört. Aber auch manch andere. Sie treffen Leute; gehen essen, in Konzerte oder anderweitig aus; fahren bzw. fliegen ins Ausland in Urlaub; lassen sich nötigenfalls testen und testen und testen, ohne irgendetwas dabei zu finden; nehmen alles irgendwie hin. Als ob nichts sei.

Und es gibt Leute, die schaffen es, sich von dem oben geschilderten nicht unterkriegen zu lassen. Sie nehmen wahr, was das alles für Auswirkungen auf unsere Gesellschaften hat, was es getan hat und noch tut mit der Art, in der wir zusammenleben. Aber sie entwickeln eine Gegenstrategie. Suchen sich Gruppen gleich denkender, gleich schwingender Menschen und treffen sich. Machen Dinge gemeinsam. Entwickeln Ideen und Visionen – gemeinsam. Überwinden immer wieder die von den Umständen provozierte innere Verfasstheit und leben (in Großbuchstaben: LEBEN) ein "Trotzdem".

 

 

Und mein Weg? Irgendwo dazwischen. Jeden Tag aufs Neue bewusste Versuche dieses 'trotzdem'.

Ich erinnere mich an eine Postkarte, die bei einem früheren Partner, seines Zeichens Trommellehrer, an die Wand gepinnt war:

Üben. Üben. Üben.

 

Zur Bedeutung der Tarotkarte "Der Eremit" siehe z.B. hier.

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