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Dienstag, 24. März 2020

Freude ins Feld setzen

  In den 80er Jahren lancierte der Biologe Rupert Sheldrake die Idee des morphogenetischen Feldes.
Das ist die Idee eines globalen Informationsfeldes, das z.B. in der Biologie, Physik, Chemie, aber auch in Gesellschaften zu gleichzeitig an verschiedenen Orten auftretenden Entwicklungen führt.


Tagelang schon laufe ich mit der Idee herum, meine Blockflöte wieder zur Hand zu nehmen. Seit Jahren liegt dieses schöne Instrument von Hans Coolsma unbenutzt in seinem Koffer im Regal.
Mit einem auf Alte Musik spezialisierten Profi-Musiker zusammenlebend, traute ich mich bislang nicht, deren Töne in seiner Anwesenheit auf schlichtem Amateur-Niveau durchs Haus schallen zu lassen.
Wie furchtbar würde das in seinen Ohren klingen: die Noten einigermaßen so gespielt, wie sie auf dem Papier stehen, aber weitgehend ohne die für die barocke Musik so kennzeichnenden Verzierungen. Vielleicht noch ab und an ergänzt von Vierteltonverstimmung, hervorgerufen durch nicht perfekt erinnerte Griffe. Wie musste das seine Ohren beleidigen !?!

Nachdem ich mir jedoch die Idee von Christina von Dreien zu eigen gemacht habe, jeden Abend um 21 Uhr jeder für sich und doch gemeinsam der Angst- und Panikstimmung Freude entgegen zu setzen, "ins Feld zu setzen", ermutige ich mich selbst, zu diesem Zweck nun endlich die Flöte wieder zum Klingen zu bringen.

Was für eine Freude allein schon, das Instrument aus seinem Koffer zu holen und zusammenzusetzen. Was für eine Freude, das wunderbare, glatte, kühle Holz in der Hand zu spüren. Den Kopf eine Weile in der Hand zu halten, seine Schönheit zu betrachten und ihn dann anzuwärmen und durch stummes Anblasen wieder mit der Wärme und Feuchtigkeit des Atems vertraut zu machen.

Schon mittags hatte ich den Notenständer aus seiner zusammengefalteten Position befreit und ihn im Gästezimmer im Dachgeschoss aufgestellt, dem in dieser Jahreszeit schönsten Raum des Hauses. "Fünf leichte Stücke aus dem Barock" warteten hier nun auf mich.


Schüchtern und leise (und damit tendenziell leicht verstimmt) blase ich die Gigue aus der ersten Suite vor mich hin. Zwei Etagen weiter unten sitzt Piet am PC und hört Radio. Ich fühle mich einigermaßen sicher. Und doch mache ich nach diesem ersten Stück eine lange Pause, spiele die darauf folgende Angloise "stumm" - nur die Griffe, ohne zu blasen. Aber dann will  ich sie doch klingen hören. Ich traue mich. Und fühle mich wohl, trotz der unvermeidlichen kleinen Fehler.
Wie tut mir das gut, wieder Musik zu machen!

Später am Abend erwähne ich vorsichtig meinem Partner gegenüber das Flöten. Ja, er hat das gehört. (Natürlich!) Ob er sehr schlimm Zahnweh davon bekommen hat? Nein, gar nicht. Er fand es gemütlich, diese Klänge zu hören. Gemütlich. Vertraut. Gehört zum Zuhause. Schön.
Ein großes Glücksgefühl durchströmt mich. Jetzt war doppelte Freude ins Feld gestellt.

Die Sammlung "Fünf leichte Suiten" entstammt zwei anonymen Handschriften der Mecklenburgischen Landesbibliothek Schwerin und enthält Originalsätze für Altblockflöte. Sie wurde von Dietz Degen bei Schott herausgegeben.


2 Kommentare:

  1. Ein schöner Blog! Lesenswerte Gedanken, mit zauberhaften Fotos aufbereitet! Ich freue mich auf mehr...

    Barbara F.

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  2. Danke, liebe Barbara. Schön, dass es Dir gefällt. Deine Reaktion ermutigt mich, weiterzumachen :-)

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