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Montag, 30. März 2020

Sprachverwirrung


Seit vor nunmehr beinahe drei Wochen auch bei uns die ersten drastischen Maßnahmen ergriffen wurden, um die Ansteckungsgefahr mit dem Virus zu verringern, sind allerlei Slogans verbreitet worden, die die Menschen kurz und prägnant auf die richtigen, angemessenen Verhaltensweisen aufmerksam machen sollen. Manche davon sind so missverständlich, dass man Gefahr läuft, das Gegenteil von dem zu erreichen, was man erreichen will.

So ist es zur Vorbeugung enorm wichtig, einander im  Sinn des Wortes nicht zu nahe zu kommen. Es geht darum zu verhindern, dass durch Tröpfcheninfektion das Virus weitergegeben werden kann. Mit einem scheinbar griffigen, aus dem Englischen übernommenen und dann eingedeutschten Begriff wird dies Abstand halten in bislang beinahe allen Veröffentlichungen mit "social distancing", "Soziale Distanzierung" bezeichnet.
Da ungefähr zur gleichen Zeit, in der diese Begriffe lanciert wurden, auch erstmals mit Nachdruck die Empfehlung ausgesprochen wurde, zu deren Schutz vor Ansteckung sich mit Menschen aus den Risikogruppen nicht mehr zu treffen, sie auch nicht mehr zu besuchen, heftete sich eine schmerzlich negative Konnotation daran. Ein fruchtbarer Boden für Missverständnisse.

Die durchaus vernünftige Empfehlung, besonders gegenüber jenen Personen den empfohlenen Abstand zu wahren, vermischte sich mit Gefühlen von Isolation: jetzt dürfen nicht einmal mehr die Enkel ihre Großeltern besuchen und darf ich nicht mal zum Kaffeeklatsch zu meiner Nachbarin gehen!
In einer Art Trotzreaktion waren, sicher zu Beginn der Maßnahmen, vor allem Angehörige  der Altersgruppe bis ungefähr 40 zu erleben, die - jetzt gerade! - sich zur irrwitzigen Parties zusammenfanden oder - noch schnell eben vor der verordneten Schließung - massenhaft in Kneipen und Cafés auf einander hockten. Das Gefühl, dass einem das genommen werde, was das Leben lebenswert macht, nämlich soziale Kontakte, überdeckte jede sinnvoll gewesene Vorsicht. Das Gespenst sozialer Isolation flatterte durchs Land.

Dabei geht es beim "Abstandhalten" überhaupt nicht um soziale Distanzierung! Es geht darum, eine bestimmte physische Nähe zu meiden. Es geht um räumliche Distanzierung von einander.
1,50 m Abstand überall dort, wo man anderen Menschen begegnen kann, wie z.B. auf der Straße, beim Einkaufen, in Warteschlangen. Kurze Schwätzchen mit Nachbarn oder einander grüßen sind durchaus möglich, wenn man nur weit genug von einander weg bleibt, nämlich 150 bis 200 cm auseinander.

Ich denke, dies Abstandhalten wäre von Anfang an viel besser akzeptiert und eingehalten worden, wenn diejenigen, die die zu veröffentlichenden Texte und Verlautbarungen geschrieben haben sowie die Medien, die sie übernahmen, darauf geachtet hätten, was sie da in die Welt setzen. Es wäre besser gewesen, nicht einfach einen auch im Englischen genauso missverständliches Begriff schlicht eingedeutscht unters Volk zu streuen, sondern darüber nachzudenken, was man erreichen will. Und dafür dann den passenden Begriff zu benutzen: Räumliche Distanzierung.
 
Was für eine verpasste Chance, von Anfang an alle auf den richtigen Weg zu bringen!




Aufmerksam gemacht hat mich auf diese Begriffsverwirrung erstmals Neale Donald Walsch in einem Video, das er vor zehn Tagen auf facebook veröffentlicht hat.
Der Wikipedia-Eintrag "Räumliche Distanzierung" hat zu mehr Klarheit in meinen Gedanken beigetragen.

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