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Samstag, 9. Mai 2020

Andrà tutto bene



 
Dies Video schickte mir vor ein paar Tagen eine Bekannter aus Frankfurt via Whatsapp. Keine Ahnung, wer es gemacht hat. Auf Youtube konnte ich es nicht finden.

Als ich es zum ersten Mal ansah, liefen mir die Tränen.
Das war einmal unser Leben.
So unbeschwert gingen wir noch in den ersten Wochen dieses Jahres mit einander um. Gaben einander die Hand, zur Begrüßung oder um etwas zu bekräftigen. Umarmten einander. Drückten unsere Neigung und Zuneigung zu anderen körperlich aus.

Jeder kleine Körperkontakt – unter der Voraussetzung er ist freiwillig und geschieht mit Menschen, denen man positiv gegenüber steht – macht ein bisschen glücklich(er).

Ich war mir, bevor ich dieses Video sah, gar nicht bewusst, wie oft und bei wie vielen Gelegenheiten wir Menschen einander nah kamen und uns berührten.
Besser gesagt, schlechter gesagt: ich hatte bereits vergessen, wie es einmal war.
Dieses "es war einmal" ist noch keine zwei Monate her…

Die abgebaute Reserviertheit einander gegenüber war auch das Resultat der gesellschaftlichen Veränderungen im Gefolge der 68er. Wir hatten – manche von uns mühsam – gelernt, uns gegenüber der/dem anderen zu öffnen und freundlich-zugewandten Körperkontakt zuzulassen und uns wohl damit zu fühlen. Dem hatte auch die Sexualisierung durch die Medien keinen Abbruch tun können. Was das Äußern von Sympathie und Zuneigung durch Körpergesten betrifft, waren wir ein großes Stück freier geworden in den letzten Jahrzehnten.

Alles futschikato kaputto.

Innerhalb weniger Wochen hat die durch die Politik weltweit eingeschlagene Taktik im Umgang mit dem C-Virus dazu geführt, dass jede und jeder unter der eigenen Glasglocke vor sich hin dünstet.
Was die negativen Folgen für die Psyche, den Körper und als Auswirkung davon für eine ganze Gesellschaft sind – darüber gibt es genug Forschungsergebnisse.

Wenn es nach den Virologen geht, dürfen wir uns – selbst mit gerade frisch gewaschenen oder desinfizierten Händen – nicht einmal mehr durch das Gesicht fahren. Gesichtsberührungen helfen bei der Regulierung von Gefühlen, können Stress abbauen und emotionale Schwankungen ausgleichen.*) Eine uralte Trost-, Beruhigungs- und Verzweiflungsgeste. Aus Gesundheitsgründen unstatthaft.
Glücklicherweise müssen wir nicht, wie in Orwells 1984, allzeit unsere Webcam am PC, Tablet oder Smartphone eingeschaltet lassen, um uns auch im Haus auf C-Virus-konformes Verhalten beobachten zu lassen.

Und jetzt kommen auch noch die allgegenwärtigen Masken hinzu und leben wir plötzlich in einer Gesellschaft von Verschleierten, Vermummten.

Immer wieder erschreckt mich, wie schnell und klaglos mehr oder weniger die gesamte Bevölkerung, angetrieben durch Angst und Panik, sich in die vollständige Vereinzelung begeben und ihr ergeben hat. Wenn wir nicht aufpassen, werden viele von uns bald ein großes Problem mit seelischer Austrocknung haben. Und die wollen wir doch nicht – wie Orwells Roman – mit einer Droge übertünchen.

Darum ist es enorm wichtig, sich immer wieder klar zu machen, dass wir alle mit einander verbunden sind. Alles, was wir tun und denken, beeinflusst das morphogenetische Feld (siehe Blog vom 24. März).  Immer wieder müssen wir uns diese Verbundenheit mit Allem-Was-Ist bewusst machen und probieren, sie zu fühlen. Überlebens-wichtig ist es, entspannte und positive Gefühle, liebevolle Gefühle in sich wach zu halten und zu pflegen. Sie helfen, der von Außen auferlegten Kälte und Angst entgegen zu wirken.


Die Sehnsucht nach der echten Begegnung bleibt natürlich. Was für ein Traum: einander wieder so zugewandt und unbeschwert begegnen zu können wie in jenem Video. Maskenlos. Vertrauensvoll.


*) https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article135267400/Warum-wir-oft-spontan-das-eigene-Gesicht-anfassen.html
Siehe auch  https://beruehrungundumarmung.wordpress.com/eine-seite/emotion-umarmung/


Post scriptum
Über den Aspekt "Überwachung" in George Orwells Roman 1984, Quelle 
Siehe auch "Zahlenspiele" vom 26.03.
"Orwell beschreibt in 1984 eine totale Überwachung, hauptsächlich mit Hilfe von Teleschirmen ausgeübt, der sich kein Mitglied der Äußeren Partei entziehen kann (bei der Inneren Partei ist es nicht klar – O’Brien kann sich anscheinend für kurze Zeit entziehen, da er den Teleschirm abschalten kann). Der Teleschirm oder Televisor (telescreen) ist sowohl Sende- als auch Empfangsgerät, das in jedem Haus der inneren und äußeren Partei, an öffentlichen Plätzen und bei der Arbeit die Bürger Ozeaniens überwacht. Niemand weiß, ob man gerade beobachtet wird oder nicht, und man kann nur darüber spekulieren, wie oft oder nach welchem System sich die Gedankenpolizei in die Privatsphäre einschaltet. Darum ist es sogar denkbar, dass sie ständig alle (Parteimitglieder) beobachtet. Siehe auch Panopticon, das Konzept totaler Überwachung. 
Ein weiteres Mittel zur Überwachung sind Mikrofone, die überwiegend in ländlichen Gegenden eingesetzt werden. Diese sind besonders deswegen gefürchtet, weil sie, im Gegensatz zu den Teleschirmen, versteckt sind und man so noch weniger weiß, ob man überwacht wird oder nicht. 
Auch patrouillieren in unregelmäßigen Abständen Hubschrauber der Gedankenpolizei durch die Wohngegenden und spähen direkt in die Fenster, was aber weniger der tatsächlichen Überwachung dient, sondern eher ein Gefühl der Ohnmacht und ständigen Beobachtung hervorrufen soll."
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