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Samstag, 23. Mai 2020

Nicht nur sauber, sondern rein


In einer der ersten Wochen nach Beginn des Lockdowns stieß ich auf ein Video über das richtige Händewaschen. Eine Facebook-Freundin hatte es geteilt.


Seitdem fühle ich mich beinahe jedes Mal beim ausführlichen, hygienefreundlichen, bakterien- und virusfeindlichen Händewaschen dieser Wochen an meine Kindheit erinnert oder in meine Kindheit zurückversetzt.

Unsere Kindheit war noch eine der typischen 50er-/60er-Jahre Kindheiten. So viel, wie möglich, spielten wir draußen. Abgesehen von andauernd aufgefallenen Knien brachte es automatisch auch schmutzige Hände mit sich. Sandkuchen backen, Sandburgen bauen, durchs Gesträuch entlang der Spielwiese kriechen, aus gemähtem Gras hoffnungsvoll den Amseln Nester in die Büsche bauen und was der wunderbaren Dinge mehr waren, die wir in der reichlich begrünten Großstadtsiedlung aushecken konnten. Bäume erklettern – mehr meine Schwester und weniger ich – oder die Kinder von Bullerbü nachspielen. Alles gratis und draußen – und staubig und erdig.
 
Beim Nachhausekommen war Händewaschen unvermeidlich. Glücklicherweise gabs warmes Wasser aus dem Badezimmerkran, und die Seif hing kinderspielfreundlich, gut erreichbar und immer trocken am "Zack".

Das Händewaschen habe ich seinerzeit sowohl von Mama als auch von Papa und wohl auch von Oma immer wieder gezeigt bekommen und so nachhaltig gelernt.
Genau so, wie in dem Film. Exakt so.

Ärmel hochstruppen war immer der Anfang. Damit Hände und Handgelenk schön frei waren und die Ärmel nicht nass wurden. Dann Hände nass machen und einseifen.
Dies letztere mit all jenen Bewegungen und Handgriffen, die auch in dem Video zu sehen sind. Handfläche. Handrücken. Zwischen den Fingern. Die Finger gegeneinander in den Handflächen reiben, usw. Rund um den Daumen, die "Maus" – es sollte doch schließlich keine GRAUE Maus bleiben! Und – das Handgelenk nicht vergessen!

Nun frage ich mich: haben in jenen Jahren alle, zumindest alle bürgerlichen Kinder so gründlich das Händewaschen gelernt? Oder war das speziell etwas in unserer Familie?

Rotkreuzschwestern 1914 - Foto DRK
Theoretisch könnte letzteres durchaus der Fall sein. Oma hatte in ihren jungen Jahren bei ihren Eltern durchgedrückt, dass sie eine Ausbildung als Rotkreuz-Schwester machen durfte. Berufsausbildung für Mädchen war Beginn des 20. Jahrhunderts nicht selbstverständlich, und Rotkreuz-Schwester war etwas Besonderes, laut Oma jedenfalls. 
In ihrem Beruf hätte sie nur arbeiten dürfen, bis sie 1914 kurz vor Kriegsausbruch heiratete. Da war sie 27. Rotkreuzschwestern durften nicht heiraten, wollten sie das bleiben. 
Oma war aber im 1. Weltkrieg dann aber natürlich dienstverpflichtet.

Vater war im 2. Weltkrieg Sanitäter. Und in unserer Kindheit mit seinen Kenntnissen treue Stütze und unerschütterlicher Fels in der Brandung so mancher kindlichen Wunden und Krankheiten für Mutter und uns Kinder. Warum also nicht auch im Zusammenhang mit der Handhygiene?

Foto: Sibylle Emilie Tobler






Liebe Mutter, Vater, Oma, die Ihr schon lange nicht mehr unter uns weilt – neben Vielem anderen, das Ihr in unseren Kinderseelen auf eine solche Weise grundgelegt habt, dass wir heute noch aufs Beste davon zehren können – Dank auch für dies Stückchen Weitergabe Eures Wissens!

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