Mitte März bis 10. April 2020 täglich. Ab 11. April 2020 erscheinen die Beiträge jeden zweiten Tag. Ab Montag, 22. Juni 2020 immer Montag und Donnerstag abends. Ab Montag, 13. Dezember 2021 am Montagabend nach 22 Uhr.


Freitag, 12. Juni 2020

Nebensächlichkeiten?


Immer wieder mal sprechen mich engagierte Leserinnen oder Leser darauf an, dass ich mich in diesem Blog mit Dingen beschäftige, die man eigentlich als Nebensächlich-keiten betrachten könnte. 

Das sind Menschen, die sich zum Teil schon seit Jahrzehnten einsetzen für zum Beispiel Frieden und Gerechtigkeit, gegen die menschenunwürdigen Auswirkungen der Globali-sierung, für Umweltschutz auf allen Ebenen des Lebens. Menschen, die liebevoll das Große Ganze im Auge haben und für die Verbesserung der Lebensbedingungen aller Menschen schon viel getan haben und immer noch tun.

Wenn man sich die globale Entwicklung ansieht und das, was dort alles an schwer wiegenden und für viele Menschen lebensbedrohenden Problemen durch die Epidemie und die Maßnahmen der verschiedenen Länder entsteht, sind Fragen wie: 'Maske oder nicht' oder 'ob alles, was wir an Einschränkungen jetzt noch erleben, noch adäquat ist', doch zweitrangig. Und: 'an das bisschen, was wir hier mitmachen, kann man sich schon gewöhnen' – diese oder ähnliche Argumentationen begegnen mir dann.
Ist es nicht viel wichtiger, sich dagegen zu wehren, dass Lobbyisten im Schatten der Krise ihre eigenen Süppchen kochen, vom Zurückdrehen der Beschränkungen in der Autoindustrie bis hin zum Pumpen von Milliarden gerade jetzt in den internationalen Waffenhandel?

Natürlich ist dies in gewisser Weise wahr. 
Folgt man dieser Argumentation, dürfte ich meinen Mund nicht auftun.
Ich habe genug zu Essen, sauberes Wasser, ein komfortables Dach über dem Kopf, und unsere Breiten sind frei von bewaffneten Konflikten.

Ich selbst wähle da für mich den Weg des sowohl – als auch.

Ich bin in eingebunden in die verschiedensten Kommunikations-Netzwerke und werde ausführlich über all diese Dinge informiert. Aufrufe zu den unterschiedlichsten Formen des Kampagneführens erreichen mich täglich mehrere, und ich wähle sorgfältig aus, in wessen Chor ich meine Stimme einbringe. Die Informationen erreichen mich auch über Nachrichtensites, die ich regelmäßig lese sowie über Facebookbeiträge von Menschen oder Organisationen, denen ich folge. Und auch da bringe ich mich ein oder nicht, je nachdem.

Diesen Blog aber habe ich aus einer anderen Erwägung heraus angefangen.

In diesem Blog geht es mir darum, wirklich eine Art Tagebuch zu schreiben darüber, was die C-Virus-Krise alles so mit sich bringt in meinem Lebensalltag. 

Und damit vielleicht auch im Lebensalltag von vielen anderen, die in vergleichbaren Umständen leben.  An praktischen Auswirkungen, an emotionalen Auswirkungen, an Dingen, die mich unzufrieden machen, an Bedrohungen, die ich durch manche der politischen Entscheidungen für unser demokratisches System sehe. Hier. Jetzt.

Lebensalltag – das sind oft Kleinigkeiten, mit denen man sich auseinandersetzt. Über die man stolpert. Die misslich sind. Oder lustig. Oder glücklich machend. Blühende Blumen, Erdbeeren aus dem eigenen Garten, ein Nest voller Blesshühner ebenso wie Maskierungszwang oder die Tatsache, dass ich jetzt schon seit mehr als drei Monaten nur dann telefonischen Kontakt mit meiner Hausärztin aufnehmen darf, wenn ich ein wirklich dringendes Anliegen habe. Was aber ist das genau?

Verglichen mit Menschen in Flüchtlingslagern, mit indischen Wanderarbeitern, die ihre Arbeit verloren haben und ihre Familien nicht mehr ernähren können, sind das Peanuts. Doch es gibt Wege, auf denen ich von hier aus diesen Menschen ein klein wenig Linderung verschaffen kann, und die gehe ich auch. Nicht zur Gewissensberuhigung, sondern, weil das etwas ist, das ich von hier aus tun kann.

Ich werde mir aber auch weiterhin das Recht nehmen, Dinge zu benennen und aufzuschreiben, mit denen ich hier, in meinem Luxus-Leben nicht zufrieden bin.
Ich lebe hier. Und hier muss und will ich mein Leben verantwortlich gestalten.

Ohne die zu vergessen, die in ganz anderen Umständen leben.
Das ist für mich selbstverständlich.

1 Kommentar:

  1. Nebensächlichkeiten sind super, weil es neben der Sache noch andere Dinge/Aspekte gibt. Das Wort lässt sich aufspalten in Neben-sächlich-keiten und daneben gibts eben die Menschen mit ihrem Leben und Lebensgefühl. Von der Sache/Funktionaliät ists ja inzwischen fast wieder chic:
    wir können wieder shoppen, Freibäder öffnen, Restaurants und Cafés sind wieder offen, es dürfen sich wieder mehr Menschen treffen, Kitas und Schulen können wieder besucht werden, manche Heime öffnen wieder verschlossene Türen, Sommer mit Reisen steht in den Startlöchern, Kinos und Kulturelles gehen auch bald wieder, hier in deutschen Landen wirds Einkaufen bis Neujahr billiger und mit der Corona-App wird alles wieder easy ...2b continued.
    Alles fast wieder normal...rein sachlich betrachtet. Nur - unter den herrschen Bedingungen - will ich das alles so nutzen? Gehts mir gut damit? Fühl ich mich dabei wohl? Was macht das mit mir und meinem Leben? Solche wie auch andere "Nebensächlichkeiten" beschäftigen mich und meine Antworten drauf geben mir Orientierung und Stärke für meine weiteren Stunden und Tage. Ohne diese Antworten werde ich zu Wachs in Zeiten, wo man nichts präzises weiß und sagen kann und mit Wachs lässt sich schwer Kante zeigen in den zum Teil menschenverachtenden Zeiten. Nicht so schlimm? Gewöhnen? Aber hallo, wo samma denn!!!

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