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"Alles, was Spaß
macht, ist ungesund, unmoralisch oder macht dick!"
sagten wir früher oft zu
einander, in den Jahren, als man schon vom bloßen Anblick eines Stücks leckeren
Kuchen oder eines BigMac zunahm. Inzwischen, nach einem Jahr einschränkender Maßnahmen und
einander jagender Gesetzesänderungen rund um das große C, ist der Satz ein
Stück kürzer geworden:
"Alles, was Spaß und Freude macht, ist wegen durch offizielle Stellen definierten Risikos verboten!"
: Mit einem Grüppchen Freundinnen beim Kaffeeklatsch im Café zusammensitzen.: Ringelreihen in der Volkstanzgruppe.
: Singen im Chor.
: Mit Freunden Essen gehen.
: Einkaufsbummel im nahegelegenen Groningen.
: Spontan in den Zug oder Bus steigen und einfach so mit irgendwohin fahren, dabei mit unverhülltem Gesicht anderen Menschen begegnen und frei atmen können.
: Mit einer Freundin ins Museum gehen.
: Ein befreundetes Ehepaar oder gar noch mehr Menschen zu Hause auf ein Glas Wein treffen
: Konzerte besuchen.
: Nächtliche Spaziergänge bei Vollmondschein (Ausgangssperre)
und… und… und… leider lässt sich die Reihe ins beinahe Unendliche fortsetzen.
Da kann jemand
schon mal depressiv werden. Nicht umsonst whistleblowen Menschen, die bei
Hilfsdiensten arbeiten, immer wieder, dass Selbsttötungen exponentiell
zugenommen haben.
Eine der zahlreichen, von der Politik billigend in Kauf
genommenen Nebenwirkungen der C-Schutz-Maßnahmen.
Die C-Zeit kennt
ihre ganz eigenen Herausforderungen. Ganz besonders für diejenigen, denen der
gewohnte Lebensrhythmus, und wer weiß, noch mehr, weggebrochen ist.
Und schon ist
sie da, die Frage, was das alles noch soll. Wie man das bitteschön noch
mindestens ein weiteres Jahr alles aushalten soll. Die Politik in Deutschland will ja alle C-Sondergesetze noch bis mindestens März 2022 verlängern.
In einem der
zahlreich angebotenen Online-Kongresse fing ich vor ein paar Tagen im Interview von Philipp
Kunisch mit Götz Wittneben einen wertvollen, meine Seele stärkenden Impuls auf. Wittneben, neben allem
Möglichen anderen studierter Theologe, zitierte Meister Eckhart: "Ohne
mich ist Gott unvollständig".
Ich formuliere es anders: "Ohne mich ist das Lebensbild als Ganzes
unvollständig."
Wittneben erzählt
dazu im Interview eine Geschichte. Ich schreibe sie aus der Erinnerung auf.
Denn
die 48 Stunden sind vorbei, binnen derer ich das Interview kostenfrei nachhören
könnte.
Jemand ist mit einem Kind am Puzzeln. Eine Landschaft mit einer blühenden Wiese, am Rand ein großer Baum, über der Wiese weiter, blauer Himmel mit kleinen Wölkchen. Das Bild ist schon beinahe fertig, es fehlen nur noch zwei Puzzleteile. Eines im weiten Himmelsblau. Eines direkt neben dem Baumstamm in der Blumenwiese. Der Erwachsene fragt das Kind: welches der beiden Teile ist wohl wichtiger? Das Kind wird sich spontan für das Element entscheiden, von dem es denkt, dass ohne dies das Bild ganz sicher nicht auskommt. Gemeinsam wird das Teil ins Puzzle gefügt. Danach schauen sich beide das Bild noch einmal an. Noch immer klafft eine Lücke im Ganzen, die das Auge empfindlich stört. Es ist unübersehbar, dass erst dann, wenn das im ersten Moment als "weniger wichtig" eingeschätzte Teil auch noch eingefügt wird, das Gesamtbild komplett ist.
Wenn in einem Puzzle ein Teil fehlt, ist das Ganze unvollständig. Und das Faszinierende ist: Alle Teile des Puzzles sind außerdem völlig verschieden. Jedes passt an genau eine Stelle, fügt sich an seine benachbarten Teile und bildet erst mit diesen zusammen das Gesamtpuzzle.
Und genau darin liegt eine der besonderen Herausforderungen der C-Zeit.
Ich bin immer und immer wieder zurückgeworfen auf mich selbst. Vieles von dem, was mein Leben ausgemacht hat, ist mir genommen worden. Vieles von dem, was "mich" ausgemacht hat, ist in Frage gestellt, teils auch durch die zunehmende Polarisierung auf den Prüfstand geraten. Meine Gewohnheiten. Meine Vorlieben. Teile meines Alltagshandelns. Freundschaften. Bekanntenkreis.
Ich bin vor die Frage gestellt: was für ein Puzzleteil bin ich eigentlich? Wo genau ist mein Platz im Gesamtbild? Was füge ich dem Gesamtbild hinzu? Was sind das für Anschlussteile rechts, links, oben, unten von mir? Dabei ist die Chance groß, dass sich herausstellt, dass meine Puzzleteil-Charakteristika ganz anders sind, als ich bislang gedacht hatte.
Ja, so Vieles geht zur Zeit nicht. Das meiste davon wird wohl auch nie wieder auf die gleiche Weise zurückkommen, wie es bis einschließlich Februar 2020 war. Statt dessen kann aber Vieles andere. Stilleres. Innerlicheres. Auf eine andere Weise als früher. Mit neuen Definitionen.
Foto: Hans-Peter Gauster, sloppyperfectionist, CC0, via Wikimedia Commons |
Dies alles zu erkunden, und auch die (aufgezwungene) Muße dafür zu haben, ist eines der Geschenke, die uns die C-Zeit gebracht hat.
Da gibt es noch
viel zu entdecken.
Ich fürchte, mit dem Erkunden habe ich gerade erst angefangen.
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