Ja, es ist wieder
soweit. Zum vierten Mal seit der 2020er Wahnsinn begann, haben wir die Uhren
von Sommerzeit zurückgestellt zur Mitteleuropäischen Normalzeit.
Mein Körper darf wieder im tageslichtaffinen Rhythmus schwingen.
Wie immer bringt das eine gewisse Entspannung mit sich. Die ich nach Strich und Faden genieße.
Sonntagabend habe
ich die neue alte Zeit eingeläutet, indem ich ausgiebig und bis kurz nach 1 Uhr
(Sommerzeit) wachgeblieben bin und sogar im Bett gelesen habe.
Normalerweise und vor allem zwischen dem letzten März- und dem letzten Oktoberwochenende
gehe ich sehr pflichtbewusst pünktlich schlafen, weil morgens unerbittlich um
halb 7 der Wecker klingelt. Was ja tageslichtzeitmäßig bzw. nach der natürlichen Zeit in den Sommerzeitmonaten halb 6 ist.
Jaja, ich bin nicht mehr berufstätig und könnte ausschlafen.
Könnte ich.
Wenn
mein Körper sich nicht derartige Kapriziositäten zugelegt hätte, die mich zu einem
stringenten Morgenrhythmus zwingen. Weil sonst der ganze Tag
durcheinandergeriete. Aber in dieser einen Nacht habe ich es mir gegönnt, meinen eigentlich zu mir
gehörenden Nachteulenrhythms auszuleben.
Und dann eben trotzdem ausgeruht am
nächsten Morgen wach zu werden.
Seit dem letzten Sonntag, also seit gestern 🙃, erfreue ich mich immer wieder aufs Neue dem stimmigen Gefühl, das mich beim Blick auf die Uhr erfüllt. Anstatt des monatelangen "Oh je! sooo spät ist es schon?!" spüre ich ein gelassenes "Ach, es ist wirklich erst soundsoviel Uhr…"
Da nehme ich es
gerne in Kauf, dass es nun schlagartig "viel früher" dunkel wird –
will sagen, ein
ganzes Stück eher im Tageslauf zwischen Aufstehen und
Schlafengehen. Oder anders gesagt am Spätachmittag, statt am frühen Abend. Folgen
hat das in meinem Dasein als Nicht-mehr-Berufstätige lediglich für meine
nachmittäglichen Unternehmungen, oft mein Minimalbewegungsprogramm
"Spaziergang durchs Dorf". Der muss nämlich dann früher am Tag
stattfinden, will ich nicht im Dunkeln wandeln.
In diesem Zusammenhang der Umstellung Sommerzeit -> Normalzeit wurde mir dieser Tage wieder einmal bewusst, dass uns bedauerlicherweise nur 5 Monate Normalzeit zugestanden werden, der 7 Monaten Sommerzeit gegenüberstehen. Warum dieses Ungleichgewicht eingeführt wurde, habe ich zunächst und auf die Schnelle nicht herausfinden können. Auf all den (deutschsprachigen) Websites, die ich studiert habe, ist lediglich zu lesen, dass 1980 in der Bundesrepublik die Sommerzeit im Zuge der zeitlichen Harmonisierung, will sagen zum Wohle der Wirtschaft, innerhalb Europas eingeführt wurde.
Ausgelöst wurde der deutschsprachigen Wikipedia zufolge das Ganze durch Frankreich. Dort wurde im Gefolge der Ölpreis- und nachfolgender Wirtschaftskrise 1973ff im Jahr 1976 mit dem Argument der Energieersparnis die Sommerzeit eingeführt. Das restliche Europa folgte allmählich, aus "wirtschaftlich-politischen Erwägungen", wie der gängige Euphemismus auf vielen Sites lautet.
Die niederländischsprachige
Wikipediasite, die ich zuguterletzt auch noch befragte, stellt den geschichtlichen Verlauf der Wiedereinführung von
Sommerzeit in Europa nach der Ölkrise 1973 etwas anders dar:
Spanien und Albanien waren 1974 die ersten. 1975 folgten Griechenland en Zypern.
Dann Frankreich 1976, Niederlande, Belgin, Luxemburg, Portugal und Polen in
1977, die Tschechoslowakei, Bulgarien und Rumänien 1979. Dann die
Bundesrepublik 1980 (wobei der Autor hier der Meinung ist, dass es zwischen der
BRD und der DDR Absprachen darüber gegeben habe; der Autor der deutschsprachigen
Wikipediasite schreibt dahingegen, dass die DDR ohne mit der BRD darüber irgendetwas
ausgetauscht zu haben vorpreschte und die Einführung ab 1980 deklarierte,
woraufhin die BRD nachhoppelte). Auch Österreich, Dänemark, Ungarn, Norwegen und
Schweden zogen in jenem Jahr mit. 1981 folgte die UdSSR, Finnland, die Schweiz
und Liechtenstein, und 1983 Jugoslawien. Das letzte Land in Europa, das sich der
Sommerzeitregelung anschloss, war 1985 Andorra.
Von 1980 bis 1995 herrschte also auf Deutschlands Uhren vom letzten Sonntag im März bis zum letzten Sonntag im September Sommerzeit und den Rest des Jahres – 6 Monate – Normalzeit.
In den Niederlanden war die Einteilung geringfügig anders. 1977-1995 waren ab dem ersten Sonntag im April bis zum letzten Sonntag vor dem 2. Oktober die Uhren eine Stunde vorgestellt.
1996 wurde eine Europa-(sprich: EU-)einheitliche Regelung geschaffen und gleichzeitig die um einen Monat verlängerte Sommerzeit eingeführt. Ab da wurden die Uhren erst in der Nacht zum letzten Oktobersonntag auf die Normalzeit zurückgestellt. Übrigens – so weiß die niederländischsprachige Wikipedia zu berichten – um Europa an die Regelung Groß Britanniens anzupassen.
Überhaupt steht auf der niederländischsprachigen Wikipediasite ein vollkommen anderer Text als auf der deutschsprachigen. So werden beispielsweise die gesundheitlichen Aspekte der Umstellung auf Sommerzeit ausführlich beleuchtet und zahlreiche Untersuchungen zitiert, die belegen, dass es der Gesundheit abträglich ist, wenn eine nicht-natürliche Zeit gewählt wird.
Durch den niederländischen Wikipedia-Artikel habe ich auch gelernt, dass bis 1940 die Niederlande nach Amsterdamer Zeit lebten, die zwischen den uns heute bekannten Zeitzonen liegt, nämlich Greenwich-Zeit plus 20 Minuten. Die deutsche Besatzung zwang ab jenem Kriegsjahr die Niederländer zur Uhrenumstellung auf MEZ (= Greenwichzeit plus 1 Stunde). MEZ wurde nach Kriegsende dann allerdings beibehalten.
Zurück zum Lebensgefühl in Normalzeit. Die spät im Jahr erfolgende Rückkehr zur MEZ hat, wie erwähnt, zur Folge, dass plötzlich die abendliche Dunkelheit zu spätnachmittäglicher anstatt frühabendlicher Stunde eintritt. Dadurch stellt sich für mich ein ganz anderes Vorgefühl des kommenden Winters ein, die Erinnerung an die langen Abende schiebt sich sehr ins Bewusstsein. Genauso wie auch die Tatsache, dass in weniger als 2 Monaten Weihnachten sein wird.
Ohje.
Danach ist mir nun noch überhaupt nicht. Aber es hilft ja alles nichts, man muss den Tatsachen ins Auge sehen.
Hektik will sich einstellen, weil ich umgehend an zu schreibende Weihnachtspost
denke und an zu besorgende Geschenke und daran, dass ich zur Zeit weder Lust
habe, Weihnachtskarten zu kaufen (in den Niederlanden eigentlich ein Muss; schmerzlich
habe ich gelernt, dass mein 'natürlicher' Weihnachtskartenkaufmoment Anfang
Dezember hier viel zu spät ist, dann ist der Großteil des Sortiments schlichtweg
bereits verkauft, weil hier eifrig die ersten Weihnachtskarten zum 1. Advent versendet
werden) noch über Ideen für Geschenke verfüge. Doch diese Hektik schicke ich
wieder weg.
Es wird sich zu seiner Zeit schon alles finden.
Jetzt erst einmal kehre ich zurück zur inneren Ruhe. Und zur Freude am Ausgeruhtsein, weil ich wieder eine Tageseinteilung näher am Tageslichtrhythmus leben darf.
Im übrigen bin ich der Meinung, dass wir allesamt zur immerwährenden
Normalzeit zurückkehren sollten.