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Montag, 19. Juli 2021

Wassermassen

Bewusst steht hier kein Bild aus einem der Katastrophengebiete, sondern eines, das ganz
allgemein Kraft und Gewalt von Wasser abbildet.

Das Hochwasser, die Flutkata-strophe in der niederländischen Provinz Limburg, in Belgien, in Deutschland in der Eifel und in Nordrhein-Westfalen, jetzt auch in Bayern, Österreich und der Schweiz, sitzt mir noch in den Knochen.
So viele Menschen wurden von den Wasser- und Schlammmassen überrascht, konnten sich gerade so retten. Oder verloren ihr Leben.
Es berührt mich tief, packt mich emotional. Auch wenn ich weit weg wohne. Dennoch. Eine vage Ahnung von dem, was den Menschen geschehen ist, verbindet sich mit einer Erinnerung. Verglichen mit dem, was die Bewohner der betroffenen Gebiete heimgesucht hat, ist das, was ich um die Jahrhundertwende in Büdesheim miterlebt habe, ein 'Flütchen'. Die Häuser blieben alle stehen, die Infrastruktur blieb erhalten, es war 'nur' stinkendes, schlammiges Wasser, was die Keller, Teile des Erdgeschosses und Straßen überflutete. Und doch ist die Erinnerung an die mehrere Tage dauernden Aufräumarbeiten so gruselig gegenwärtig, als sei es vor einem, zwei Jahren geschehen.

Was die Menschen in den Katastrophenregionen nach den Fluten vom 14./15. Juli 2021 und den folgenden Tagen mitmachen mussten und müssen, hat völlig andere Ausmaße.
Betroffen sitze ich hier, lese und höre, folge diversen Nachrichtenkanälen. Eine Ausdrucksform der Betroffenheit und meines Mit-Fühlens bahnt sich an, ist aber nicht Gegenstand meiner hiesigen Überlegungen.

Was Deutschland betrifft, bin ich erschrocken nicht nur über das Maß und die Auswirkungen dieser Naturkatastrophe. Erschrocken bin ich auch über das, was davor und danach alles nicht geschehen ist. Oder jetzt noch immer schiefläuft. Was ist los mit den Offiziellen in dem Land, in dem ich geboren und aufgewachsen bin?

Auch hier in den Niederlanden hat es die Provinz Limburg schwer getroffen.
Jedoch: die Bevölkerung war vorher gewarnt und auf eventuelle Evakuierungen vorbereitet worden. Die Entwicklung des Hochwassers wurde beobachtet. Erste Evakuierungen fanden am 14. statt, ein Hospiz und ein Krankenhaus in Valkenburg wurden da vorsorglich geräumt. Einen Tag später wurden viele Bewohner des Ortes Valkenburg am total übergelaufenen Flüsschen Geul evakuiert, dann auch in anderen Gemeinden, z.B. ca. 10.000 Menschen aus Maastricht.
Am 16. Tausende Menschen aus der Stadt Venlo (die an der Maas kurz nach der Mündung der Rur in Roermond liegt).

Das Königspaar (im politischen Rang vergleichbar dem Bundespräsidenten) war einen Tag nach der Katastrophe am 15. Julie vor Ort in u.a. Valkenburg. Ministerpräsident Rutte rief am selbsen Tag namens der Regierung den Katastrophenfall aus. Dies bedeutet aufgrund einer gesetzlichen Regelung automatisch, dass die Geschädigten vom Staat denjenigen Schaden ersetzt bekommen, für den keine Versicherung und oder andere Instanz aufkommt. D.h. wenigstens materiell wurde den Menschen SOFORT letztlich komplette Erstattung des Schadens zugesagt.
Der Katastrophenzustand (dann griffen landesweit organisierte Hilfsmaßnahmen) wurde durch die Regierung nicht ausgerufen, weil der regionale Katastrophenschutz alles gut organisiert und Zugriff auf genügend Einsatzkräfte habe.

Was in der Provinz Limburg sicher auch geholfen hat sind die Maßnahmen des nach den schweren
Überflutungen der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts begonnenen Projektes, in denen überall Ausweichflächen (Flutpolder u.ä.) für Hochwasser führende Flüsse geschaffen wurden. Mehrere Milliarden Euro kostete das Projekt, dessen Ergebnis nun den ersten Ernstfall zu verkraften hatte. Aus dem weiter zu lernen die entsprechenden Wasserbehörden bereits angekündigt haben.

Auch in der Provinz Limburg gab es genug dramatische Einzelschicksale, z.B. Menschen, die der Lebensgefahr um ein Haar entweichen konnten. Ich idealisiere nicht. Aber manche Unterschiede sind doch eklatant.

Über die Situation in Belgien weiß ich nicht viel. Nur, dass dort mit sehr gutem Erfolg hochspezialisierte österreichische Feuerwehren mit 120 Einsatzkräften, 15 Fahrzeugen und 25 Booten geholfen haben, die am 17.7. nach getaner Arbeit wieder zurück nach  Österreich fuhren. Sie hätten 'unterwegs' auch im deutschen Katastrophengebiet helfen können, wurden aber trotz ständigen Kontakts zwischen dem deutschen Innenminister Seehofer und dem österreichischen Innenminister Nehammer nicht angefordert. Warum eigentlich nicht?

Nach allem, was ich bislang an Informationen gelesen, gesehen, gehört habe, ging im deutschen Krisengebiet noch viel mehr schief.

Es gab wohl keinerlei Warnung an die Bevölkerung.
Bereits neun Tage vor den Niederschlägen waren von einem Wettersatelliten über dem Rheintal erste Zeichen einer sich nähernden Katastrophe verzeichnet worden, ist in der englischenTimes zu lesen. Die Bildzeitung, normalerweise nicht meine literarische Leibspeise, aber in diesem Fall eine interessante Quelle, zitiert eine Mitentwicklerin des europäischen Hochwasserwarnsystems, nach deren Aussagen das System vier Tage vor der Katastrophe Alarm geschlagen habe. Woraufhin die belgische und die bundesdeutsche Regierung alarmiert worden waren.

Netzfund Social Media
Bloß – die Warnungen kamen nie dort an, wo sie hätten ankommen müssen: bei der Bevölkerung der betroffenen Gebiete. Auf der politischen Ebene werden Vorwürfe laut. Der Bundesinnenminister weist das als billige Wahlkampfrede zurück. Ein beißender Kommentar in der Bild: "Doch in weiten Teilen der Hochwasser-Gebiete zwischen Mosel und Ahr hat der Katastrophenschutz versagt. Sirenen blieben vielerorts stumm. Warndurchsagen gab es kaum. Lautsprecherwagen blieben zu oft in den Depots. Und der öffentlich-rechtliche Rundfunk spielte Pop-Musik, als Hunderte Menschen von Fluten hinweggerissen wurden, als Häuser einstürzten, Dörfer niedergewalzt wurden." Das ist enorm polemisch, spiegelt aber wohl deutlich auch die Gefühle vieler Getroffenen wider. Die sich enorm allein gelassen fühlen.

Wie auch viele der Helfer, die spontan und schnell z.B. nach Ahrweiler oder Schuld geeilt sind.
Bauern. Bauunternehmer. Die schweres Gerät und manpower zur Verfügung stellten und stellen. Ich habe mehrere ihrer Videos mir angeschaut, in denen immer wieder der Stand der Arbeiten und der (Nicht-)Organisation dokumentiert wurde. Ein enormer Kraftakt, ein Wahnsinnseinsatz, den diese Männer hier leisten! Und dann sowas: die freiwillige Feuerwehr in Schuld wartete tagelang startbereit, bekam aber keinen Befehl zum Ausrücken. Erst am Montagmorgen. Da schrieben wir den 19. Juli.
Ich bin absolut beeindruckt, was für eine gigantische Hilfsleistung selbstorganisiert und selbstverantwortet erbracht wurde und wird. Leider passiert dann auch sowas:
An einer Stelle war es fast gelungen, eine weggerissene Straße so weit wiederherzustellen, dass Hilfsfahrzeuge zu einem abgeschnittenen Hof hätten fahren können, auf dem Menschen (unter ihnen eine 90-jährige Frau) auf Hilfe warten. Es fehlten noch wenige Meter Wiederaufschüttung, Gerät war da, Material wurde angefahren. Man hatte die letzten 24 Stunden durchgearbeitet. Dann wurden jetzt am Montagnachmittag, da ich dies schreibe, die Arbeiten gestoppt. Man müsse das den offiziellen Helfern überlassen, sei ihnen gesagt worden, erzählt einer der Fahrer des schweren Geräts achselzuckend im Video.
Ich sehe das und bin ohnmächtig sprachlos.

Eine Elterninitiative organisiert Pädagog/inn/en und Therapeut/inn/en, schafft es auch, unbeschädigte Räume in einem Ortsteil zu finden, in dem man nicht auf Zerstörtes blicht, um Eltern und Kindern einen entspannten Begegnungsort und erste Verarbeitungsmöglichkeiten zu bieten. Stunden später wird ihnen der Raum wieder gekündigt, weil sie "Querdenker" seien. Mir stehen die Haare zu Berge. Ist man in Deutschland wirklich so weit: Gesinnungsprüfung, ehe man helfen darf?
Einen Tag später, heute, ist  diese Initiative vorläufig im Hilfszentrum in der Aloysiusschule in Ahrweiler untergekommen.

Viele Betroffene klagen über nicht vorhandene Feuerwehren, THW und andere Organisationen des Katastrophenschutzes in den ersten Tagen. An anderen Orten gibt es diese, glücklicherweise. Tausende Helfer aus diesen Organisationen sind, vor allem inzwischen, tätig, und auch sie fahren vollen Einsatz. 

Vor all diesen Helfern, organisiert oder nicht organisiert, ziehe ich meinen Hut!

Der Bundespräsident besuchte am 17. Juli gemeinsam mit Ministerpräsident Laschet Erftstadt. Das war da, wo Laschet, während Steinmeier ein Statement abgab, mit Umstehenden scherzte und lachte. Die Bundeskanzlerin war 4 Tage nach der Katastrophe vor Ort. Es wurde umfassende und unbürokratische Hilfe zugesagt. Darüber konferiert wird erst am Mittwoch. 

Es hat mich erschüttert, das alles mitzubekommen. Hick-Hack, Hin und Her, politische Machtspiele, Vorwürfe, wo es eigentlich nur und ausschließlich um sofortige, möglichst Tat-kräftige Hilfe gehen sollte.

Bei all dem fällt es mir ganz schwer, nicht sehr pessimistisch zu werden. Den Blick auf die positiven Dinge zu richten. All die unfassbar zupackende, spontan organisierte Hilfe von Tausenden von Menschen, die nicht Mitglieder irgendeiner Hilfsorganisation oder gar staatlichen Stelle sind. Und die alle wirklich etwas bewegen!
Und so bin ich dankbar, dass ich meinen Meditationskreis habe. Das Einklinken dort hilft immer wieder, zurück in die Mitte zu kommen. Panik und Ärger helfen ja niemandem. Gestern hatten wir diese Meditation, zu der das nebenstehende Bild gehört. An all den Stellen, an denen in der Meditation anderen Menschen Fülle und positive Dinge zugewünscht werden, haben wir in unserer Vorstellung die Menschen eingesetzt, die durch die Flut betroffen waren. Eine Art Geistiges Heilen.
Nicht verwirren lassen solltet Ihr Euch durch das Wort Dankbarkeit im Titel. Wer sich auf die Meditation einlässt, begreift unterwegs, wie das gemeint ist.

Ich hab mich noch kundig gemacht, wie das mit Spendenmöglichkeiten ist.
Ein privater Organisator hat einen Paypal-Spendenpool eröffnet und bis zum Spätnachmittag ca. 450.000 Euro gesammelt. Aus diesem Pool wurden z.B. ab heute die Baufahrzeuge bezahlt, die bereits drei Tage lang mit Mann und Gerät ehrenamtlich im Einsatz gewesen waren. Aus diesem Pool werden eine große Anzahl höchstnötiger Dixi-Toiletten bezahlt. Soforthilfe halt.

Auf der Seite des SWR kann ich aktuell aus 9 verschiedenen Spendenkonten wählen. Auch t-online bietet viele Hilfsorganisationen zur Auswahl.

In den Niederlanden ist wie immer in solchen Fällen die Kontonummer 777 freigeschaltet, dahinter steht ein Zusammenschluss vieler Hilfsorganisationen. Bis heute Morgen waren dort 5 Millionen Euro an Spenden eingegangen.  

 

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