Schon eine Weile hatte ich die Erdbeeren aus dem örtlichen Supermarkt total satt. Diese festen, auf Transportbeständigkeit gezüchteten, wie Erdbeeren aussehenden und wie Erdbeeren riechenden Früchte, deren Geschmack auch so ungefähr an Erdbeeren erinnert. Und die trotz der beinahe apfelartigen Bissfestigkeit doch immer Transportschäden haben, gedrückte Stellen, die schon am zweiten, spätestens dritten Tag im Kühlschrank matschig werden.
Ja, und vor ein paar Tagen war es endlich so weit. Fahrradfahren ging wieder, juchhu! Meine erste kleine Tour mit dem Rad führte mich dann auch folgerichtig zum Erdbeer-Spargel-inzwischen-auch-alles-mögliche Hofladen(supermarkt) in Noordbroek.
Es war super Wetter: abwechselnd Wolken und Sonne, angenehme Temperatur etwas über 20 Grad, nur wenig Wind.
Die Dampfmolkerei auf einer alten Ansichtskarte, ca. 1905 Inernetfund (Pinterest) |
Ein Teil der historischen Gebäude und der Schornstein sind jedenfalls inzwischen völlig bewachsen.
Mit jedem Pedalumlauf
wurde es mir ein bisschen urlaubsartiger zumute. Dies Wetter ließ mich ganz
intensiv an die Nordseeurlaube unserer Kindheit und frühen Jugend denken. Mir
wurde das Herz weit, und ein großes Glücksgefühl breitete sich in mir aus. Weit
und breit war kein Mensch zu sehen, kein Auto überholte mich oder kam mir
entgegen. Ich hatte Straße und Landschaft ganz für mich.
Ausgabe 1876 / Public Domein/Wikimedia |
Überhaupt, dieser
diesjährige Sommer! Angesichts der Unwetter- und Flutkatastrophen, die überall geschehen
sind, traue ich es mich kaum zu sagen. Aber Petrus hätte mir persönlich, hier in
diesem Teil der Welt, kein schöneres Geschenk machen können als einen Sommer, so
wie er bislang war. Temperaturen, die so gut wie nie über die 25° kommen, viele Nächte,
in denen es richtig schön abkühlt, keine Knallsonne. Es ist diese Art Sommer, die
ich aus unseren Urlauben in Norddeutschland als 'normal' erinnere. Mit Regentagen, an denen wir im Urlaub nach Wilhelmshaven, Oldenburg, Emden oder Wittmund fuhren, Städtchenbummeln mit Sommerschlussverkauf oder Rührei-mit-Krabbenbrot essen. Regentage, die im Zuhause-Sommerferienteil dazu führten, dass wir Kinder gefühlt stundenlang trübsinnig unsere Nasen am Fenster plattdrückten, innerlich stöhnend "mir.ist.so.lang.weilig!!!".
Oder,
wie ich vor ein paar Tagen in irgendeiner Zeitung hier las, "een
doodgewone Hollandse zomer" – ein ganz gewöhnlicher, normaler Holländischer
Sommer. Toll!
Die Veränderungen im ländlichen Alltag sind jedoch trotz aller glücklichen Kindheitserinnerungen und wunderschönen Landschaften sichtbar.
Da sind plötzlich Maisfelder, wo vor zwei, drei Jahren noch Kühe auf der Weide standen. Der Fahrradweg Zuidbroek – Noordbroek führt zwischen zwei dieser ehemaligen Weiden und heutigen Maisäcker entlang und war da durch Wildroste unterbrochen, weil der Bauer die Kühe auf den durch kleine Wassergräben umschlossenen Weiden uneingezäunt laufen ließ.
Der Mais lässt darauf schließen, dass der Bauer noch immer Kühe hält. Diese aber keinen Weidegang mehr haben, sondern nur noch drinnen sind und Kraftfutter bekommen.
Die Getreidemahd hat bislang noch kaum begonnen. Nachteil des kühlen Sommers…. – sorry, Bauern für meine egoistische Begeisterung ob der Kühle. Der Weizen auf vielen Äckern, erst recht Roggen oder Hafer, dürfen noch ein bisschen gelber werden. Und auch die Kartoffelblüte ist dies Jahr ziemlich spät dran. Aber vielleicht habe ich auch eine blühfaule Sorte abgelichtet auf dem Foto rechts, wer weiß. Gerade habe ich nämlich gelesen, dass Kartoffeln im Blühverhalten und Wachstumsverhalten nicht auf Sonnenscheindauer oder -intensität reagieren, sondern sobald die Nächte eine bestimmte Stundenzahl unterschreiten.
Ein Stückchen Weiter war auch das Getreide weiter, der Acker ist gemäht und übersät mit Krähen, Dohlen, Möwen, Tauben, die alle irgendwas zu picken finden auf diesem Stoppelfeld. Die Windräder im Hintergrund gehören zu der gigantischen Windkraftanlage von über dreißig Windrädern, die gegen den heftigen Widerstand der Bevölkerung dieser Gegend durchgesetzt worden ist. Aber das ist eine andere Geschichte.
Zurück im Dorf durfte
ich wieder einmal das Schauspiel der geöffneten Klappbrücke genießen. Anders
als viele Niederländer, vor allem die Auto fahrenden – für die der Vorrang des Verkehrs
auf den Wasserwegen vor dem auf den Straßen ein ewiges Ärgernis ist, immer
dieses Warten! – finde ich das auch nach 13 Jahren Leben in den Niederlanden
noch immer einen schönen bis spannenden Anblick. Es bleibt für mich besonders,
wenn sich vor mir auf dem Weg plötzlich ein Stück Straße senkrecht in den
Himmel erhebt.
Was für ein Geschenk: ich fahre einkaufen, und komme voller Urlaubsglücksgefühl nach Hause.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen