Mitte März bis 10. April 2020 täglich. Ab 11. April 2020 erscheinen die Beiträge jeden zweiten Tag. Ab Montag, 22. Juni 2020 immer Montag und Donnerstag abends. Ab Montag, 13. Dezember 2021 am Montagabend nach 22 Uhr.


Donnerstag, 28. Oktober 2021

Überraschungsbesuch

Vor ein paar Tagen lief in einem der von mir benutzten Messengerdienste in der Chronik eines meiner Kontakte die unten stehende Geschichte über den Bildschirm meines Handys. Sie geistert wohl schon länger im www herum, die Absenderin hatte geschrieben: "Verfasser unbekannt, Internetfund." Ich finde sie nett und herzerwärmend, und darum teile ich sie mit Euch:

Eines Tages  klopfte es an meiner Tür. Ich öffnete und vor mir stand ein kleines, fast durchsichtiges Wesen. "Grüß Dich," sagte es. "Ich bin das Vertrauen. Du hast mich so lange nicht beachtet, deshalb bin ich hier, ich will nicht ganz verschwinden. Darf ich herein?"

Es wartete meine Antwort nicht ab, kam durch die Tür und blieb wie angewurzelt stehen. "Oh je!", rief es aus, "Das hab ich fast erwartet." Ich sah mich um und war irritiert.

 

Alles war wie immer.

Auf der Couch saß wie immer die Enttäuschung, zusammen mit der Hoffnungslosigkeit. Beides keine sehr angenehmen Mitbewohner, die sich zudem im Laufe der Zeit extrem breit gemacht hatten, so dass ich selbst kaum noch Platz hatte.

Vorm Fernseher lümmelten sich die Langeweile und die
Phantasielosigkeit und stopfen sich mit Chips voll.

Mein Bett war von der Traurigkeit in Beschlag genommen worden. Sie weinte die ganze Zeit leise vor sich hin und wurde immer dann so richtig laut, wenn ich schlafen wollte.

Überhaupt war der Krach von allen kaum auszuhalten, so dass ich mich immer mehr auf einen kleinen Hocker in der Ecke zurück gezogen hatte.

"Nein!", rief das Vertrauen laut. "So geht das aber nicht. Schämt ihr euch nicht, soviel Raum einzunehmen. Wo sind denn die Liebe hin und der Mut, die Energie und die Freude!?"

Es wurde ganz still.

Alle schauten ratlos. "Ich weiß es nicht, ich habe sie lange nicht gesehen. Die Liebe war eh kaum da, aber Energie, Mut und Phantasie waren früher mehr" antwortete ich leise.

Das Vertrauen sah mich mitfühlend an, kam auf mich zu und nahm mich in die Arme. „Fühlst du das?" fragte es. Obwohl es so zart war, war es, als hätte es mich komplett in eine dicke weiche Decke eingehüllt. Ich fühlte mich wunderbar geborgen und machte die Augen zu. Alles in mir und außen war schlagartig ruhig.

"Spür jetzt mal in dich", flüsterte das Vertrauen sanft. "Merkst du das Rauschen in dir, fühlst du deinen Herzschlag? Jede deiner Zellen versorgt dich jeden Tag mit Energie, dein Herz klopft in einem steten Rhythmus, wie ein Motor. Dein Blut rauscht durch Dich hindurch und hat immer eine angenehme Temperatur. Du bist als Wunder erschaffen worden, in dem alles tadellos funktioniert. Du bist Liebe, die eine sichtbare Gestalt bekommen hat. Wenn du Dir selbst genug Aufmerksamkeit schenkst merkst Du, Du bist das Wichtigste in Deinem Leben. Hör in Dich. Vertrau Dir."

Ich öffnete die Augen, wie nach einem langen, wunderschönen Traum und sah mich um.
Der Raum um mich war verändert. Alle negativen Gefühle, die ich viel zu lange hier hatte wohnen lassen, waren merklich geschrumpft. Die Energie war auch wieder aufgetaucht und hielt die Phantasie an der Hand, auch die Zufriedenheit versteckte sich schon, noch ein wenig klein, hinter den Beiden. Das Glück hatte sich beschützend hinter allen aufgebaut. Und in der Luft die vorher schal und abgestanden roch, war ein wundervoller Geruch, der alles umgab.

 "Was ist das?", fragte ich das Vertrauen.
„Das", lächelte es,"ist die Liebe.
Sie war immer da, sie brauchte nur etwas mehr Beachtung. Aber wenn sie die hat, wächst sie extrem schnell.
Oh, und wenn Du sie teilst, dann wird sie allumfassend!

Montag, 25. Oktober 2021

Eremitin

Heute Vormittag ging mir seit langer Zeit wieder einmal der Untertitel dieses Blogs durch den Kopf. Über den durch das "C-Paradoxon" (Günter Kerschbaummayr) veränderten Alltag wollte ich damals, zu Beginn des Elends berichten. Und will ich noch immer. Wahrnehmen was geschieht und das Bewusstsein wach halten. Jedoch: Inzwischen ist alles so durchgreifend anders geworden als im echten Leben, jenem Leben, das wir bis einschließlich Februar 2020 gelebt haben, dass ich es oft nicht mehr direkt thematisiere.
Daran gewöhnt habe ich mich nicht.
Und darum will ich heute wieder einmal einen schon hin und wieder en passant erwähnten
Aspekt ansprechen, der sich mir vorgestern sozusagen auf dem Silbertablett angedient hat.

Die berühmte Karte "Der Eremit" aus dem Rider Waite Tarot
Es lohnt sich, die Bedeutung nachzulesen

Online-Café von liebevoll.jetzt. Via Zoom virtuell Zusammensitzen mit Menschen, die auf mehr oder weniger einem ähnlichen lebensphilosophischen Hintergrund ihr Leben leben. Beinahe jedes Mal verlasse ich meinen Schreibtisch mit einem angenehmeren, froheren Gefühl als ich mich vor Beginn des Live-Treffens dort niedergelassen hatte. Selbst nach jenem Mal, über das ich jetzt berichte.

Vergangenen Samstag, aber auch schon früher bei anderen Online-Cafés im Gespräch mit anderen Menschen, kam es wiederholt zur Sprache: wir sind in einer gewissen Art und Weise menschenscheu geworden. Direkte Kontakte, Nähe zu anderen, besonders zu jenen, die uns nicht so nahe stehen, sind mühsam bis unangenehm geworden.

19 Monate C-Wahnsinn haben ihre Spuren hinterlassen. Auch bei bewussten Menschen. Auch bei Menschen, die die viele Alleine-Zeit nutzen für innere Arbeit. Die Einmeterfünfzig-Gesellschaft; das ständig wiederholte Drohszenario; das Bewusstsein, dass auch Geimpfte Überträger sein können und erkranken können; in Deutschland auch die allgegenwärtige Maskenpflicht; die allgegenwärtige Testerei und das Herumhämmern auf dem Vorzeigen der QR-Codes (in den Niederlanden lediglich bei bestimmten Gelegenheiten, in Deutschland wohl beinahe überall im öffentlichen Leben) – alles das hat unser Lebensgefühl beeinträchtigt.

Vor allem das Leben derjenigen, die nicht mehr in einen Arbeitsprozess, ins Berufsleben eingebunden sind; das Leben derjenigen, deren erwachsene Kinder oder deren Geschwister weiter weg von ihnen leben; das Leben derjenigen, die vor Ort keinen ausgedehnten Freundeskreis haben; das Leben derjenigen, die ohne Partner leben und/oder die keine Familie mehr haben, hat sich in dieser Hinsicht offenbar sehr verändert. Schwieriger noch gestaltet es sich für die, die sich gegen die Impfung entschieden haben. In den Zoom-Gesprächen kommt das immer wieder zum Ausdruck. Manchen geht es mit der zunehmenden Spaltung und Isoliertheit richtig schlecht.

Auffällig ist, dass von dieser neu in ihren Leben entstandenen Menschenscheu selbst Menschen berichten, die ehrenamtlich tätig sind oder die selbständig Erwerbstätige sind. Es hat nicht nur solch zurückgezogen Lebende erwischt, wie ich eine bin.

Allen gemeinsam ist, dass sie sich in Menschengruppen sowieso nicht mehr wohlfühlen. Auch beim
Einkaufen, egal ob in einem Supermarkt, Laden, oder auf einem Markt. Das ganze Gewusel ist einfach zu viel. Die räumliche Nähe auch. Jemand drückte es im Gespräch so aus: "was machen die alle da?"
Es ist einem – schwer gegen die eigentliche Natur des Menschen - zur zweiten Natur geworden, anderen aus dem Weg zu gehen.

Da wir alle wissen, dass das hochgradig ungesund ist, versucht jede und jeder, einen eigenen Weg zu finden, um nicht vollständig zum Sonderling zu werden und in Einsamkeit zu versinken. Kreativ sein, schöpferisch sein ist eine gute Strategie. Eisern die ehrenamtliche oder selbständige Arbeit weitermachen eine andere. Die vorhandenen Kontakte pflegen eine wichtige dritte. Wobei - aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass einer da die entstandene Menschenscheu auch ziemlich im Weg stehen kann.

Auf irgendeine Weise hat man sich eingerichtet in der eigenen Zurückgezogenheit. Es kostet oft wirklich Überwindung, aus dem Mauseloch oder Schneckenhaus herauszukommen um auch nur einen Anruf zu tätigen. Erst recht, wenn die andere Person in Sachen "C" 'dem anderen Lager' angehört. Dann ist ein wesentlicher Teil der aktuellen Lebens-Erfahrung von vorneherin von der Kommunikation ausgeschlossen.

Übrigens, nicht bei allen wirkt die aktuelle Situation sich wie oben beschrieben aus. Es gibt Leute, die offenbar wieder 'ganz normal' leben, oder jedenfalls fast. Klar, großenteils diejenigen, die berufstätig sind und für die Homeoffice der Vergangenheit angehört. Aber auch manch andere. Sie treffen Leute; gehen essen, in Konzerte oder anderweitig aus; fahren bzw. fliegen ins Ausland in Urlaub; lassen sich nötigenfalls testen und testen und testen, ohne irgendetwas dabei zu finden; nehmen alles irgendwie hin. Als ob nichts sei.

Und es gibt Leute, die schaffen es, sich von dem oben geschilderten nicht unterkriegen zu lassen. Sie nehmen wahr, was das alles für Auswirkungen auf unsere Gesellschaften hat, was es getan hat und noch tut mit der Art, in der wir zusammenleben. Aber sie entwickeln eine Gegenstrategie. Suchen sich Gruppen gleich denkender, gleich schwingender Menschen und treffen sich. Machen Dinge gemeinsam. Entwickeln Ideen und Visionen – gemeinsam. Überwinden immer wieder die von den Umständen provozierte innere Verfasstheit und leben (in Großbuchstaben: LEBEN) ein "Trotzdem".

 

 

Und mein Weg? Irgendwo dazwischen. Jeden Tag aufs Neue bewusste Versuche dieses 'trotzdem'.

Ich erinnere mich an eine Postkarte, die bei einem früheren Partner, seines Zeichens Trommellehrer, an die Wand gepinnt war:

Üben. Üben. Üben.

 

Zur Bedeutung der Tarotkarte "Der Eremit" siehe z.B. hier.

Donnerstag, 21. Oktober 2021

Trunken von...

Es bleibt eine schwierige Zeit. Ob man es wissen, lesen, hören will oder nicht, auf den "gestiegenen Zahlen" wird überall herumgekaut. Drohungsszenarios werden erneut fantasiereich ausgeschmückt und veröffentlicht. Und nachdem letztes Jahr die Grippe "wegen der Maßnahmen" (Masken, Abstand, Hygiene) offenbar ausgestorben war, wird sie dies Jahr in fetten Großbuchstaben als Menetekel an die Wand geschrieben. Wenn man den Nachrichten glauben darf, sind wir umzingelt von Bedrohungen. Zum Depressiv-Werden!

Gratisclipart https://wdrfree.com/stock-vector/download/love-stories-28094235  
Manch einer dürfte dann zur Flasche greifen.
Oder zu vom Arzt verschriebenen Glückspillen.

Oder zu gedruckten Träumen.
Sich in Liebesromane versenken... ist auch eine Sucht…

Dies Bangen bis zum ersehnten Happy End. Das Wahrnehmen all der "Fehler", die die meist jungerwachsenen, bis Mitte 30 Jahre alten Heldinnen machen:
Wie sie andauernd versuchen, ein Bild von sich aufzubauen und vor sich her zu schieben, von dem sie denken, der Angebetete suche so etwas. Anstatt sie selbst zu sein. Wie sie ihre wahren Gedanken zu und Empfindungen von Liebe nicht äußern. Wie allzuoft die männlichen Figuren Gleiches tun. Bis dann zum Schluss doch die "echte", die "wahre" Wahrheit herauskommt und die Heldin und ihr Auserwählter sich endlich in den Armen liegen.

Diese Cliffhanger im Buch. Man (frau!) denkt beim Lesen: "jetzt, jetzt wird alles gut, und sie kriegen sich!" – und dann macht eine/r von beiden einen "Fehler", oder versteht die Aufrichtigkeit des Gegenüber als Taktik oder Ironie – und die Ungewissheit und damit die Spannung gehen in die nächste Runde. Des Singledaseins. Oder der Beziehung mit dem/er "Falschen", in die man/frau zurückkehrt, weil zwar ohne Schmetterlinge im Bauch, aber dennoch gemütlich. Weil die Konvention es so will. Oder das "moralische Gewissen", das eigene, oder jenes des/der anderen.

Je nach Kunstfertigkeit der Autorin (meist sind diese Art Bücher von Frauen geschrieben) gibt es mehrere Wendungen dieser Art im Buch. Im besten Fall in einer Art Spirale auf den alles erlösenden Punkt zulaufend. Und – ebenfalls im besten Fall – garniert mit sprachlichem Feuerwerk sowie, neben der Dramatik, garniert mit Humor und Witz.

Daran kann man (frau!) sich betrinken wie die Figuren (meist die weiblichen) der aktuell vermutlich auf die 40 zugehenden, modischen Schreiberinnen. Ich merke da den Generationen-Unterschied. Weder wir noch unsere damaligen Romanheldinnen haben derart oft zum Alkohol gegriffen, um die eigenen Gefühle zu betäuben und dann am Tag darauf doppelt verkatert aufzuwachen. Ich glaube, wir (und unsere papiernen oder filmischen Heldinnen) haben uns absolut in unsere Gefühle fallen gelassen und diese bis in alle Tiefen und mit aller Dramatik ausgekostet. Das war ein so eigener Rausch, eine solch heftige Lebendigkeit, da brauchte es keinen Alkohol.

Aber ich schweife ab.

An diesen Schmökern kann frau sich also besaufen.
Warum macht eine im Alter von 60+ so etwas?

Zweifellos aus dem gleichen Grund, aus dem die Romanfiguren das mit Alkohol tun: um der als untragbar, unerträglich erfahrenen Realität zu entfliehen.
Und wie nach dem Genuss von zu viel Alkohol gibt es danach einen dicken Kater.
Nach dem Weglegen des Buches ist das eigene Leben noch genau so wie vorher.
Der Körper hat dieselben, störenden Symptome. Die Gesellschaft, die Politik sind noch genauso aussichtslos in den C-Irrsinn verstrickt. Das C-bedingte, tägliche Einerlei mit seiner zugehörigen Isolation ist noch immer das Gleiche. Kein einziges der Probleme, die die Tage grau und perspektivlos erscheinen lassen, hat sich inzwischen gelöst.

Es sind lediglich kostbare Lebensstunden verstrichen. Der Druck die Dinge zu tun, die getan werden müssen, ist nur größer geworden. Und die eigene Energie geringer. Der Kater halt, mit dem man aus dem schönen Traum erwacht ist.

Dennoch, insgesamt erscheint mir das Schmökersaufen mir selbst gegenüber ehrlicher als das, was ich früher öfter machte: mir abends einen Film reinziehen. Das führte schlussendlich in den gleichen oder zumindest in einen vergleichbaren Mechanismus. Nur, dass der Kater hinterher weniger bewusst, weniger direkt fühlbar war und dadurch die suchthaltige Gewohnheit weniger als solche erkennbar.

Bärige Bücher allerdings sind eine andere Sache!

Es scheint, als ob das Lesen zu mehr Reflexion anregt. Vielleicht, weil das Eintauchen ins Phantasiereich durch den Gebrauch der eigenen Vorstellungskraft zum Aufrufen innerer Bilder intensiver, totaler ist. Wenn ich so lese, vergesse ich die Welt um mich herum. Ganz wie damals in der Kindheit. Dementsprechend ist das Erwachen härter. Und die gefühlte Welt danach kälter.

Nun hoffe ich, nein, ich vertraue darauf, dass der Bewusstwerdungsprozess Resultate zeitigen wird.  

Natürlich ist mir das alles nicht neu. Die letzten Male habe ich mich sehr bewusst in das papierne Abenteur gestürzt. Wie die liebesleidenden Heldinnen in den Büchern in ein Besäufnis.

Ähnlich wie bei den anonymen Alkoholikern gilt es, die erste Schmonzette auf dem Server zu lassen.*)
Den elektronischen "Blick ins Buch" auf dem Bildschirm unangeklickt zu lassen.

Das nächste Gratis-Probe-Abo von Kindle Unlimited werde ich ignorieren!

 

*) Eigentlich müsste es heißen: "Das erste Buch im Laden im Regal stehen zu lassen. Der Versuchung, es in die Hand zu nehmen und durchzublättern, zu widerstehen." Nur stehen mir hier keine deutschen Buchhandlungen zur Verfügung. In meiner zweiten, der Nicht-Muttersprache funktionier das Buchbesäufnis nicht. Also blienur die digitale Buchhandlung.

Viel gelesen