Erschrecken
Vor einigen Tagen
flimmerte ein Textbeitrag über meine Mattscheibe, der
in seinem Kern zurückgeht auf Untersuchungen von Albert Biderman aus dem Jahr 1957 mit der Fragestellung, warum so viele US-Kriegsgefangene in Korea in Gefangenschaft mit ihren Kerkermeistern kooperierten.
Zitiert wurde
darin in einer freien Übersetzung das von Biderman so genannte "Diagramm des Zwangs", enthaltend acht Maßnahmen gegenüber den Gefangenen, die eingesetzt wurden, um deren Willen zu brechen. Amnesty International stellte später, 1973, in einem Bericht über Folter fest,
dass Bidermans Diagramm des Zwanges "universelle Werkzeuge von Folter
und Zwang" auflistet, d.h. diese Art Folter und Zwang wird von autoritären Regimes weltweit angewendet.
Als ich die einzelnen Schritte in diesem Diagramm des Zwangs so vor mir sah und las,
wurde mir schlecht.
Es schien, als ob darin alles aufgeschrieben sei, was wir überall
auf der Welt seit 21 Monaten mitmachen und durchmachen. Offenbar bin ich nicht die Einzige,
die das so sieht. Zahlreiche aktuelle Veröffentlichungen im World Wide Web zitieren dies Diagramm und beziehen sich darauf. Ich greife einen Blogbeitrag vom 5. Dezember 2020 heraus sowie einen Artikel von vor ein paar Tagen aus einer österreichischen, kritischen
Zeitung
Die Soziologin in
mir kann nicht anders, als die Parallelen ebenfalls wahrnehmen.
Im Folgenden gebe
ich die acht, in den Zeitungsartikeln auf sieben reduzierten Schritte wider,
übersetzt aus der englischsprachigen Originalquelle. In Klammern Ergänzungen zum besseren Verständnis, von mir hinzugefügt.
1. Isolation
Beraubt das Opfer
jeglicher sozialer Unterstützung und seiner Fähigkeit zum Widerstand.
Stimuliert eine intensive Beschäftigung mit sich selbst. Macht das Opfer vom
Verhörenden abhängig.
2. Monopolisierung
der Wahrnehmung
Lenkt die
Aufmerksamkeit auf die unmittelbare Notlage. Fördert die Introspektion.
Eliminiert Reize, die mit denen konkurrieren, die der Bewacher kontrolliert.
Verhindert alle Handlungen, die nicht mit der Einhaltung der Vorschriften
vereinbar sind.
3. Induzierte
Entkräftung und Erschöpfung
Schwächt die
geistige und körperliche Widerstandsfähigkeit.
4. Bedrohungen
(Androhung von negativen Folgen, Strafen, Gewalt bei Nichteinhaltung von
Regeln)
Erzeugt Angst und
Verzweiflung.
5. Gelegentliche Gefälligkeiten,
Nachsicht, Zugeständnisse
Bietet eine
positive Motivation zur Einhaltung der Vorschriften.
Erschwert das Sich-Gewöhnen an Entbehrungen.
6. Demonstration
von 'Allmacht' und 'Allwissenheit'
Suggeriert Vergeblichkeit von jeglichem Widerstand.
7. Degradierung,
Entwürdigung
'Kosten' von
Widerstand schaden dem Selbstwertgefühl mehr als Kapitulation.
Reduziert den Gefangenen auf 'tiergleiche' Verhältnisse (zwingt ihn in den Überlebensmodus).
8. Durchsetzung
trivialer Forderungen
Hat zur Folge,
dass Folgsamkeit als Gewohnheit entwickelt wird.
Diese Stufen und ihre
psychischen Folgen so aufgeschrieben zu sehen, hat mich erschreckt.
Und in mir –
wieder einmal – ein Gefühl von Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein hervorgerufen.
Was kann ich tun,
um dies Gefühl, nachdem ich es wahrgenommen und begriffen habe, zum Weiterziehen
zu bewegen?
Ich konzentriere mich auf Liebe. Und zitiere nun eine ganz bezaubernde Geschichte,
die ich ebenfalls auf vielen Seiten im www gefunden habe, und die mir in einem
Newsletter zugeschickt wurde.
Was ist die Liebe?
Die fünfjährige Veronika fragte ihren Vater, ob er ihr erklären könne, was die Liebe sei? Der Mann meinte verlegen: "Seitdem deine Mutter und ich uns getrennt haben, kann ich das nicht mehr sagen. Ich dachte, das wäre die Liebe gewesen, doch ich hab mich wohl getäuscht."
Daraufhin befragte die Kleine ihre Mutter, diese konnte ihr die Frage auch nicht beantworten und meinte nur: "Frag deinen Papa."
Im Kindergarten fragte sie ihre Erzieherin, ob sie wüsste, was die Liebe sei? Diese sagte ihr lächelnd: "Liebe ist ein Geschenk und wenn du groß bist, wirst du sie hoffentlich kennenlernen." Auf die weitere Frage, ob man Liebe auch kaufen könne, antwortete sie: "Nein. Doch es gibt Menschen, die denken, dass Liebe käuflich sei."
Egal, wen Veronika nach der Liebe fragte, nie bekam sie eine Antwort, die sie
zufriedenstellte.
Doch irgendjemand musste ihr doch erklären können, was die
Liebe ist.
Sie fragte ihre neue Tagesmutter, ob sie wüsste, was die Liebe sei?
"Ja, natürlich weiß ich, was die Liebe ist", und das Kind wurde ganz hellhörig, "Liebe kannst du nur bekommen, wenn du auch Liebe gibst. Dann klopft dein Herz
ganz wild und fühlt sich bunt und warm an." Veronika fragte, was mit dem Herz
passiert, wenn man alleine ist? Traurig antwortete die Ältere: "Dann fühlt sich
das Herz wieder farblos, leer und kalt an."
In den Ferien besuchte Veronika ihre alte Großmutter. Sie dachte, dass doch die
Oma wissen müsse, was die Liebe ist. Immerhin sei diese schon über fünfzig
Jahre lang glücklich verheiratet.
Die Oma lächelte, als ihr die Kleine die Frage stellte. Sie ging schnell ins
Haus und kam mit einer kleinen, alten Schatztruhe wieder zurück:
"Schau hinein und du wirst die Antwort auf deine Frage finden."
Veronika
öffnete vorsichtig die Truhe. Sie sah darin einen Spiegel.
"Schau dich an", forderte die Oma sie auf, "du hast die Liebe in dir selbst.
Dein Herz strahlt in den schönsten Farben und du darfst dich immer selber
lieben, und zwar genau so, wie du bist. Jeder, der sich selbst liebt, strahlt
dies aus und zieht Menschen an, die ihn lieben können. Die Liebe ist immer in dir, denk daran mein Kind."