Es gibt Tage, da erfüllt mich eine unglaubliche Sehnsucht nach normalem Leben. Eine unglaubliche Sehnsucht danach, einfach drauflos leben zu können. Sehnsucht danach, spontan die Dinge tun zu können, wie sie mir in den Sinn kommen oder sich andienen.
Wisst Ihr noch,
wie das war? Erinnert Ihr Euch noch?
Man wachte morgens
auf, lebte sein übliches Morgenritual. Mit ausgedehntem Frühstück, kleinem
Frühstück, gar keinem Frühstück im Bauch gings zur Arbeit, zur Schule, zu …irgendwas,
was man sich vorgenommen hatte. Man verließ das Haus einfach so und tat, was anstand. Völlig frei von jeglicher Furcht vor irgendeiner draußen lauernden Gesundheits-gefahr. Völlig ohne jedwede Extra-Vorsichtsmaßnahmen und Extra-Gepäck wie Masken, Impfpässe, Testergebnisse, Desinfektionsmittel. Einfach nur Tasche oder Rucksack und Schlüssel nehmen und los.
Frei von allesbeherrschender
Angst vor bösen Viren, die irgendwo im Atem eines Mitmenschen heimtückisch darauf
warten, andere Menschen zu überfallen, lief man durch seine Stadt, sein Dorf. Begenete anderen Menschen, ohne ihnen auszuweichen. Benutzte öffentliche Verkehrsmittel, drückte
sich durch volle oder übervolle Kaufhäuser,
Märkte, Weihnachtsmärkte, Sonderausstellungen in Museen, Theaterfoyers, wartete
in Klo-Schlangen, saß oder stand dichtgedrängt in Konzerten, tanzte ab (und
schwitzte fröhlich drauflos) in der vollen Disco.
Völlig frei von
jeder Angst vor den bösen Keimen, die die
Mitmenschen auspusten könnten, saß man bei
einander. Umarmte sich. Küsste sich auf die Wange, oder unter Liebenden ganz arglos
und genießend sinnlich. Man saß mit den verschiedensten Menschen in häuslichen Situationen
zusammen, feierte Feste, besuchte einander, ging essen, hockte einen Abend lang
in übervollen Kneipen, war unter Menschen, unter Menschen, unter Menschen. Selbstverständlich.
Arglos. Glücklich. Natürlich. Ohne nachzudenken. Manchmal verärgert über die
Fülle, man hätte gerne etwas mehr Raum gehabt. Trotzdem irgendwo entspannt. Menschen
gehörten zu Menschen.
Und das alles war absolut frei von allgegenwärtiger Angst, sich mit irgendwas anzustecken.
Man verliebte sich und kam sich völlig happy und frei näher und näher, küsste sich, hielt Händchen und irgendwann mehr, und hatte allenfalls Angst, dass die Verliebung einseitig sein könne. Andere genehmigten sich One-Night-Stands. Da war die einzig wahrgenommene Ansteckungsgefahr diejenige bezüglich Geschlechtskrankheiten.
Man ging auf
Reisen. Fahrkarte, Flugticket buchen und los. Einfach so.
Man bezahlte bar.
Einfach so.
Fasste Lebensmittel im Supermarkt an, prüfte die Qualität von Obst und Gemüse, legte gegebenenfalls etwas wieder zurück. Ohne sich allzusehr einen Kopf zu machen, wer das vor einem schon alles in der Hand hatte, man würde es doch waschen oder schälen, ehe man es isst. Ohne vorher und hinterher die Hände mit Sterillium einzureiben. Gelegentlich aß man auch mal einen Apfel oder eine Birne, nachdem man die Frucht einfach abgerieben hatte, nicht erst nachdem sie ausführlich gewaschen waren. Oder naschte auch mal einzelne Erdbeeren, Himbeeren, Johannisbeeren nach dem Kauf gleich aus dem Schälchen. Frei von Angst, sich mit irgendwas anzustecken. Allenfalls hatte man Bedenken wegen Pflanzenschutzmitteln.
Nach dem Einkauf räumte man die Dinge an ihren Platz. Kochte sich danach einen Kaffee oder Tee, schmierte sich ein Brot, klaubte einen Keks aus der Dose oder ein Knäckebrot aus der Schachtel. Genehmigte sich ein Stück Schokolade aus der gerade gekauften Packung. Ohne sich grundsätzlich nach jedem Einkauf eindringlich erst noch daran zu erinnern: hallo! Du kommst vom Einkaufen! erstmal Hände waschen!!! Tat man meistens schon, aber mehr aus Gewohnheit denn aus Angst vor irgendeiner Ansteckung.
Klar, in der Erkältungszeit war man etwas vorsichtiger, wusch die Hände häufiger und sah zu, dass einen niemand anhustete. Aber andererseits, Erkältungen konnten passieren. Waren unangenehm, aber kein Drama.
Man lebte drauflos.
Und es ging (meistens) gut. Wofür hatte mein sein gut trainiertes Immunsystem? Über das man nicht einmal nachdachte. Auf das man sich vertrauensvoll verließ, ohne sich dessen bewusst zu sein.
Man tat überhaupt alles einfach so. Wollen wir…. ins Kino, ins Theater, ins Konzert, ins Museum, ins Schwimmbad, zum Sport, was Essen,… gehen? Prima, wann? Und dann gings los. Ab in irgendein öffentliches Verkehrsmittel, aufs Fahrrad, ins Auto. Und zum Treffpunkt.
Keine Überlegung: was muss ich jetzt nachweisen, um dorthin zu können? Darf jemand "ohne" dort noch in, oder nicht? Habe ich genug Masken dabei? Sind es auch die richtigen Masken? Muss ich da eine FFP2 oder kann eine normale medizinische Maske? Das Fläschchen Desinfektionsmittel nicht vergessen! Den Impf- oder Testnachweis parat haben. Und immer die Angst im Gepäck, die Drohung: das böse Virus lauert überall.
So war das.
Nach dieser Unbeschwertheit
sehne ich mich. Manchmal so sehr, dass ich heulen könnte.
Weg. Aus und
vorbei. Ob sie je wieder kommt?
Offizielle Grafik mit ab übermorgen geltenden Regeln |
Hier im Land geht
alles gerade erst einmal den umgekehrten Weg. Ab übermorgen haben wir die
Maskenpflicht zurück beim Einkaufen und überhaupt in allen Innenräumen, in
denen mehrere Mensche bei einander sind. Genesen-Geimpft-Getestet wird an viel
mehr Stellen eingeführt, als es bislang galt; außer in Restaurants, Theatern,
Konzertsälen und bei Großveranstaltungen nun auch in Museen, Schwimmbädern,
Sportschulen, für Zuschauer von Sportveranstaltungen und auf Jahrmärkten.
Die Angstkeule
wird wieder heftig geschwungen und mit warnender Stimme werden täglich mehrfach
die aktuellen Zahlen genannt. Vor allem wird angstvoll und angstmachend nach
den Aufnahmen ins Krankenhaus und den belegten Intensivbetten geschaut. Bei 17
Millionen Einwohnern gibt es rechnerisch landesweit nur 1150 Intensivbetten und
aufgrund vieler Krankmeldungen im Personal zur Zeit nur 950. Irgendwer hat ausgerechnet,
dass in den Niederlanden rechnerisch 9,6 Intensivbetten auf 100.000 Einwohner
kommen. In Deutschland sind das 46 pro 100.000. Und in Italien immerhin noch
11. Die 8 großen Universitätskliniken haben schon verlautbart, dass Aufstocken
eine Option ist. Nicht zu schaffen. Weder personell noch finanziell.
Also wird die
Angstkeule geschwungen. Und wie!
Unbeschwertheit? Nächster Witz!
Und dabei ist Freude, sind Dankbarkeit, Liebe, Mitgefühl die allerwichtigsten Gefühle, um innerlich und überhaupt gesund zu bleiben. Au Mann! Das wird einem zur Zeit vielleicht schwer gemacht!
Gottseidank gibt
es dann sonnige Tage, so wie heute – nach einem enorm nebligen Vormittag war
der Nachmittag ein Gedicht. Gottseidank gibt es spirituelle Online-Kongresse
mit phantastischen, aufbauenden Interviews. Gottseidank gibt es die beste
Freundin aus Schulzeiten, mit der ich regelmäßig telefonieren kann. Gottseidank
gibt es Freunde in Deutschland, mit denen ich mailen oder telefonieren kann. Gottseidank
gibt es Brieffreundschaften, die mich aufbauen und in denen ich die anderen
aufbauen kann. Gottseidank gibt es die Bekanntschaften aus liebevoll.jetzt und
die Online-Cafés. Gottseidank gibt es einen unerschütterlich optimistischen
Mann an meiner Seite. Gottseidank gibt es Musik, zum Anhören oder auch mal Selbermachen.
Gottseidank gibt es Meditationen. Gottseidank gibt es noch meine VLOW-Gruppen.
Mit all dem muss es sich doch schaffen lassen, einigermaßen durch diese irre Zeit zu kommen.
Was meinen Sie, Baron von
Münchhausen?
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