Das zweite Osterfest
nach dem Ende unseres einstmals gewohnten Lebens.
Es ist traumhaftes Wetter: Sonne und ein klarer, blauer, bis auf die seit letztem Jahr offenbar
unvermeidlichen, ständig anwesenden Schleierwolken wolkenloser Himmel. Menschen
gehen nach draußen, Nachbarn werkeln in ihren Gärten herum, und endlich,
endlich höre ich auch wieder begeistertes, fröhliches Kinderjuchzen, Rufen, Lachen im
Garten nebenan, das das ausgelassene Spiel mit dem Papa begleitet.
Wie habe ich
das vermisst!
Eine Stille lag über dem Dorf, die ich so sonst nie erlebe. Eine andere Stille als jene am Morgen des 1. Januar, die mich auch so beeindruckt hat. Und das, obwohl Läden normal geöffnet waren, also bis abends um 7 oder 8. Die Atmosphäre fühlte sich wirklich an wie die Stille der "Grabesruhe des Herrn", über die ich vor Jahrzehnten einmal eine großartige Predigt des beeindruckenden Pastoraltheologen Rolf Zerfaß*) gehört habe.
Es war, als ob in dieser ganz und gar säkularen Welt, in dieser besonders nüchternen, noch nie sehr kirchlich gewesenen Region der Niederlande, dennoch etwas in den Menschen die Besonderheit dieses Vorgangs spürt. Die Besonderheit dieser Tage der Erinnerung an unsere Sterblichkeit, an die Stille der Zwischen-Zeit, in der die Seele alles mögliche erlebt und erfährt bevor sie sich dann auf den weiteren Weg des Lebens macht.
Am Ostersonntag dann die – wie ich annehme, ebenso unbewusst erlebte – überschäumende Lebendigkeit des neuen Lebens. Die nun auch in der Natur wieder zu sehen ist. In den letzten beiden Tagen, in denen es allmählich wärmer und mehr Sonnenschein uns geschenkt wurde, hat fast die sprichwörtliche Explosion des Grüns an den Bäumen stattgefunden. Plötzlich ist überall im Pärkchen an den noch eben kahlen Ästen ganz deutlich Grün zu erkennen. Ich merke, wie ich dadurch ganz anders aufatme: das Leben ist zurück.
Gleichzeitig wird mir mit jedem Jahr deutlicher bewusst, wie kurz im Jahr eigentlich diese Periode der belaubten Bäume und ihn ihrer übersprudelnden Lebendigkeit intensiv wahrnehmbaren Natur ist. Beinahe fünf Monate müssen wir in diesen Breiten mit den kahlen Ästen leben. Das erinnert mich an eine Aussage, die meine Mutter einmal gemacht hat, als sie wohl etwa in meinem heutigen Alter war: dass sie nämlich den Herbst eine schreckliche Jahreszeit fand. Diese Absterben und Fallen der Blätter, dieses Kahlwerden der Bäume machten sie traurig und vielleicht auch ängstlich, heute (in der Zeit der Etikettierung normal im Leben vorkommender Gefühlszustände als 'krankhaft') würde man das depressiv nennen.
Hat das mit dem Älterwerden zu tun? Mit der Tatsache, dass die Unausweichlichkeit des Todes immer mehr ins Bewusstsein sich drängt? – Vielleicht gehe ich dem irgendwann anders mal nach.
Jetzt aber – ist erst einmal das Leben zurück. Im Garten gehen die Tulpenblüten auf, die Hyazinthen blühen so schön wie noch nie, an den unmöglichsten Stellen zwischen den Terrassenplatten keimen Sonnenblumen und Getreidehalme von Vogelfutter, das die Gefiederten auf dem Rückweg vom Futterhäuschen haben fallen lassen,
und die Teddies
Und ich fühle wie noch nie eine
Sehnsucht nach dem Leben, das ich bis Januar 2020 geführt habe.
Wie viel haben wir alle doch seitdem verloren! Nein, ich werde das jetzt nicht
alles benennen. Das tun andere, warnende Stimmen sowieso täglich.
Aber die wiederholte Erkenntnis, dass das meiste davon nie wieder zurückkommen
wird, haut mich jetzt erst einmal um wie ein schwerer Faustschlag. Wie gerne würde
ich mich zurückbeamen in jenes Jahr 2019 und es nie, nie verlassen!...
Niemand von uns weiß, was statt dessen kommen wird. Das, was es dazu an Veröffentlichungen gibt, allen voran das Buch von Klaus Schwab "COVID 19 - Der Große Umbruch" (gelegentlich verglichen mit dem Werk eines Autors mit Oberlippenbärtchen, das 1925/26 erstmals erschien und später in jedem deutschen Bücherschrank zu stehen hatte), lässt nichts Gutes vermuten.
Vielleicht ist diese Stimmung der richtige Moment, um die Vision eines menschenfreundlichen Zusammenlebens zu teilen, die Neale Donald Walsch in seinem 2011 geschriebenen Buch "Der Sturm vor der Ruhe – Gespräche mit der Menschheit" aufgeschrieben hat (S. 242/43):
"Was mich betrifft, so hoffe ich bei unserer neuen Geschichte auf diese Resultate:
1. Akzeptanz der wahren Identität aller Menschen als Aspekte und individualiserter Ausdruck des Göttlichen
2. Dass immer mehr Menschen – Millionen, so hoffe ich – das Einssein allen Lebens und der Menschheit erkennen.
3. Ein Wissen darüber, warum wir hier auf der Erde sind; Klarheit über die Agenda der Seele.
4. Beseitigung von entwürdigender Armut, Hunger und der massenhaften Ausbeutung von Menschen und Ressourcen durch die Mächtien in wirtschaft und/oder Politik.
5. Beendigung der Systematischen Umweltzerstörung auf dem Planeten.
6. Beendigung der kulturellen Dominanz eines Wirtschaftssystems, das auf Konkurrenz statt auf Kooperation beruht und nach ständigem Wirtschaftswachstum stebt.
7. Beendigung des endlosen Kampfes um Größer/Besser/Mehr.
8. Aufhebung aller Einschränkungen und Diskriminierungen, die Menschen an ihrer Entfaltung hindern – sei es zu Hause, am Arbeitsplatz … oder im Bett.
9. Die Möglichkeit für alle Menschen, in wahrer Gleichberechtigung ihre höchste Form des Selbstausdrucks zu erreichen.
10. Die Verwirklicheung gesellschaftlicher Veränderungen nicht als sozialpolitische Maßnahme, sondern als lebendige Vor-Ort-Demonstrationen dessen, was wir als Spezies wirklich sind.
Ja!
*) wie ich gerade
gelesen habe, starb Rolf Zerfaß am 31. März im Alter von 87 Jahren.
Das
berührt mich sehr und macht mich traurig.
Lieber Silberstern, danke wieder einmal für die inspirierenden Zeilen ... doch, gleich am Anfang dachte ich: ist es nicht schon das dritte Mal Ostern, seit der "alten Normalität" ?
AntwortenLöschenOh ja! Tatsächlich, schon das dritte Osterfest, seit....
AntwortenLöschenHm. Ob da der Wunsch Vater des Gedankens war?