Bei der Betrachtung einer Zusammenstellung der neuesten Einschränkungen des Lebens in Deutschland "zum Schutz vor Corona" wurde es mir enorm eng ums Herz. Erst echt, als ich die Reaktionen einiger Weggefährten der letzten Jahrzehnte auf meine Gefühle angesichts dessen erlebte.
Bis März 2020,
also März diesen Jahres, war ich immer in gewisser Weise stolz auf meine Generation
der Nach-68er und 68er. Sie hat viele mutige, freiheitsliebende Menschen
hervorgebracht, die für Frieden und Freiheit und für eine intakte Umwelt und
deren Schutz eintraten; die Freiheitseinschränkungen anprangerten, die durch
diktatorische Regime überall auf der Welt verordnet wurden; für ein atomwaffen-freies
Europa auf die Straße gingen und heftig gegen die Notstandsgesetze protestierten;
und die eines ganz sicher nie taten: sich klaglos und ohne sie kritisch zu
hinterfragen irgendwelchen Maßnahmen der Obrigkeit beugen.
Was ist in den letzten Wochen und Monaten mit der Mehrzahl meiner Altersgenossinen und -genossen passiert? Ich vermisse ihren kritischen Geist. Vermisse ihren bis dato immer lebendigen Widerspruchsgeist, ihren hinterfragenden Verstand, der nichts einfach so annimmt, wie es ihm aufgetischt wird.
Was also ist
passiert?
Anstatt der immer etwas abstrakten Ängste "vor den Russen" (wegen denen man nachrüsten musste), vor "Rebellen" (gegen die in anderen Ländern diktatorische Machthaber antraten), "vor der Handlungsunfähigkeit des Staates in Krisensituationen" (Notstandsgesetze von 1968), "vor ökonomischem Niedergang in der Region wegen eines zu kleinen Flughafens" (Startbahn West in Frankfurt) – Ängste, mit denen die jeweilige Obrigkeit zu jenen Zeiten ihre Maßnahmen durchdrücken wollte – ist die ganz persönliche Angst um den eigenen Leib getreten. Kombiniert mit der Tatsache, in einem Lebensalter zu sein, in dem das eigene Sterben sich als Thema immer mehr ins Bewusstsein schiebt.
Mit dieser Angst im Gepäck gelingt es heute der Obrigkeit, unabhängig davon, ob die medizinische Sinnhaftigkeit ihrer Ideen tatsächlich bewiesen ist, alles durchzusetzen, was ihr als Schutz in den Sinn kommt. Und eine Generation von immer Kritischen nun beinahe komplett zum Schweigen zu bringen.
Ja, auch ich will gesund bleiben! Auch ich gehöre zu jener Generation der 60plusser, die inzwischen schon von vielen Menschen für immer Abschied nehmen musste. Auch ich will noch mindestens 30 Jahre glücklich und gesund leben.
Deswegen tue ich schon seit langem Vieles für meine Gesundheit.
Und halte mich an die hygienischen Grundregeln.Die komischen Blicke meiner Mitreisenden sind Legion, wenn ich – vom Zug-WC kommend – mein Sterillium-Fläschchen aus der Tasche zog und meine Hände desinfizierte, ehe ich mich wieder setzte und weiterlas, aus dem Fenster schaute und dabei den Kopf in die Hand stützte, etwas aß oder trank, usw.
Auch im Winter 2017/18, in dem in ca. 6 Monaten Zeit in Deutschland ungefähr 25.000 Menschen an den Folgen von Influenza gestorben sind. Damals hatten wir eine Epidemie von nationaler Tragweite, nur interessierte das kaum jemanden. Ich kann mich an niemanden in meiner Umgebung erinnern, der auch nur auf die Idee gekommen wäre, wie ich das manchmal tat, die Griffe der Einkaufswagen zu desinfizieren, oder nur mit Handschuhen anzufassen.
Damals kamen die Intensivstation vielerorts an ihre Grenzen, auch die normalen Stationen in Krankenhäusern, und viel Pflegepersonal war ebenfalls erkrankt. Stand alles in den Zeitungen und kann heute noch online nachgelesen werden.
Man nahm es in der Öffentlichkeit ein bisschen erschreckt zur
Kenntnis und ging zur Tagesordnung über. Die Politik reagierte gar nicht, wenn ich mich recht erinnere.
Menschen, die
über die traurige Tatsache Bericht geben mussten, dass sie eine geliebte Person
verloren hatten, sagten im Allgemeinen nicht dazu "wegen der Grippe".
Es wurden auch keine Einzelschicksale von Influenza-Kranken ausführlichst in den Zeitungen oder im TV
vor der Öffentlichkeit ausgebreitet und keine detaillierten Zeitungsberichte darüber
veröffentlicht, wie mühsam nach der überstandenen Influenza das Leben
monatelang war, mit welchen Langzeitfolgen Menschen in der Rekonvaleszenz zu kämpfen hatten.
Und mit Influenze
ist nicht zu spaßen! Ein guter Freund von uns lag damals 2 Wochen im künstlichen Koma aufgrund
einer Influenza-Folgeerkrankung. Er hat neurologische Schäden davongetragen und
war bzw. ist wohl noch immer in bestimmten, ambulanten Reha-Maßnahmen.
Was ist heute anders? Zu Anfang sicher die Ungewissheit über das Virus. Inzwischen ist das ziemlich gut erforscht, und fundierte, differenzierte Informationen darüber sind genug verfügbar. Genau wie mit Influenza, ist mit dem großen "C" nicht zu spaßen. Das ist ganz sicher.
Der große Unterschied zu 2017/18 liegt in den Handlungen der Obrigkeit.
Diesmal wurden
die Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Geplant, unter anderem im Bundesministerium des Inneren.
"Wir müssen wegkommen von einer Kommunikation, die auf die
Fallsterblichkeitsrate zentriert ist. (…). Um die gewünschte Schockwirkung zu
erzielen, müssen die konkreten Auswirkungen einer Durchseuchung auf die
menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden:" Und dann folgen grausigst detaillierte
Schilderungen, wie furchtbar das Virus zuschlagen wird, wenn nicht absolut hart
durchgegriffen wird. Nachzulesen
im Strategiepapier des Bundesinnenministeriums aus dem März auf der Seite 13.
Dies in Angst und Schrecken versetzen wird nun ununterbrochen seit Monaten praktiziert.
Gut unterbaute, fundierte Informationen von Sachkundigen, die andere
Umgangsweisen mit dem Virus vorschlagen, werden so kategorisch wie möglich
unterdrückt und gegebenenfalls diffamiert.
Sagte man. Und dann ging der Lebensalltag der Nichtbetroffenen weiter.
Und heute?
All das hat mich schwer ins Grübeln gebracht.
Beim Lesen fragte ich mich, ob sich der Widerspruchsgeist dem Virus angepasst hat; sprich man sieht ihn nicht, auch wenn er vorhanden ist.
AntwortenLöschenVielleicht sind die vielen anderen Menschen mit für sie lebenswichtigeren Dingen beschäftigt und es ist nur die Ruhe vor dem Sturm, wenn die Bestimmungen wieder mehr ermöglichen?
Vielleicht äußert der Geist sich nur im kleineren Radius, mehr direkt an den entsprechenden Stellen?
Die bisher gemachten und noch kommenden Erfahrungen werden ihre Spuren hinterlassen und im Gedächtnis bleiben. Dazu sind die Eingriffe und Veränderungen zu massiv.
Die Politiker hoffen natürlich, dass irgendwann die Zahlen sich bessern, ein Großteil geimpft ist und nach vielen Erfolgsmitteilungen und Beweihräucherungen alles wieder freudig seinen gewünscht gewohnten Gang nimmt. Auch wenn dann die öffentlichen Medien wieder heile Weltbilder verbreiten, die Menschen werden sich erinnern.