"Man reist ja
nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen."
Goethe inder Campagna, Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1787) |
Als Goethe den oben zitierten Satz gegenüber Caroline Herder aussprach (zwischen 7. und 9.9.1788, zitiert im Brief von Caroline an
ihren Mann Johann Gottfried Herder, 12.9.1788), war man noch mitten im Postkutschen-zeitalter. Mit Reisen ist hier ganz selbstverständlich der Gesamtprozess des
Unterwegsseins gemeint. Nicht nur die Zeit, die in der Postkutsche verbracht
wurde, sondern auch die Aufenthalte in den Orten, die man besuchte. Mit
kürzerem oder längerem Verbleib.
Reisen im
(Post)Kutschenzeitalter war alles andere als komfortabel, auch nicht immer ungefährlich.
Und doch haben die Menschen, die es sich leisten konnten, es auf sich genommen.
Das, was sie sich von den Reisen erhofften, war es ihnen wert. Meistens kam man
zwar ermüdet und durchgerüttelt, aber ansonsten gesund am Fahrziel an. Goethe reiste bis
ins hohe Alter auf diese Weise, und ich muss sagen: das bewundere ich.
Heute sind wir
meist nur noch unterwegs, um anzukommen. Und nennen auch das 'reisen'. Unsere Leben finden an verschiedenen Orten
statt, heute hier, morgen da, und ob wir in A sind oder in B, meist geht alles
so weiter wie immer. Selbst unsere Urlaubsreisen sind häufig genau so gefüllt wie
der Rest unserer Leben; ohne www und Mobilfunk fühlen wir uns unvollständig;
wir wechseln zwar den Ort, aber nicht unsere Gewohnheiten.
Die
Verkehrsmittel, mit denen wir Heutigen uns von A nach B transportieren lassen
können, sind schnell und komfortabel.
ICE im Süden Deutschlands |
Das machte bis vor drei Monaten dies 'Reisen'
zu einer angenehmen Sache. Wenn es was zu meckern gab, dann meist auf einem
hohen Niveau – Verbindung verpasst, Koffer nicht auffindbar -, aber echte
Dramen passierten glücklicher-weise sehr, sehr selten.
Vor ein paar
Tagen nun hat die Deutsche Bahn eine saisonale Zugverbindung angekündigt, die
sich für mich wie ein Traum liest: ein ICE von Norddeich-Mole über Leer und
Kassel nach München. Das könnte bedeuten: meine Bahnfahrt nach Frankfurt wird
schneller, ich muss nur noch ein Mal umsteigen, kann bis Kassel-Wilhelmshöhe gemütlich
sitzen bleiben.
Unter normalen
Bedingungen ein Traum: ein ziemlich
komfortabler Zug, Internet via WiFi, Service am Platz. Und ca. 4 Stunden Fahrt
genießen ohne Umsteigen. Reisen um zu reisen.
Könnte man sagen.
Die Fahrt
genießen. Da liegt nun gerade das Problem.
Schön, dieses gestellte Foto der Deutschen Bahn: der Zug ist, abgesehen von einem Fahrgast, leer. |
Denn diese vier
Stunden müsste ich unter den heutigen Bedingungen ununterbrochen maskiert im
Zug sitzen. Angesichts der Tatsache, dass dies die empfohlene, maximale
Tragedauer einer Maske überschreitet, müsste ich diese zwischendurch wechseln.
Im Klo? Im Abteil? Auf dem Gang?
Mitarbeiter des Bordbistro nimmt Zahlung entgegen. |
Was es mit meiner
Gesundheit tut, 4 Stunden lang unter verminderter Sauerstoffzufuhr und erhöhter
Aufnahme von CO2 aus meiner eigenen Ausatem-Luft plus permanenten
Zurückatmens eventuell in meinem Atem enthaltener Bakterien oder Viren zu
sitzen – die Frage wäre noch von unabhängingen Forschern zu beantworten.
Das sollte man
sich nicht nur nicht antun. Das darf man sich nicht antun.
Reisen um zu
Reisen - in öffentlichen Verkehrsmitteln ist dies zur Zeit keine Option.
Die nächste Fahrt
nach Frankfurt und zurück findet im Auto statt.
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