Tauende Eisfläche nach einem Tag Dauerregen bei 3 Grad Lufttemperatur |
…sind Strom und Bäche…
naja, noch nicht
ganz.
Das Tauwetter nach einer Woche echtem Winter hat heute Morgen eingesetzt
unter Begleitung von stetigem Regen und den Menschen in den Niederlanden mehr als einen halben Tag lang spiegelglatte Straßen und Fußwege serviert. Hier im Norden kam die Aufwärmung
aus dem Südwesten als letztes an, aber auch hier ist sie tagsüber schon zu
merken und wird am Abend immer deutlicher.
Gefrorener Regen am Fenster mit Blick in den Park |
Nachdem ich heute Morgen noch das wunderbare Schauspiel gefrorenen Regens an der Außenseite eines Fensters auf der aktuellen Wetterseite bestaunen durfte, strömt nun der Regen an jener Fensterscheibe entlang.
Es war sehr schön in den letzten, frostigen Tagen, klare Luft, nur ein paar kleine Wölkchen am Himmel, heller Sonnenschein. Und es gab Bilder zu sehen, die selten geworden sind. Aufgehäuften Schnee. Zugefrorene Teiche, Seen und Kanäle. Viele Schlittschuhläufer, auch hier im Dorf. In der Stadt Groningen konnte man auf dem "Diepenring" Eislaufen, dem geschlossenen Ring aus Grachten der sich rund um die Innenstadt zieht. Bilder wie auf historischen Gemälden. Nur die Kleidung ist anders.
Und doch bin ich froh, dass es nun wieder wärmer wird. Nicht nur war es ein ziemliches Getue, die Luftfeuchtigkeit im Erdgeschoss der Musikinstrumente wegen möglichst auf über 35% zu halten. Es war auch ein bisschen unangenehm draußen beim Spazierengehen mit der enorm trockenen Luft. Irgendwie stecke ich das alles nicht mehr so leicht weg wie noch vor ein paar Jahren. Die Daueranspannung in der Lebensatmosphäre überall um eine herum wegen der C-Krise mag da auch eine Rolle spielen; das Leben lebt sich einfach nicht mehr automatisch so leichtfüßig wie noch vor zwölf Monaten.
Gestern vor einem
Jahr war ich noch bei einem Konzert der hr-Bigband im Großen Sendesaal des
Hessischen Rundfunks in Frankfurt. Wow!, wie war das schön. Zu Gast waren
damals der Puerto-Ricaner Miguel Zenón am Saxophon und der Argentinier
Guillermo Klein als Arrangeur und Bandleader. Es war ein wunderbares,
lebendiges, musikalisch inspiriertes Konzert. Meine Schwester war mit, und nach
dem Konzert trafen wir ein mit meiner Schwester befreundetes Paar. Zusammen
gingen wir nach dem Konzert Essen; im ehemals eine typisch Frankfurter Kneipengaststätte
gewesenen Restaurant war es knallvoll, nur mühsam ein Tisch für uns vier zu
bekommen. Später zeigte sich noch, dass dies auch die Stammkneipe der
Bigband-Musiker war. Ein ganz altes Gefühl stellte sich wieder ein von damals,
als ich Stammgast in den beiden Kneipen war, in denen sich Schauspielerinnen
und Schauspieler des in den 70ern besonders experimentierfreudigen "Schauspiel
Frankfurt" nach den Vorstellungen tummelten. Es war immer schön und
lebendig, und mit manchen von ihnen kam man relativ einfach ins Gespräch.
Ein wunderbarer
Abend war das vor einem Jahr in Frankfurt. Obwohl offenbar schon die ersten
Gerüchte von einem "neuartigen Coronavirus" im Umlauf waren, scherte
sich niemand drum, und das, was heute ein "Supersprider-Event"
genannt würde, eine knallvolle Gaststätte mit nicht allzuviel Lüftung, in der
die Leute dicht auf dicht saßen, war schlichtweg normales Leben, bei dem sich
niemand etwas Böses dachte. Nicht "altes Normal", wie ich gerade im Radio gehört habe. Einfach normales Normal.
Aber eigentlich wollte ich ja über die innere Erleichterung angesichts der schwindenden Kälte und des schwindenden Eises schreiben. Mein Gefühl ist, dass sich durch die Klimaveränderung auch die subjektive Wahrnehmung der Jahreszeiten und die (unbewusste) Erwartung verändert haben. Genau wie die Vögel, die schon gestern wieder hier überall ihre Frühlingsgesänge angestimmt hatten, ist es auch mir bereits jetzt, Mitte Februar, nicht mehr nach Winter. Offiziell geht der Winter noch bis Mitte März. Gefühlt darf er ruhig jetzt schon zuende sein.
Wobei ich mir jedes Jahr erneut sage: die eingangs zitierten, berühmten Zeilen von Goethe spielen während eines Spaziergangs am Ostersonntag, gehören zu einem Monolog des Faust mit Wagner in der Szene "Vor dem Tor" aus "Faust. Der Tragödie erster Teil". Das frühestmögliche Datum für einen Ostersonntag wäre der 22. März.
Gardengotttesdienst im Mainzer Dom am Fastnachtssonntag 2021 |
Die ganze Fastenzeit von 40 Tagen muss noch kommen, bevor es Ostern werden kann. Das wären noch ganz schön viele Wochen Winter… eigentlich.
Dem Gefühl aber ist das egal. Etwas in mir ist froh um jeden Krümel Schnee, der wegschmilzt. Mildere Temperaturen und eine etwas höhere Luftfeuchtigkeit finde ich inzwischen einfach angenehmer. Es fühlt sich entspannter an. Die Seele will wieder Vogelgezwitscher hören und erste Frühjahrsblüher ihre Köpfe aus der Erde stecken sehen.
Und so habe ich den "Osterspaziergang" noch einmal gut gelesen. Schließlich geht es hier genau um dies Gefühl, diese Sehnsucht. Mit dem ganzen C-Virus Elend im Gepäck liest sich dies alles noch ganz anders.
Zum Einen die Sehnsucht nach der bunten, optimistischen, frühlingshaften Natur.
Zum Anderen, und noch viel stärker, die Sehnsucht unter fröhlichen Menschen zu sein. Wieder einfach so und ohne die Drohung, durch Polizei auseinandergetrieben zu werden und/oder hohe Bußen zu bezahlen, Teil ausmachen zu dürfen von buntem Gewimmel. Wieder einfach so gemeinsam mit anderen jauchzen und jubilieren zu dürfen. Wie weit weg ist doch unserem heutigen Lebensgefühl der Ausruf Fausts, mit dem das Gedicht schließt!
Vom Eise befreit
sind Strom und Bäche
Durch des
Frühlings holden, belebenden Blick,
Im Tale grünet
Hoffnungsglück;
Der alte Winter,
in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe
Berge zurück.
Von dort her
sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige
Schauer körnigen Eises
In Streifen über
die grünende Flur.
Aber die Sonne
duldet kein Weißes,
Überall regt sich
Bildung und Streben,
Alles will sie
mit Farben beleben;
Doch an Blumen
fehlts im Revier,
Sie nimmt
geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um,
von diesen Höhen
Nach der Stadt
zurück zu sehen!
Aus dem hohlen
finstern Tor
Dringt ein buntes
Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich
heute so gern.
Sie feiern die
Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind
selber auferstanden:
Aus niedriger
Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks-
und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von
Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen
quetschender Enge,
Aus der Kirchen
ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans
Licht gebracht.
Sieh nur, sieh!
wie behend sich die Menge
Durch die Gärten
und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß in
Breit und Länge
So manchen
lustigen Nachen bewegt,
Und, bis zum
Sinken überladen,
Entfernt sich
dieser letzte Kahn.
Selbst von des
Berges fernen Pfaden
Blinken uns
farbige Kleider an.
Ich höre schon
des Dorfs Getümmel,
Hier ist des
Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden
jauchzet groß und klein:
Hier bin ich
Mensch, hier darf ichs sein!
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