Blick aus dem Kirchturm in Termunten |
Nach dem gemeinsamen Lunch hier zuhause waren wir unterweges an der Dollart-Küste. Wir besichtigten die wunderschöne, romanogotische Kirche in Termunten, bestiegen den Turm und erfreuten uns an dem Ausblick weit übers Land und das Wasser, spazierten auf dem Deich und schlenderten eine Weile später durch das pittoreske Termunterzijl. Zwischendurch war uns nach Kaffee und Kuchen. In dem wunderschönen, kleinen Café "Teetied" konnten wir beides genießen. Dabei genossen wir beide auch, dass wir ganz normal ins Café schlendern und bestellen konnten. Keine Masken, kein '3g'. Meine Freundin freute es, weil sie das von zuhause so nicht mehr kennt. Und ich schwelgte in dem Gefühl, weil es noch möglich ist.
Übersetzung: Endlich hab ich meinen QR-Code auf meinem Telefon. Das war eine ganz schöne Bastelei! (Netzfund, facebook-Post) |
Ab dem 25.
September wird hier in den Niederlanden der sogenannte
"Corona-Zugangsnachweis" an vielen Orten verpflichtend. D.h. ab dem
Moment darf man diese Orte nur noch gespritzt – genesen – getestet betreten. Nachweisen
muss man das mit dem entsprechenden QR-Code, den man entweder "auf dem
Telefon hat", d.h. mittels einer bestimmten App in sein Handy geladen
hat, oder als Computerausdruck mit sich
führt, nachdem man ihn sich von der entsprechenden Instanz (Gesundheitsamt,
Testlokal,…) hat mailen lassen. (Was machen eigentlich die noch immer zahlreich
vorhandenen Senioren, die weder PC noch Handy haben?)
Für meine Leserinnen und
Leser in Deutschland ist sowas alles natürlich nichts Neues, im Gegenteil. Viele
werden davon träumen: wenn es doch noch so relativ freizügig wäre... In Deutschland
ist man schon einen Schritt weiter in den Verschärfungen. Vieles dürfen nur
noch Menschen, die entweder "den Pieks" (auf sich) genommen haben
oder genesen sind. Für uns in den Niederlanden ist g-g-g allerdings etwas Neues
und eine ziemliche Verschärfung. Da kann die Regierung noch so laut behaupten,
dass die neuen Regeln ab 25.9. eine "Erleichterung" seien. Unsinn
natürlich, denn bislang durften alle bei 1,5 m Abstand beinahe alles, und zwar
ohne Maske. Sportveranstaltungen und Festivals ausgenommen, da brauchte man
schon seit sie überhaupt wieder mit Publikum bzw. überhaupt stattfinden, immer
schon 3g.
Also, 3g gilt dann für Restaurants zum Beispiel. Im Prinzip. Ausnahme: draußen. Im Außenbereich sitzen und konsumieren darf man ohne. Aber wehe, man muss aufs Klo oder will sich vor dem Essen die Hände waschen - das darf man nur g-g-g. Wie verrückt soll es noch werden?
"Corona-Zugangsnachweis"
muss man dann auch haben für z.B. Theater, Konzerte, Open Airs, Feste – dafür
wird überall die 1,5-m-Regel entpflichtet. Gottesdienste bleiben vom g-g-g
befreit. Ob gesungen werden darf, entzieht sich meiner Kenntnis.
Eine niederländische
facebook-Bekannte hat in Reaktion auf die Gesetzes-Änderung vor ein paar Tagen einen kleinen Post
geteilt, der so ähnlich schon einmal im Sommer 2020 die Runde machte. Er bringt
eine Alternative zum Restaurant- oder Kneipen-Besuch wieder zurück ins Bewusstsein, erinnert an ein Stück in den letzten Jahren verloren gegangener
Alltagskultur. Hier die Übersetzung:
Auch ohne
QR-Code: in unserem Haus kann man sich sicher fühlen.
Wir haben
immer Kaffee und Tee, Erfrischungsgetränke, kaltes Wasser oder Bier, Wein und
etwas zu essen. 😉
Hier wird niemand verurteilt.
Jedes Familienmitglied,
jede Freundin, jeder Freund mit Lust auf ein Schwätzchen ist jederzeit willkommen.
Wir können uns
unterhalten, lachen, uns umarmen, oder einfach ein offenes Ohr bieten.
Wir werden
unser bestes tun, für Dich, für Euch da zu sein….. Du bist jederzeit
willkommen!!
Geimpft oder
ungeimpft.
Das sind
Werte, die verlorengegangen sind…
Private Fensterdekoration (Teddy-Aktion im Lockdown Frühjahr 2020) |
Tatsächlich. Sich
gegenseitig 'einfach so' besuchen ist etwas, das auf der Strecke geblieben ist.
In vielenFällen nicht erst seit März 2020. Aber seit März 2020 ist das alles
noch viel ärger geworden. Auf die Spitze getrieben. Ich erinnere mich noch, wie
die Nachbarin, die uns Eier von ihren Hühnern brachte, und dabei nicht einmal
nach drinnen zu kommen beabsichtigt hatte, mit Maske in der Hand angelaufen kam
– ob sie die aufsetzen solle, ehe sie mir die Eier überreicht.
So gut wie
niemand von den facebook-Bekannten derjenigen, die den Text gepostet hat, hat den Beitrag geliked.
Ich denke, dass ganz viele Angst haben, sich als jemand zu outen, der die
Maßnahmen der Regierung kritisiert, hinterfragt. Denn die Zweiteilung in der
Gesellschaft hat sich auch hier ausgebreitet. Niemand will facebook-öffentlich
beschimpft werden. Vielleicht wollen viele sich auch nicht vor ihren eigenen facebook-Bekannten, Nachbarn, Freunden 'outen'.
Kann ich verstehen. Man will nicht noch mehr isoliert werden. Es ist alles schon schlimm genug.
Dabei beinhaltet dieser von wem auch immer –
sprachlich nicht sonderlich ausgefeilt – bedachte Text viel Wahres. Man kann
sich durchaus darauf besinnen, dass es nicht immer ein Restaurant oder Café
sein muss. Man kann einander auch besuchen. Ganz problemlos sowieso jetzt noch,
wo man auf windgeschützten Terrassen oft noch prima draußen sitzen kann. Und also genug Frischluft vorhanden ist.
Mit der Bekannten, die den Text gepostet hat, will ich eigentlich schon seit Anfang des Jahres mal wieder einen Kaffee trinken. Wird Zeit, dass ich endlich auf einen Sprung bei ihr vorbeigehe.
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