Mitte März bis 10. April 2020 täglich. Ab 11. April 2020 erscheinen die Beiträge jeden zweiten Tag. Ab Montag, 22. Juni 2020 immer Montag und Donnerstag abends. Ab Montag, 13. Dezember 2021 am Montagabend nach 22 Uhr.


Donnerstag, 9. September 2021

Honig zum Beispiel

Eins dieser Bücher von Aufbau
 

 

 

 

Zur Zeit habe ich eine Phase, in der ich mich innerlich zeitweise mit unterhaltenden Romanen über Wasser halte. Das Probabo einer e-book-Plattform macht's möglich. Was ich nicht erwartet hätte: im Aufbauverlag sind einige gut zu lesende Bücher aus dieser Gattung erschienen, und sie spielen auch noch alle irgendwie im Norden oder am Meer. Von welchem ich immer träume. Und träume. Sollte man nicht für möglich halten, wo ich doch maximal 50 km von der Küste entfernt lebe. Aber man muss halt auch hinkommen. Für jemand wie mich, die nie Autofahren gelernt hat, nicht so einfach. Doch das nur am Rande.

In einem dieser Romane spielte eine imkernde Oma eine Rolle, und es wurde immer mal wieder Informatives aus dem Imkerinnenleben zwischen die Handlung eingestreut.

Ein Satz ist mir sehr eindrücklich in Erinnerung geblieben: "Ein Teelöffel Honig ist die Lebensleistung einer Biene".

Dies zu wissen hat die ganze Art und Weise verändert, in der ich mit diesem – wie ich nun weiß - kostbaren Gut umgehe. Bislang war Honig für mich ein gesundes Süßungsmittel, das ich vor allem morgens im Müsli, aber auch Mittags zum Abschluss des Lunch auf dem letzten Stückchen Brot verzehrt habe. Bewusst suchte ich meine Honige schon aus, auf jeden Fall Bio, wenns geht Demeter, und auch von bestimmten Pflanzen. Letzteres des von mir bevorzugten Geschmacks wegen.

Seit ich weiß, dass für meinen morgendlichen Teelöffel Honig, der schluppdiwupp in der Quark-Leinöl-Speise und kurz drauf in meinem Magen verschwindet, eine Biene ihr ganzes Leben lang geschuftet hat, schöpfe ich diese Süßigkeit mit einer großen Dankbarkeit aus dem Glas und vermische sie mit ebensolcher Dankbarkeit mit dem Quark.

Dies Wissen hat mich auch wieder bewusster mit dem Quark selbst umgehen lassen. Ich danke beim Rühren den Kühen, die dafür ihre Milch gegeben haben und den Menschen, die bei der Verarbeitung und dem Transport geholfen haben. Oder das Leinöl – was hat es für einen Weg hinter sich, bis es bei mir auf den Esslöffel laufen darf. Das Öl wie vieler Leinsamen wohl in so einem Esslöffel der goldenen Flüssigkeit versammelt ist? Und wie schonend musste es gepresst, abgefüllt, gelagert, transportiert werden, damit sein Geschmack so erhalten bleiben konnte, wie ich ihn schätze?

Heute Mittag beim Lunch – hier in den Niederlanden die Brotmahlzeit, man isst abends warm – saß ich dann auch plötzlich staunend und sinnierend am Tisch. Klar, mir war spätestens seit meinem Soziologiestudium an der damals 'linken' Uni Frankfurt bewusst, dass alle Dinge, alle Waren irgendwie auch 'geronnene Arbeit' sind. Aber nun wurde es mir auf einmal ganz bildlich klar:

Was für eine gigantische Menge an tierischer und menschlicher Anstrengung da auf unserem wirklich reich gedeckten Tisch versammelt war. Da mein Mann und ich total unterschiedliche Nahrungsvorlieben und gesundheitliche Essens-Notwendigkeiten haben, ist unser Mittagstisch immer besonders vielfältig gedeckt. Angefangen bei unterschiedlichen Sorten Brot (für den niederländischen und für den deutschen Geschmack) über das Streichfett – Butter bzw. Halbfettbutter – bis hin zum Belag, der vom Käse über mediterrane oder vegetarische Brotaufstriche, auch mal Fischpastete aus dem Glas und Thunfischsalat bis zu Honig, Pindakaas (Erdnusbutter), Kokos-Mandel-Dattel-Mus und Schokostreusel reicht. Dazu noch die Gewürze, die in meine Curcuma-Kräuterbutter kommen. Ich kam innerlich gar nicht nach damit, mir von all dem vorzustellen, aus welchen Rohstoffen es besteht, wie viele Tiere auf die eine oder andere Weise daran beigetragen oder sogar dafür ihr Leben gelassen haben, und wie viele Menschen beim Ernten, Melken, Fischen, Verarbeiten, Zubereiten, Transportieren daran beteiligt waren. Ganz komplex ist so ein Thunfisch-Salat, in dem außer Thunfisch noch Mayonaise, Mini-Stückchen Gürkchen, Ei, Essig, Rohrzucker, Salz, Gewürze und was weiß-ich-noch verarbeitet sind...

Dies alles steht einfach so auf unserem Tisch, und wir futtern es mehr oder weniger bewusst, mehr oder weniger genießend. Ehrlicherweise gesagt: meist weniger.

Heute erfasste mich mit einem Mal eine ganz große Welle der Dankbarkeit.

Was für ein Wunder, dass es dies alles gibt, und das wir dies alles genießen können! Was für ein Geschenk, - ja, Geschenk! auch wenn wir für alles im Laden Geld gegeben haben – solche Köstlichkeiten verspeisen zu dürfen. Ich wurde wirklich ganz still und ein bisschen ehrfürchtig.

Wahrscheinlich war dies die bewussteste Mahlzeit, die ich in meinem bisherigen Leben zu mir genommen habe. Ich wünsche mir von Herzen, dass mir von diesem Gefühl, von dieser Bewusstheit, von dieser Dankbarkeit wenigstens ein Stück dauerhaft erhalten bleibt.

Schon erstaunlich, was ein einzelner Satz in einem Buch manchmal bewirken kann. In einem pur unterhaltsamen noch dazu.

 

 

Wer wissen will, was für ein Buch das ist, in dem dieser Satz steht, klickt auf die neben stehende Abbildung und kommt zur Verlagsseite über den Titel.

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